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Cäsars und Kleopatras Reise auf dem Nil

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Wir schreiben das Jahr 47 v. Chr., Alexandria befindet sich noch immer auf dem Höhepunkt seiner Macht. Ein riesiges Schiff segelt langsam den Nil hinauf.14 An Deck stehen Kleopatra, die Königin Ägyptens, und Julius Cäsar, Herrscher über das mächtige Römische Reich. Sie haben ihre Residenz in Alexandria verlassen, um sich dem Volk zu zeigen. 400 kleinere Fahrzeuge eskortieren das Paar. An den Flussufern strömen die Menschen zusammen. Dies sind Szenen einer der legendärsten Schiffsreisen der Weltgeschichte.

Wie immer, wenn es nur wenig schriftliche Überlieferung gibt, ranken sich viele Mythen um die betreffenden Ereignisse. Zu der Schiffsreise findet sich nur eine einzige antike Quelle, und die wurde erst 150 Jahre später aufgezeichnet. Der in Alexandria ansässige Appian schrieb seine berühmte Geschichte erst Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. auf. Der Mangel an exaktem Wissen verleiht der Fantasie Flügel. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde Kleopatras Geschichte von William Shakespeare in Antonius und Kleopatra unsterblich gemacht, unzählige Bücher und viele Filme beschäftigen sich mit dem Schicksal einer der bekanntesten Frauen der Weltgeschichte. Die meisten Historiker sind sich einig, dass Cäsar und Kleopatra ihre große Fahrt auf einem seinerzeit als gigantisch und extravagant geltenden Schiff antraten und dass es sich dabei nicht um eine romantische Reise handelte, sondern um eine Machtdemonstration.

Diese »hochöffentliche« Reise muss, sofern sie denn tatsächlich stattfand, einem politischen Zweck gedient haben.15 Seit undenklichen Zeiten hatten die Pharaonen Schiffsreisen auf der Lebensader des Landes als eine Methode verstanden, ihre Macht zu zeigen. Da sich das ganze Leben der Menschen an den Ufern des Flusses abspielte und alle wussten, dass nur die Mächtigsten über die Mittel für so große Schiffe verfügten, fuhren die Pharaonen den Nil hinauf und hinunter, um an ihre hervorgehobene Stellung in der Gesellschaft zu erinnern und diese zu festigen. Entlang des Nils waren viele kleine und große Paläste errichtet worden, wo die Machthaber ihre Untertanen versammeln konnten. Der Zusammenhang zwischen der Huldigung auf einem Nilschiff und dem Erhalt der irdischen Macht war offensichtlich und konnte wiederholt nachgewiesen werden. Im Jahr 47 v. Chr. wurde dies von Cäsar und Kleopatra offensichtlich ausgenutzt. Nach ihrem Sieg im Krieg gegen Kleopatras Bruder wollte Cäsar als der mächtige, unbesiegbare Herrscher über die neue Provinz des Römischen Reichs auftreten. Für Kleopatra war es wichtig zu zeigen, dass sie sich mit dieser Allianz keineswegs Rom unterwarf. Ob sie auf der Schiffsreise von dem 30 Jahre älteren Cäsar schwanger wurde, ist unter Historikern weiterhin umstritten, obgleich Kleopatra selbst darauf bestand und später Ptolemaios Cäsar das Leben schenkte, der »Caesarion« (»Cäsarlein«) genannt wurde.

Die Reise muss darüber hinaus auch eine religiöse Bedeutung gehabt haben, da der Nil als heiliger Fluss galt und Kleopatra als Stellvertreterin der Isis betrachtet wurde. Kleopatra war sowohl Göttin als auch Königin. Die gemeinsame Schiffsreise mit Cäsar war ein deutlicher Ausdruck dafür, dass sie – wie andere ägyptische Herrscher vor und nach ihr – die kulturelle Bedeutung des Nils sowie das politische Kapital nutzte, Herrscherin und Gottheit des Nils zu sein. Kleopatra, die Nilgöttin in Person, ließ sich auf dem heiligen Fluss feiern. Cäsar, Anführer des mächtigsten Staates der Welt, wusste sowohl um die spirituelle Bedeutung des Nils wie um dessen Rolle als Garant für die Getreideversorgung Roms. Doch was war der Hintergrund dieser Reise?

Kleopatras Vater, Ptolemaios XII., der »Flötenspieler«, war von Rom nicht als König anerkannt worden. Als er starb, bestiegen die achtzehnjährige Kleopatra und ihr sechs Jahre jüngerer Halbbruder, Ptolemaios XIII., den Thron. Die Ambitionen des königlichen Geschlechts waren so total, dass eine bizarre Strategie zum Machterhalt angewandt wurde: Die Kinder des Königs mussten einander ehelichen, um die Reinheit des Geschlechts zu bewahren. Kleopatra bestieg den Thron also zusammen mit ihrem zwölfjährigen Bruder und Ehemann. Die Institutionalisierung der inzestuösen Machtpolitik konnte die herrschende Rivalität indes nicht beseitigen. Die Front verlief nun zwischen Bruder und Schwester. Die Ratgeber Ptolemaios’ XIII. schafften es, Kleopatra aus dem Palast verjagen zu lassen.

In dieser Phase der Wirren segelte Cäsar am 2. Oktober 48 v. Chr. in die Bucht von Alexandria, um die Macht zu übernehmen. Kleopatra witterte die Chance, sich an ihrem Bruder und seinen Anhängern zu rächen. Cäsar war mit einem 30 000 Mann starken Heer nach Ägypten gekommen, richtete sich im Palast ein und erteilte Befehle, als herrsche er bereits über Ägypten. Kleopatras jüngerer Bruder und Ehemann wurde zu Verhandlungen eingeladen.

An dieser Stelle wird Kleopatra ein Teil der Weltgeschichte und tritt als mythische, gleichermaßen romantische wie tragische Figur in die Erzählung ein, die insbesondere durch die 150 Jahre später aufgezeichneten Berichte des römischen Schriftstellers Plutarch Verbreitung fand und die von Shakespeare und anderen Dichtern später weiter ausgeschmückt wurde: Kleopatra begab sich hinter die Linien des Feindes und wurde von einem sizilianischen Händler in einem Teppich eingerollt zu Cäsar gebracht. Am folgenden Tag wurden Ptolemaios und Kleopatra zu Cäsar gerufen, der Kleopatras Charme bereits erlegen war. Ihr Bruder und Ehemann begriff, welche Folgen dies haben könne. Er floh aus dem Palast und rief, dass Kleopatra ihn verraten habe. In dem ein Jahr später folgenden Krieg trugen Cäsar und Kleopatra in der »Schlacht um den Nil« den Sieg über Ptolemaios davon. Er wurde laut verschiedenen Berichten im Nil ertränkt, entsprechend der Sitte, wie die Triumphe der Sieger gefeiert wurden. Cäsar verlieh Kleopatra das Recht auf den Thron, allerdings als untergeordnete Alliierte Roms. Sie regierte zusammen mit einem weiteren jüngeren Bruder, dem elfjährigen Ptolemaios XIV., der gemäß der Tradition ihr neuer Ehemann wurde. Kleopatra war die letzte Pharaonin, die in Ägypten herrschte.16

Die Schiffsreise flussaufwärts unterstrich, dass nun Julius Cäsar in Ägypten den Ton angab und der Fluss fortan durch eine neue römische Provinz floss. Mit Kleopatra an seiner Seite konnte Cäsar zugleich zumindest den Anschein erwecken, er wolle Ägypten noch eine gewisse Eigenständigkeit zuerkennen – vorausgesetzt, dass er bekam, wonach er verlangte. Und was Cäsar sich wünschte, war zuallererst Weizen – viel Weizen.

Für Rom war Ägypten das leuchtende Juwel in der Krone, sowohl aufgrund dessen kultureller und religiöser Position, als auch weil das Land zur Kornkammer Roms aufstieg. Man hat errechnet, dass jedes Jahr etwa 200 000 Tonnen Weizen in die kaiserliche Hauptstadt importiert wurden. Vieles davon wurde kostenlos an die Armen der Stadt verteilt, um Aufstände zu verhindern und Arbeitskraft zu sichern. Der größte Teil dieses Getreides kam von den Ufern des Nils, die ägyptischen Bauern wurden in der römischen Ökonomie zu gesuchten Produzenten. Für die meisten von ihnen ging das Leben jedoch wie gewohnt weiter: Dynastien lösten einander ab, Regierungen kamen und gingen, ohne dass sich dies wesentlich auf ihren Alltag ausgewirkt hätte. Wie zuvor verlangte der Staat Steuern von ihnen, mobilisierte sie zum Bau von Dämmen, die eine Überschwemmung der Felder verhindern sollten, und beutete sie nach Herzenslust aus. Gleichzeitig bauten sowohl die ptolemäischen als auch die römischen Herrscher das Bewässerungssystem weiter aus. Sie führten Geräte ein wie die Archimedische Schraube, den Schaduf (eine Vorrichtung mit einem Gegengewicht am kürzeren Ende der Stange) und die Sakia (ein Schöpfwerk mit einer Kette kleinerer Gefäße), infolgedessen mehrmals im Jahr geerntet werden konnte.


Schaduf, eine seit der Pharaonenzeit gebräuchliche Technologie, bei der Wasser manuell mithilfe von Hebarmen, an denen Gegengewichte angebracht sind, relativ leicht aus dem Fluss gehoben werden kann. Foto, zwischen 1860 und 1870.


Sakia, ein von Vieh (und früher auch von Sklaven) bewegtes Wasserrad, ist eine weitere Form von traditioneller Technologie in Ägypten. Lithografie von Louis Haghe, 1847.

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