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»Die Schlacht um den Nil«: Paris gegen London

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Während Europas politische Stärke und militärische Schlagkraft wuchs, versuchten führende europäische Staaten, ihre Macht über Handelszentren und -wege in aller Welt zu vergrößern. Eines der ersten Länder, das die Folgen dieses Wettstreits zu spüren bekam, war Ägypten. Es profitierte davon, jedenfalls zu Anfang, denn indem Großbritannien im Bündnis mit dem Osmanischen Reich das französische Expeditionskorps zum Rückzug aus Ägypten zwang, gewann das Land eine größere Unabhängigkeit von Konstantinopel.

Eine der berühmtesten Schlachten, die in Ägypten geschlagen wurde, ist die sogenannte »Schlacht um den Nil« vom August 1798. Neben all den anderen barocken Aspekten dieser Schlacht ist sie ein frühes Beispiel dafür, dass das Abendland in der Begegnung mit dem Orient eben keinesfalls als einheitliche Kraft zusammenstand und gemeinsam das Ziel verfolgte, die arabische beziehungsweise islamische Welt zu zerschlagen.

Admiral Nelson, der einäugige und einarmige englische Kriegsheld, der heute in London über den Trafalgar Square blickt, schrieb nach der Schlacht: »Der allmächtige Gott hat die Marine Seiner Majestät mit einem großen Sieg über die feindliche Flotte gesegnet, welche ich bei Sonnenuntergang am 1. August vor der Nilmündung angegriffen habe.«30 Während die Franzosen kurz zuvor die »Schlacht bei den Pyramiden« gewonnen hatten, wurden ihre Schiffe nun von Londons Flotte aufgerieben. London, das Ägypten auf keinen Fall unter Napoleons Herrschaft geraten lassen wollte, ging unter Nelsons Kommando in der Bucht von Abukir zum Angriff auf die vor dem Delta liegende französische Flotte über, derweil Napoleon selbst sich in seinem Lager in Kairo aufhielt. Die Seeschlacht dauerte vom 1. bis zum 3. August 1798.

Während sich die Schiffe zur Seeschlacht bereit machten, speiste Nelson ein letztes Mal mit seinen Offizieren und verkündete: »Morgen um diese Zeit bin ich entweder adlig oder in der Westminster Abbey.«31 Die Alternativen waren also klar umrissen: Entweder er würde in den Adelsstand erhoben werden, die traditionelle Belohnung für einen Sieger, oder an der traditionellen Grabstätte für militärische Helden sein Grab finden.


»Die Schlacht um den Nil«, die vom 1. bis zum 3. August 1798 direkt vor der Flussmündung im Mittelmeer erfolgte blutige Seeschlacht zwischen Frankreich und Großbritannien, war die erste von vielen Rivalitätsäußerungen zwischen westlichen Großmächten um die Macht über Ägypten und den Nil. Unter dem späteren Lord Nelson, auch »Lord of the Nile« genannt, trugen die Briten den Sieg davon. Gemälde von Thomas Whitcombe (1763–1824).

Die französischen Schiffsführer waren völlig unvorbereitet und saßen zusammen an Bord des Flaggschiffes Orient, als die ersten Kanonenschüsse fielen. Sie mussten in ihre Beiboote springen, während sie ihre Befehle brüllten. Der Kapitän der Orient wurde im allgemeinen Chaos von fliegenden Gegenständen bewusstlos geschlagen, während seinem zehn Jahre alten Sohn, der neben ihm gestanden hatte, von einer Kanonenkugel ein Bein abgerissen wurde. Um neun Uhr abends gerieten die unteren Decks des Flaggschiffs in Brand. Nun richteten die Briten sämtliche Kanonen auf den angeschlagenen Koloss. Aufgrund des ununterbrochenen Geschützfeuers konnten die Franzosen die Brände nicht löschen. Innerhalb weniger Minuten hüllten Flammen das Schiff komplett ein. Es war zu einem lodernden Inferno geworden, und die Bucht füllte sich mit Toten und schreienden Soldaten, denen die Uniformen vom Leib gebrannt waren.

Nelson sagte am nächsten Morgen, als er sich einen Überblick über die Bucht verschaffte: »Sieg ist kein ausreichend starkes Wort für diesen Anblick.«32 Vier Tage später war der Admiral, wie es Sitte und Brauch des britischen Imperiums erheischten, zu »Baron Nelson of the Nile« geworden, obwohl er nie einen Fuß auf ein Ufer dieses Stroms gesetzt hatte oder auf dessen Wassern gesegelt war.

Die Seeschlacht bedeutete für Frankreich eine herbe Niederlage und kräftigte die Durchsetzungskraft des imperialen Pathos in Großbritannien, das nun bald »die Wellen beherrschte«. Das restliche Europa war übrigens vom britischen Sieg ebenso überrascht wie Ägypten.

Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als Nelsons Kanonen im Nildelta den Sieg errangen, komponierte der ansonsten so optimistische und lebensfrohe Joseph Haydn, ein Vertreter der Wiener Klassik, seine einzige Messe in Moll. Schwere Paukenschläge, tiefe Trompetenstöße und ein kalter Orgelklang eröffnen den Satz, und auf dem Umschlag der Partitur nannte Haydn seine Komposition »Missa in Angustiis« (Messe in der Bedrängnis). Das geschah im Jahre 1798, als Napoleon vielen als Bedrohung galt, sogar in Eisenstadt weit im Osten Österreichs, wo Haydn als Kapellmeister tätig war. Haydn wusste nicht, dass Nelson, während er selbst aus Angst vor Napoleon und dessen Heer seine Messe in Moll schrieb, die französische Flotte in einem Überraschungsangriff vor dem Auslauf des Nils vernichtend geschlagen hatte.

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