Читать книгу Das Blut der Auserwählten - Thomas Binder - Страница 46
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ОглавлениеDerselbe Mann stellte sich stolz vor als 'Emanuel Clavier, renommierter französischer Auslandsjournalist', während er einem verwirrten und vertrauenslosen Kurt Powell an einem Tisch eines Cafés gegenüber saß. Kurt trank die ihm versprochene heiße Schokolade, Emanuel einen starken Kaffee, der ihm penetrant in die Nase stieg.
Emanuel hatte ihm gerade geschildert, wie er Kurt begegnet war und wie sein Mitleid ihn dabei überkommen hatte. Emanuel meinte, er hätte Kurt einfach helfen müssen, und außerdem bräuchte er auch einige Informationen über gewisse Plätze hier in der Stadt der Engel, wie Los Angeles ja so schön hieße. Er fragte Kurt alle möglichen Dinge über Sehenswürdigkeiten, die in jedem drittklassigen Stadtführer hinreichend beschrieben wurden und sowieso jeder kannte, der einen Fernseher hatte.
Sobald Kurt verträumt über Sachen referierte, auf die er selbst gar nicht so sehr achtete, tauchte der Franzose immer wieder seinen dünn gezwirbelten Schnurrbart in seinen müffelnden Kaffee.
Kurt verlor irgendwann das Zeitgefühl dafür, wie lange das Gespräch dauerte, doch er verspürte auch keinen Drang, vom Tisch auf zu stehen. Er beobachtete nur die Tropfen brauner Flüssigkeit, die vom Bart seines Spenders in die Tasse zurück tropften und musste plötzlich an die Schule denken - an einen Kollegen, der schon länger krank gemeldet war: Bobby Delarow mit seinem Aneurysma im Hirn.
Emanuel leitete plötzlich auf seine eigene Vergangenheit über, was Kurt ein wenig wunderte, jedoch nicht weiter störte. Clavier meinte, er hätte früher bei seiner Zeitung die Todesanzeigen gemacht und dass dies eigentlich ein wirklich grausamer, deprimierender Job sei. Immer die Lieben von trauernden Menschen über den Verstorbenen zu befragen, um einen kurzen, unzureichenden Nachruf zu schreiben, den sowieso niemand außer den Verwandten wirklich lesen würde. Aber es wäre natürlich undenkbar gewesen, diesen Job ab zu schaffen, einer müsse ihn ja eben machen.
Der aalglatte Franzose begann, über die Gefühle zu philosophieren, die in einem ausgelöst wurden, wenn jemand Namen von verstorbenen Personen Tag für Tag auf Papier drucken und an deren Angehörige denken musste.