Читать книгу Das Blut der Auserwählten - Thomas Binder - Страница 54

2

Оглавление

L.A., Kalifornien, 1966


Die nächsten vier Jahre vergingen für unseren dumpfen Helden an der Senior High recht ereignislos (zumindest für Kurts abnormales Leben) und er verspürte nicht den Anflug einer Veränderung in dieser Zeit. Er rutschte immer knapp durch die Kurse, die Jungs hänselten und schlugen ihn, die Mädchen lachten ihn aus – mittlerweile direkt, nicht mehr heimlich. Alles wie gehabt.

Der nun sechzehnjährige Kurt war das Paradebeispiel eines Verlierers, was er meistens mit einer hilflosen Ruhe über sich ergehen ließ, dass die meisten bald keinen Spaß mehr daran hatten und für den Tag von ihm abließen. Allerdings gab es da einen Schulkollegen, der Kurt überhaupt nicht schlagen wollte.

Ihr Name war Jennifer - oder Jen - Whitfield. Sie hasste es, Jenny genannt zu werden. Sie ging in ein paar gleiche Kurse wie Kurt und galt als derselbe Freak wie er, obwohl, oder vielleicht sogar weil sie eigentlich ein sehr intelligentes Mädchen war. Und überaus frühreif, beinahe erwachsen, aber eben nur beinahe.

Trotzdem war sie bei den Mädchen relativ beliebt, da die anderen immer wieder Gelegenheit fanden, sich an Jens kleinen Mängeln die Lippen blutig zu tratschen. Es ging dabei vorrangig um die Art von Mängel, die jemanden überhaupt erst menschlich erscheinen lassen, im Gegensatz zu diesen leeren, langweiligen Cheerleader-Hühnern.

Jen fand irgendetwas an Kurt, was sie zwar verwirrte, aber dennoch; sie wusste selbst nicht genau, was es war. Es fühlte sich irgendwie gut an, wenn sie Kurts Blicke über ihren Körper huschen bemerkte. Anfangs war es ihr noch unangenehm, doch nach und nach fand sie Gefallen daran, an dieser Macht, dieser Form von Kontrolle über einen Menschen. Möglicherweise faszinierte sie an Kurt aber auch die Tatsache, dass er einfach anders war, und deswegen auf gewisse Weise etwas Besonderes.

Jedenfalls fand sie ihn wesentlich interessanter als alle anderen gestählten, muskelbepackten, strohdummen Football-Spieler. Zwar nicht direkt attraktiv, aber interessanter.

Also ließ Jen einmal, als sie beide im Speiseraum zufällig einmal in der Nähe voneinander gegessen hatten, ihren Rucksack unachtsam liegen, in dem doch alle ihre wichtigen, unersetzbaren Schulbücher steckten, und wollte sehen, wie Kurt reagierte.

Kurt reagierte, wie man es sich erwarten konnte, zuerst überhaupt nicht: anstatt den Helden zu spielen und ihr die Sachen wie ein Schoßhund zu apportieren – wie es die meisten hormongesteuerten Jungs wohl getan hätten. Aber Jen dachte gar nicht daran, jetzt schon aufzugeben und die ganz Sache einfach zu vergessen.

Sie war bereit, einen weiteren Versuch zu wagen. Sie wusste, sie würde ihn letztendlich bekommen und endlich einmal mit jemandem das machen können, was sie wollte.

Jen war es leid, immer die sein zu müssen, die vernünftig sein und nachgeben musste und die den ganzen Tag immer versäumte, nur weil sie auf ihren kleinen Bruder John aufpassen musste – was für ein feinsinniger Humor ihrer Eltern übrigens hatten, nicht? Jen und John.

Vor allem nur weil ihre Schlampe von Rabenmutter zu unfähig war, sich einen ordentlichen Mann zu angeln und deswegen aus Frust (vielleicht war es auch verdrängende Gleichgültigkeit) meistens bis spät abends in irgendwelchen drittklassigen Bars herum hing und Gin Tonics trank, bis ihr Kopf bewusstlos auf die Theke sank.

Da Kindern nie dieselben Fehler der Eltern erlaubt werden, war es immer ein Mordsdrama, wenn sich Jen mit einem nicht hundertprozentig astreinen, korrekten Kerl traf und nichts weiter tat, als ein bisschen mit ihm herum zu knutschen. Mehr traute sie sich sowieso nicht.

Sie hatte an ihrer eigenen Mutter gesehen, was passieren konnte, wenn sie nicht aufpasste, und auf einen kleinen Schreihals vor dem Schulabschluss hatte Jen wahrlich keinerlei Lust. Sie wollte einfach mal ausbrechen, nur einmal die Sau raus lassen und nicht über jeden Schritt und jedes Wort nachdenken müssen. Sie wollte Kurt verführen und ihn dann in den Wahnsinn treiben.

Auf einmal traf sie die Idee wie ein Blitzschlag. Sie würde warten, bis ihm irgendetwas Peinliches in der Schule passieren würde und würde ihn damit erpressen, es überall (auch vor den Lehrern und dem Rektor, der noch dazu ihr eigener Onkel war) ausplaudern, wenn er nicht genau das machen würde, was ihr gerade passte.


Das Blut der Auserwählten

Подняться наверх