Читать книгу Das Blut der Auserwählten - Thomas Binder - Страница 48
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ОглавлениеEr beugte sich leicht in die Nähe des Franzosen, riss die Hand blitzschnell zur Tasse und schüttete dem Journalisten ihren Inhalt geradewegs ins Gesicht. Der stieß einen gellenden Schrei aus, sein Gesicht leuchtend, wie eine rote Verkehrsampel.
Der heiße Kaffee tropfte von seiner rot pulsierenden, verzerrten Fratze. Die restlichen Kunden, die an den Tischen links und rechts von ihnen saßen, drehten sich derweil alle erschrocken zu den beiden um, manche sprangen von ihren Stühlen auf und eine Frau begann hysterisch, in den Schrei des pädophilen Franzosen ein zu stimmen.
Doch Kurt wollte noch mehr. Er bemerkte, dass sich noch ein Schluck in der Tasse befand. Diesen kippte er genüsslich in Emanuels zuckenden Schritt. Clavier schrie ein weiteres Mal auf, sein ganzer Körper zitterte vor Schmerz. Doch irgendwie gefiel es ihm auch.
Da hüpfte Kurt mit den Füßen auf die Sitzbank, drehte sich zum Ausgang, machte einen Satz darauf zu und trat Emanuel - als letzte Zugabe - dabei noch in die erhitzten Genitalien. Gleich darauf sprintete er in eine Richtung, über die er nicht nachdachte. Alles musste jetzt sehr schnell gehen und er würde verdammt viel Glück brauchen.
Als das Brennen im Schoß des Franzosen wenige Sekunden später nachließ, sprang dieser vom Tisch auf und setzte Kurt mit riesigen, gelenkigen Schritten nach. Clavier stürmte aus der Tür des Cafés, an einem älteren Ehepaar vorbei, rempelte die Frau und eine Kellnerin um und rannte weiter. Er war nur zwei Schritte hinter Kurt. Der Junge war langsam.
Kurt hechelte und spürte die rohe Wut seines Verfolgers im Nacken. Er hetzte die Straße geradeaus entlang, bog links in eine kleine Gasse ein, warf die dort stehenden Holzpritschen in den Weg und rannte schweißüberströmt weiter.
Clavier donnerte mit voller Wucht in die Holzbalken, stieß sich das Schienbein, schrie kurz auf und rannte scheinbar unbeeindruckt weiter. Jetzt spürte er keinen Schmerz mehr. Er kam näher an Kurt heran, streckte die Hand aus und ergriff den Rückteil dessen Hemds. Kurts Herzschlag setzte aus.
Er wurde nach hinten gezogen. Also tat er, was ihm als Erstes einfiel: er riss den Kopf zur Seite, bis er die Hand Claviers sehen konnte - und dann biss er zu, so fest er konnte. Das nächste, was Kurt spürte, war eine Lockerung des Griffs und eine zähe Flüssigkeit, die ihm am Kinn hinunter rann. Er hörte Schreie, Schimpfworte in einer fremden Sprache und das Krachen von Mülltonnen, gegen die getreten wurde, während er weiter rannte.
All das hörte er nur mehr weit hinter sich. Er war schon fast einen Block weit entfernt. Er blieb ruckartig, keuchend und Claviers Blut spuckend, stehen. Er war am Limit. Er konnte nicht mehr atmen.
Seine Lungen brannten, seine Augen tränten vom Salz im Schweiß, der ihm übers Gesicht rann. Er wäre beinahe hin gefallen, als er schon das zornige Brüllen hinter sich hörte. Der Henker. Kurt durfte nicht aufgeben. Jetzt nicht schlapp machen!
Kurt rannte an Gemüseständen, Fleischhackern und Bäckern vorbei. Sie waren auf einem Marktplatz gelandet. Kurt verschwand im Gewusel der vielen Leute. Verkäufer schrien wild durcheinander, Kinder lachten, Kunden feilschten lauthals. Er ging langsamer, um seinen Körper zu entlasten und nicht zu sehr auf zu fallen, durch die Menge; sah sich fasziniert mit großen Kinderaugen um im ewig fließendem Treiben der Menge und vergaß schließlich seine Umgebung und die Gefahr um ihn. Er war seinem Verfolger entkommen.
Er ging an einem Geflügelstand vorbei, hinter dem ein dicker, freundlich aussehender Mann mit Kochmütze, Schnauzbart und einem hochrot angelaufenen Gesicht, wahrscheinlich, weil er bereits den ganzen Tag lang schreien musste. Da stoppte etwas seine Bewegung. Er war, vor lauter interessanten Eindrücken, die es zu beobachten gab, in jemand hinein gelaufen. Einen Erwachsenen. Als der sich umdrehte, holte Kurt Luft, um sich höflich zu entschuldigen und weiter zu gehen. Doch dazu kam es nicht. Kurt konnte bereits die Wunde an der rechten Hand des Erwachsenen und das teuflische Lächeln unter dem dünnen, gekräuselten Schnurrbart sehen.
Er schrie laut los, wie ein Schwein, das gerade abgestochen wurde. Er wusste nicht mehr weiter, das war alles, was ihm noch einfiel; außer noch zu hoffen, dass sich einer der vorüber gehenden Menschen erbarmen würde, ihm zu helfen. Die Überraschung in Claviers Gesicht war nur von kurzer Dauer, bevor er Kurt mit der verletzten Rechten grob am Arm packte und ihm die andere Hand auf den Mund presste. Nur um sicher zu gehen, dass der kleine Bastard nicht nochmal in die bereits pochende Wunde beißen konnte. Keiner der Umstehenden wunderte sich oder nahm davon Notiz.
Clavier schleppte Kurt vom Marktgelände weg, Richtung Stadtrand. Kurt wusste, wenn nicht ein Wunder passierte, würde er bald sterben.