Читать книгу Handbuch Medizinrecht - Thomas Vollmöller - Страница 356

5. Richtlinien

Оглавление

166

Große normative Bedeutung haben die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu beschließenden Richtlinien. (Zum Rechtsstatus und Organisation des G-BA siehe Rn. 63 ff.). Nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGB V hat dieser die Aufgabe, die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu erlassen.

167

Mit den Richtlinien können Leistungen oder Maßnahmen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Die Richtlinien konkretisieren damit einerseits den Sachleistungsanspruch des Versicherten und schränken andererseits die Therapiefreiheit der Vertragsärzte ein.[37] Gleichzeitig legen sie im Detail fest, welche Leistungen als wirtschaftlich i.S.d. § 12 Abs. 1 SGB V zu gelten haben und welche nicht.

168

Einen Themenkatalog über die zu erlassenden Richtlinien enthält § 92 Abs. 1 S. 2 SGB V, die der G-BA laufend für alle Bereiche der vertragsärztlichen Versorgung erlässt und weiterentwickelt.[38] Die Richtlinien über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V beinhalten Empfehlungen des G-BA über die Anerkennung neuer Methoden und deren apparative und fachliche Voraussetzungen auf Seiten der Vertragsärzte, die nach § 135 Abs. 1 SGB V Voraussetzung für die Anwendbarkeit sind. § 136 SGB V konkretisiert die Verpflichtung zum Erlass von Qualitätssicherungs-RL nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 SGB V sektorenübergreifend für alle Versorgungsbereiche. Dazu hat der Gesetzgeber dem G-BA im Zuge der Neuregelung der Qualitätssicherung durch das KHSG in § 137 Abs. 1 SGB V ein Instrumentarium zur Durchsetzung und Kontrolle seiner Qualitätssicherungsanforderungen an die Hand gegeben. Die Einzelheiten dazu sind in Richtlinien festgelegt.[39]

169

Nach § 92 Abs. 8 SGB V sind die Richtlinien Bestandteile der Bundesmantelverträge. Sie haben daher dieselbe Rechtsnormqualität wie diese Verträge. Anders als die Verträge werden die Richtlinien erst mit Bekanntmachung im Bundesanzeiger wirksam, § 94 Abs. 2 SGB V. Ihre tragenden Gründe sind aus Transparenzgründen im Internet zu veröffentlichen.[40] Zuvor sind sie dem BMG vorzulegen, das nach § 94 Abs. 1 SGB V das Recht zur Beanstandung und Ersatzvornahme hat.

170

Gewichtige Stimmen in der Literatur halten die Richtlinien des G-BA u.a. wegen unzureichender gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen und fehlender demokratischer Legitimation des G-BA selbst bzw. der Entsendekörperschaften für verfassungswidrig.[41] Das BSG ist, anders als einige LSG, diesen Einwänden bisher nicht gefolgt.[42] Der Gesetzgeber hat inzwischen in § 91 Abs. 6 SGB V die Verbindlichkeit der Beschlüsse des G-BA für alle Beteiligten in der vertragsärztlichen Versorgung angeordnet.[43] Damit steht für die Praxis die Normverbindlichkeit der Richtlinien außer Frage. Die gerichtliche Nachprüfbarkeit beschränkt sich somit auf die Frage der Beachtung der Grenzen der einschlägigen gesetzlichen Ermächtigung innerhalb des normativen Gestaltungsspielraumes, der dem G-BA zuzubilligen ist.[44]

171

Von den Richtlinien des G-BA zu unterscheiden sind die auf Basis von § 75 Abs. 7 SGB V erlassenen Richtlinien der KBV/KZBV. Diese haben für die Durchführung der Bundesmantelverträge bedeutsame Sachverhalte zum Gegenstand.[45] Sie erhalten ihre Verbindlichkeit gegenüber den Vertragsärzten durch eine nach § 81 Abs. 3 Nr. 2 SGB V gesetzlich verpflichtende Implementierung in die Satzungen der KV. Ebenfalls in einer Richtlinie sollen die Anforderungen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit in der vertragsärztlichen Versorgung geregelt werden.[46] Nach § 75 Abs. 7a SGB V ist auch der Fremdkassenausgleich zwischen den KV durch eine Richtlinie der KBV im Benehmen mit dem Spitzenverband Bund zu regeln.

172

Mit dem DVG wurde ein neuer § 75b SGB V geschaffen, der KVB und KZVB verpflichtet, in einer Richtlinie bis zum 30.6.2020 die Anforderungen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung festzulegen. Diese Anforderungen sind notwendig, weil der Gesetzgeber die Kommunikation mit Hilfe digitaler elektronischer Medien massiv ausbauen möchte. KBV und KZVB erhalten dazu auch die Aufgabe, ab dem 30.6.2020 zusammen mit dem BSI Diensteanbieter auf Antrag zertifizieren. Eine Verpflichtung zur Nutzung dieser Diensteanbieter ist damit laut Gesetzesbegründung nicht verbunden.[47] Sie werden aber unentbehrlich notwendig sein, da die Telematikinfrastruktur selbst obligatorisch zu nutzen ist, sobald die technischen Möglichkeiten nach § 291a SGB V geschaffen sind, vgl. §§ 86, 87 Abs. 1 S. 8–12, 291 Abs. 2b S. 3 und 4, 295 Abs. 4 SGB V.

173

Mit dem GMG wurde noch eine dritte Variante von zwischen KBV und Spitzenverband Bund zu vereinbarenden Richtlinien eingeführt, nämlich die mit dem TSVG wieder abgeschafften Richtlinien zur Zufälligkeitsprüfung nach § 106 Abs. 2b SGB V a.F.[48] und Richtlinien nach § 106d Abs. 6 SGB V zur Abrechnungsprüfung.[49] Diese Richtlinien binden zunächst nur die Partner der Gesamtverträge, die auf Landesebene nach § 106d Abs. 5 SGB V Vereinbarungen über die Abrechnungsprüfungen abschließen müssen, deren Bestandteil die Richtlinien sind. Die Richtlinien werden damit der Teil eines Normsetzungsvertrages und erhalten dadurch ihre Verbindlichkeit gegenüber den Vertragsärzten.

174

Mit der Neugestaltung des Vergütungssystems durch das GKV-VStG kam in § 87b Abs. 4 SGB V noch die Variante einer „verbindlichen Vorgabe“ ins Gesetz.[50] Danach hat die KBV im Einvernehmen mit dem Spitzenverband den regionalen KV Vorgaben zur Festlegung und Anpassung des Vergütungsvolumens für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung sowie Kriterien und Qualitätsanforderungen für die Anerkennung besonders förderungswürdiger Praxisnetze als Rahmenvorgabe für Richtlinien zu machen. Diese Vorgaben stellen somit nur den Rahmen für noch im Detail auszuarbeitende Richtlinien zur Verfügung. Wesentlich größere Bedeutung haben die von der KBV herzustellenden Vorgaben an die regionalen HVMs, vor allem weil die Verweisung auf die in § 87b Abs. 2 S. 1 bis 3 SGB V aufgeführten Anforderungen durch die Voranstellung des Wortes „insbesondere“ nicht abschließend ist und daher der KBV eine weitreichende Befugnis zukommt, die Regionalisierung der Honorarverteilung durch detaillierte Vorgaben zu vereinheitlichen. Die KBV ist dieser Aufgaben erstmals am 15.12.2011 nachgekommen.[51] KV Diese Vorgaben wurden seit dem jedes Jahr aktualisiert. Inhaltlich ist das Benehmen mit dem Spitzenverband Bund herzustellen.[52]

175

Die Vorgaben sind keine kollektivvertraglichen Vereinbarungen und beruhen mangels Rechtsgrundlage auch nicht auf einem Weisungsrecht der KBV gegenüber ihren Mitglieds-KV. Sie hätten daher dem Grunde nach nur Empfehlungscharakter. Deshalb ordnet § 87b Abs. 4 S. 3 SGB V ihre Verbindlichkeit für die KV an. Da der KBV auch keine Sanktionsmöglichkeit zur Verfügung steht, blieb die anfängliche Nichtumsetzung durch einige KV folgenlos. Deren Mitglieder können allerdings inzident die Rechtswidrigkeit des jeweiligen HVM rügen, wenn die zwingenden Vorgaben nicht umgesetzt worden sind.

Handbuch Medizinrecht

Подняться наверх