Читать книгу WENN DER HIMMEL SICH VERFÄRBT... - Thomas Saile - Страница 10
Kapitel 5 Gefühlskino - Menorca
ОглавлениеDas Meer lag ruhig zu ihren Füßen und das Geräusch der sanft gegen die Klippen schwappenden Wogen hörte man hier oben kaum. Inzwischen war die Hitze des Tages einer angenehmen Temperatur von zweiundzwanzig Grad gewichen und es wehte eine laue Brise vom Meer herauf.
Jennifer atmete tief ein. Sie liebte den salzigen Duft.
Im Augenwinkel bemerkte sie, dass Gabi, die Braut, ihr ein Zeichen gab, sich mit Sabine zu ihnen an den Tisch zu gesellen.
Gabi war 28 Jahre alt, etwas kleiner als Jennifer und hatte blondes kurzes Haar. Sie war stylisch frisiert und dezent geschminkt. Ihr gesamtes Auftreten wirkte sehr erwachsen, aber nicht aufgesetzt. Ihr eng anliegendes, champagnerfarbenes Hochzeitskleid betonte ihre schlanke Figur. Jennifer wusste, dass das Stück von einem italienischen Designer, extra für Gabi entworfen und angefertigt worden war. Alle Säume waren mit Perlen besetzt. Ohrstecker und Halskette aus denselbigen, rundeten das Ganze ab.
Sie blickte zu Sabine, die die Aufforderung ebenfalls gesehen hatte und wollte gerade dankend ablehnen, als Klaus, der frisch Vermählte, aufstand und zu ihnen an die Bar trat.
Klaus Sommer war 31 Jahre alt und 1,78 m groß. Er hatte dunkelbraunes Haar und blaugrüne Augen. Klaus war Perfektionist und strahlte großes Selbstbewußtsein aus, ohne überheblich zu wirken.
„Hallo Mädels. Kommt, setzt euch zu uns und feiert mit uns“.
Ohne zu überlegen stand Jennifer auf, nahm Sabine an der Hand und folgte der Einladung. Sie drehte sich nochmals zu Ral und bedankte sich mit einem Lächeln.
Während sie sich setzten, winkte Gabi eine der Bedienungen mit zwei Gläsern Champagner herbei.
„Lasst uns anstoßen. Ich möchte, dass ihr euch wie ein Teil der Gruppe fühlt. Wir werden die nächsten drei bis vier Wochen miteinander verbringen, und ich möchte nicht ständig das Gefühl haben, dass da Fremde mit an Bord sind. Wir wollen Freunde sein. Stimmts Klaus“?
Jennifer fühlte, dass Gabi das Gesagte ernst meinte.
„Trauzeugen! Wo seid ihr? Kommt und stoßt mit uns an“!
Peter und Sylvia saßen am Ende des Nebentisches. Sie erhoben sich und kamen mit ihren Gläsern herüber.
Peter, mit seinen 1,85 m, überragte Sylvia um fast 20 cm. Er hatte braunes kurzes Haar und strahlte Ruhe aus. Sylvia dagegen, war eher der hibbelige Typ. Sie war etwas pummelig und hatte dunkelblondes Haar, das glatt bis zu ihren Schultern fiel. Wie die meisten der Gäste hatten auch sie blasse Haut, doch dies würde sich in den folgenden Tagen rasch ändern.
Sie hatten sich natürlich alle bereits am Morgen kennengelernt, jedoch waren Jennifer und Sabine eben nur die Fotografen und hatten deshalb ihre professionelle Distanz gewahrt.
Jennifer überlegte noch kurz, ob es richtig war, diesen Schritt so schnell zu vollziehen, entschied sich aber dafür und erhob das Glas. Sie richtete ihre Worte an das Brautpaar.
„Ich bin mir sicher, dass wir eine unvergessliche Zeit erleben werden und verspreche euch, dass ich meinen Teil dazu beitragen werde“.
In diesem Moment besann sie sich ihrer eigentlichen Aufgabe und erhob sich um ihre Canon zu holen. Auf dem Weg zu den deponierten Taschen blickte sie hinüber zur Bar und sah Ral, der gerade einen Cocktailshaker füllte. Als er ihren Blick bemerkte, zwinkerte er ihr keck zu und lächelte. Sie fühlte einen leichten sehnsüchtigen Stich in der Magengrube.
Oh mein Gott Jenny. Was passiert hier gerade?
Sie ließ sich jedoch nichts anmerken und holte die Canon aus der Tasche, prüfte den Akku und legte eine neue Speicherkarte ein.
Ral hatte ihr Kommen nicht bemerkt, und als sie „Hi Ral“ sagte, war es bereits zu spät. Das Blitzlicht traf ihn und die Kamera nagelte ihn mit einem Dreifachklick auf die Speicherkarte.
„Vielen Dank“.
Ral stand da und sah ihr nach, während er seine Arbeit wieder aufnahm und lachend den Kopf schüttelte.
Sabine, die das Ganze beobachtet hatte, zwinkerte Jennifer zu, als diese sich wieder dem Tisch näherte.
„Was“, fragte Jennifer halb flüsternd und setzte eine Unschuldsmiene auf.
„Nichts“. Sabine grinste frech.
„Da ist nichts“.
Gut gelaunt begann sie zu fotografieren.
Sie zoomte hinein und hinaus, schwenkte nach links und nach rechts, ging in die Hocke und stand auf die Bank, achtete dabei stets auf den Hintergrund und fing ein, was mit einer Kamera eingefangen werden konnte. Sie war voll und ganz in ihrem Element.
Währenddessen hatten sich Klaus und Peter an die Bar gesellt und führten dort nun ein Männergespräch. Soeben servierte Ral ihnen je ein Glas Whiskey und die beiden zündeten sich genüsslich eine Zigarre an.
Jenny zoomte sie heran und knipste die offensichtlich testosterongeschwängerte Unterhaltung der beiden.
Anhand der Gestik ihrer Arme und Hände, sowie ihrer Mimik konnte sie erkennen, dass dieses Gespräch nicht für weibliche Ohren bestimmt war. Klaus schien Peter etwas anzuvertrauen, das für die Ohren Dritter nicht bestimmt war. Etwas irritiert widmete sie sich dann aber wieder dem Treiben in der Höhle.
Schon bald hatte sie die Unterredung der beiden wieder vergessen.
Als sie genug Fotos von den Gästen gemacht hatte, ging sie zurück zu den Taschen, um das Stativ zu holen.
Wieder blickte sie im Vorbeigehen zur Bar, aber er war nicht mehr da. Ein Hauch von Wehmut durchströmte sie für einen kurzen Augenblick. Unterdessen referierte Klaus noch immer an der Bar und zog damit Peter sichtlich in seinen Bann.
Es war schon merkwürdig, welches Gefühlskino sich hier bei ihr abspielte. Das war ihr komplett neu und fremd zugleich. Sie schüttelte die Gefühle und Gedanken von sich, holte das Stativ aus ihrer Tasche und ging vorbei an den Tischen, zum Höhlenausgang. Dort stützte sie sich am Holzgeländer ab und blickte über das Wasser zum fernen Horizont, der gerade noch ablesbar war. Hier draußen war die Luft etwas kühler und sie atmete tief ein.
Ein Ort zum verlieben, dachte sie.
Im selben Augenblick begann eine Zikade zu zirpen.
Robbie Williams´ „Angels“ drang aus dem Höhleninneren an ihr Ohr und rundete diesen besonderen Moment ab, als plötzlich eine Hand nach ihrer Schulter griff.
Bereits zum zweiten Mal an diesem Abend bekam sie weiche Knie.
Sie erstarrte und wusste nicht wie sie reagieren sollte.
„Erschrick nicht, ich bin´s nur. Hier ist die Kamera“.
Jennifer schloss die Augen und versuchte sich nichts anmerken zu lassen.
„Alles ok mit dir“, fragte Sabine.
„Ja, natürlich“.
Wie sollte an solch einem einzigartigen Ort etwas nicht in Ordnung sein?
Sie drehte sich zu ihr. Sabine hielt ihr die Kamera hin.
„Komm, setz du dich zu den anderen, ich mach noch ein paar schöne Nightshots, dann verstaue ich das Equipment“.
Jenny erkannte, dass Sabine gewillt war, sie mit vollem Einsatz zu unterstützen.
„Sag mal Sabine, wie denkst du über unseren Auftraggeber und die kommenden Tage“?
„Ich finde das alles riesig. Die sind sympathisch. Ich glaube ich kann mich an das Leben hier gewöhnen“.
„Irgendwie bin ich skeptisch. Vielleicht traue ich mich einfach nicht zu glauben, dass dies tatsächlich uns passiert“.
„Mach dir mal nicht solch einen Kopf darüber. Was soll denn passieren? Wir haben doch bereits in München alles abgewogen und waren uns einig, dass sie dich wollen, weil du eine der Besten bist“.
„Ja, ich weiß. Heute Abend erscheint eben auf einmal alles so surreal“.
Sabine stellte sich neben Jennifer und legte den Arm um ihre Taille.
„Du bist die Chefin. Ich werde all deine Entscheidungen respektieren, aber wenn du heute Abend nicht genießt, wecke ich dich morgen früh mit ´nem Eimer Wasser“.
Sabine lachte über ihre eigenen Worte und Jennifer konnte nicht mehr länger an sich halten, erwiderte ihre Umarmung und stimmte mit ein.
„Ich bin sehr froh, dass du dabei bist, Sabine“.
„Nun werde mal nicht gleich sentimental“.
Sie löste sich aus der Umarmung und machte sich daran, die Kamera auf das Stativ zu montieren, während sie Sabine zu verstehen gab, dass sie die Nachtaufnahmen selbst machen würde.
Bevor Sabine zu den anderen zurück ging, drehte sich noch einmal zu Jennifer und sagte:
„Du dachtest es wäre Ral, nicht wahr“?
Ohne eine Antwort abzuwarten lief sie davon.
Jennifer stand da und begann, nach einem kurzen Moment, über sich selbst zu lachen.
Sie platzierte das Stativ so, dass es keine störenden Lichtquellen von den Seiten oder von hinten gab und suchte sich dann die Motive aus.
Die Silhouette eines Segelschiffes im Restlicht der untergegangenen Sonne, die am Eingang zur Bucht vor Anker liegende Seadream, deren Mast mit Topplicht sanft hin und her wogte, sowie die Kompanie der Topplichter aller Segelschiffe, die sich nun im Gleichmarsch, stumm, zum Rhythmus des Meeres bewegten.
Ganz in ihrer Nähe flogen ein paar Vögel aufgeschreckt davon.
Es war bereits nach drei Uhr, als die Musik zu spielen aufhörte.
Die meisten Gäste waren beschwipst und todmüde, als sie sich verabschiedeten, bedankten, und dem Brautpaar, Klaus und Gabi, schöne Flitterwochen wünschten.
Ein Kellner hatte bereits die Taxis gerufen, die nun oben am Weg darauf warteten, die Gäste in ihr Hotel zu bringen. Sie würden am kommenden Nachmittag wieder nach Hause fliegen.
Jennifer hatte beim Verlassen der Höhle noch einmal zurückgeblickt. Sie wollte sich von Ral verabschieden, musste jedoch feststellen, dass er nicht mehr da war.
Ein Taxi brachte sie hinunter in die Bucht, wo bereits das Beiboot der Seadream auf sie wartete.
Als sie ausstiegen und ihre Schuhe auszogen, um über den noch immer warmen Sandstrand Richtung Beiboot zu gehen, sahen sie Skip, der neben dem Boot im Wasser stand und es dort festhielt.
Müde begrüßte er die Gruppe. Braungebrannt, mit weißer Short und weißem T-Shirt, stand er barfuß vor ihnen. Jenny schätzte ihn auf Anfang vierzig. Sein kurzes Haar war an den Schläfen bereits grau meliert. Er sicherte das Boot, während die anderen einstiegen.
„Hey Skipper, bist du noch wach genug um zwischen den Yachten hindurch zu manövrieren“?
Die Frage kam von Gabi.
„Klar, nimm du die Taschenlampe und leuchte voraus, damit ich nicht versehentlich eine Ankerleine mitnehme“.
Das Wasser lag wie ein bewegungsloser Spiegel vor ihnen, der es für den geübten Skip zu einer leichten Aufgabe machte, und sie erreichten die Seadream ohne Zwischenfälle.
An Bord stand eine Frau, ebenfalls gekleidet in weiße Short und Shirt.
„Das ist Kim, Skip´s bessere Hälfte und die wichtigste Person an Bord. Sie bemuttert uns von früh bis spät“. Gabi´s Worte klangen überzeugend.
Als Jennifer oben ankam, begrüßte sie Kim mit einem warmen Händedruck.
„Willkommen an Bord der Seadream. Fühlt euch wie zu Hause. Ich bin Kim“.
Sie war nur 1,60 m groß, hatte kurzes, lockiges, braunes Haar.
Am Händedruck bemerkte Jennifer, welche Kraft diese kleine Frau hatte. Bestimmt war auch sie eine erfahrene Seglerin.
Peter und Sylvia, die bereits eine Nacht auf der Seadream verbracht hatten, verabschiedeten sich von den anderen und gingen hinunter in ihre Kabine.
„Ist für Jenny und Bine alles vorbereitet“?
Gabi richtete ihre Frage an Kim, die müde lächelte und nickte.
„Die Betten sind gemacht. Ihr braucht nur noch hineinzuspringen. Alles Weitere bereden wir beim Frühstück. Kommt mit“.
Kim ging voraus und führte die beiden zu ihrer Kabine, die sich im rückwärtigen Bereich des Schiffes befand.
Kurz darauf fielen sie todmüde auf´s Bett und waren sofort eingeschlafen.
Noch ahnten sie nicht, dass die nächsten Tage ihr Leben für immer verändern würde.