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Kurt lag im Krankenhaus. Er hatte starke Verbrennungen, vor allem am Oberkörper.

Er erwachte dämmrig aus der Narkose. Sein Kopf fühlte sich taub an, seine Hände waren wie eingeschlafen. Seine Schultern, Brust und Arme waren dick einbandagiert, ebenso wie sein Gesicht. Er richtete sich stöhnend im Bett auf und erkannte sofort, wo er war.

Die Bilder von damals kehrten in seinen Kopf zurück. Wie er als Kind unter all den Verrückten gehockt war, wie sie ihn allein in die Zelle gesperrt hatten. Wie kalt der Rollstuhl sich an seiner Haut angefühlt hatte - der Rollstuhl, der ihm Albträume beschert hatte, an die er sich erst seit wenigen Jahren wieder erinnern konnte. Die ewig herablassenden Blicke der Ärzte und Krankenschwestern. So viele Bilder stiegen in ihm auf, an die er sich erst jetzt erinnern konnte. Bilder, die sein Bewusstsein erst jetzt zuließ.

Jeder Muskel in seinem Körper verkrampfte sich. Sein Magen spielte verrückt. Er bekam keine Luft mehr. Er sah alles vor sich: das Gefühl, ständig beobachtet und kontrolliert zu werden; der Drang, alle Schläuche aus seinen Armen zu reißen, alle piepsenden Automaten aus dem Fenster zu werfen, wenn sie ihn beim Schlafen störten;

Die täglichen Rituale: Medikamente einnehmen, die man nicht kennt; Fragen beantworten, auf die man keine Antwort weiß; Ärzten zulächeln, die ihn das erste Mal besuchen, ohne sich vorzustellen oder wirklich an ihm interessiert zu sein; Ärzte, die stumm auf Datenblätter und Computerausdrucke blicken, auf ihm herum drücken und dann wortlos wieder gehen.

Er hasste es. Er wäre aufgesprungen und ausgebrochen, wenn er nicht aus Sicherheitsgründen an das Bett geschnallt gewesen wäre, damit seine Wunden nicht wieder aufplatzen konnten. Bei jeder kleinen Bewegung spürte er den Katheder in seinen Weichteilen reiben und ziehen.

Kurt traute keinem Arzt. Egal, wie zuvorkommend, beruhigend oder aufbauend sie auf ihn einredeten, er fand jedes Mal ein Indiz, einen Makel, mit dessen Hilfe er sich ausklinken und jegliche Gedanken an ein wachsendes Vertrauen ins Nirvana schicken konnte. Es war ein neues Spiel und er spielte es sehr gut.

Die ewige, quälende Frage kreiste in seinem Kopf, wie schmerzvoll wohl die nächste Untersuchung der Ärzte werden würde. Operationen, Muskelaufbautherapie, Nervenreaktivierung. Wieder greifen lernen, wieder Finger bewegen lernen. Alles von Null auf, wie ein Kleinkind. Nur tausend Mal schwerer. Er ließ alles über sich ergehen, aber die Schmerzen und die Anstrengung trieben ihn bis zur absoluten Belastungsgrenze.

Wenn er sich schreiend und verkrampfend im Bett umher wand, wie eine Raupe bei der Entpuppung, weil sich die verbrannte Haut um seinen halben Körper neu bildete und das entweder krankhaft juckte oder höllisch schmerzte, bekam er immer wieder kleine Mengen Morphium. Diese ließen ihn dann wenigstens für ein paar Stunden schlafen, in denen er sich ruhelos hin und her wälzte.

Doch in diesen Stunden wüteten dumpfe, beunruhigende Albträume in seinem Kopf, voller Halluzinationen und wilde, ungebändigte Gefühle, die er immer unterdrückt hatte, stiegen in ihm auf. Angst machte sich in ihm breit, Angst vor seiner Vergangenheit, Phantome der Gegenwart, die in bisher unbekannten Winkeln seines Geistes herum huschten und den dort angesammelten Staub aufwirbelten.

Er träumte, dass jemand ihm in Arme und Beine schnitt und spürte das Blut an sich hinunter rinnen, wie damals sein Vater. Er träumte davon, dass er wieder ein kleines Kind war und vor etwas hinter ihm weg lief, das ihn verfolgte. Etwas Schreckliches, vor dem er sich panisch fürchtete, ein Fleck im Augenwinkel, der unaufhörlich näher kam. Immer näher, grausam langsam, aber beständig näher. Bis es ihn erreicht hatte, an den Schultern packte, herum riss und er in das Gesicht der Kreatur sehen konnte. Doch Kurt wachte immer auf, ohne sich an das Gesicht der Kreatur erinnern zu können.

Viele verschiedene Albträume beherrschten seine betäubten Nächte, doch die meisten hatte er noch in derselben Nacht wieder vergessen. Musste sie vergessen, wenn er nicht völlig wahnsinnig werden wollte. Er schob all das so weit an den Rand seines Bewusstseins, wie er konnte, wo er diese Visionen hoffentlich nie wieder finden würde.

Oh, wie dumm Menschen sein konnten, wenn sie verzweifelt waren...


Das Blut der Auserwählten

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