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c) Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V

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Unabhängig von der Möglichkeit, Qualifikationsanforderungen auf der Grundlage von §§ 72 Abs. 2, 82 Abs. 1 SGB V direkt im BMV-Ä oder nach § 82 Abs. 2 SGB V im EBM festzulegen, können die Partner der Bundesmantelverträge auch nach § 135 Abs. 2 SGB V besondere Anforderungen für die Ausübung und Abrechnung von Leistungen vereinbaren, die wegen der Anforderung an ihre Ausführung oder der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen, einer besonderen Praxisausstattung oder andere Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen.[64]

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Auf dieser Grundlage bestimmt § 11 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä, dass die in § 135 Abs. 2 S. 1 SGB V beschriebenen Leistungen nur ausgeführt und abgerechnet werden dürfen, wenn die unter Berücksichtigung des Weiterbildungsrechts jeweils in den Anlagen des BMV-Ä vereinbarten Voraussetzungen erfüllt werden. Die Erbringung von Leistungen, für die besondere Qualifikationsanforderungen vereinbart worden sind, bedarf gem. § 11 Abs. 2a S. 1 BMV-Ä einer Genehmigung der KV, wenn in der speziellen Anlage zum BMV-Ä nichts anderes vorgegeben ist.

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Auf dieser Basis wurden einheitliche Fachkundenachweise für ärztliche Sachleistungen und hoch spezialisierte technische Leistungen geschaffen, mit denen die Erbringung und Abrechnung dieser Leistungen von bestimmten personellen Qualifikationen und apparativen Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Die Fachkunde ist als gegeben anzunehmen, wenn sie Bestandteil der vom Arzt absolvierten landesrechtlichen Weiterbildung ist. Ist das nicht der Fall, können weitere fachärztliche Qualifikationen verlangt werden, wenn die Leistungen definitionsgemäß noch dem Fachgebiet zurechenbar sind. Es können auch andersherum Fachärzte von diesen Leistungen ausgeschlossen werden, wenn deren Qualifikationen nicht zum Kernbereich ihres Fachgebietes gehören. Qualifikationen, die nicht zu dem Fachgebiet gehören, für die die Zulassung erteilt worden ist, sind generell nicht berücksichtigungsfähig und berechtigen nicht zur Erbringung vertragsärztlicher Leistungen.[65] Das führt in der Realität zu eigentümlichen Ergebnissen, bei denen nicht klar ist, ob damit die Versorgung verbessert oder eher die interdisziplinäre Behandlungsweise behindert wird. In manchen Fällen kann auch die Priorisierung bestimmter Leistungen zum Vorteil einer Fachgruppe ein Motiv gewesen sein.[66]

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Ein Kardiologe darf trotz anerkannter Zusatzbezeichnung „Magnetresonanzthomographie“ keine Leistungen nach der „Kernspinvereinbarung“ erbringen.[67] Wer Leistungen nach der Kernspintomographie-Vereinbarung erbringen will, braucht eine Weiterbildung in diagnostischer Radiologie.[68] Ein Facharzt für Radiologische Diagnostik/Diagnostische Radiologie erfüllt anders als der Facharzt für Radiologie nach früherem Weiterbildungsrecht nicht die fachlichen Anforderungen der Strahlendiagnostik-Vereinbarung.[69] Auch Laborärzte benötigen eine Genehmigung nach der Vereinbarung zu den Laboratoriumsuntersuchungen.[70] Der im Weiterbildungsrecht gegebene Trend zur Aufspaltung traditioneller Fachgebiete und die Einführung neuer Zusatzweiterbildungen losgelöst von bestimmten Fachgebieten, wurde von den meisten Qualitätsvereinbarungen, die sich auf die traditionellen Fachgebiete beziehen, bisher nicht nachvollzogen. Qualifikationen außerhalb des eigenen Fachgebietes können in der vertragsärztlichen Versorgung in der Regel nicht genutzt werden.

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Verlangt werden dürfen ferner besondere Praxisausstattungen, z.B. in Form von bauartzertifizierten Geräten und spezielle Anforderungen an die Strukturqualität der Leistungen. Die wichtigsten Qualitätsvereinbarungen, teilweise auch besondere Versorgungsaufträge genannt, die in der Anlage 3 zum BMV zusammengefasst sind, betreffen u.a. Akupunktur, arthroskopische Untersuchungen, Blutreinigungsverfahren (Dialyse), Herzschrittmacherkontrolle, invasive Kardiologie, Kernspintomographie, Langzeit-EKG-Untersuchungen, Strahlendiagnostik und -therapie, und die substitutionsgestützte Behandlung Opiatabhängiger.

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Auf eine genaue Bestimmung der Grenzen der Ermächtigung des § 135 Abs. 2 SGB V kommt es nicht an, so lange die vertragliche Bestimmung durch die insoweit weit gezogene Grenze der Generalermächtigung für Verträge in § 72 Abs. 2 SGB V gedeckt ist. Danach ist die vertragsärztliche Versorgung so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemeinen Stands der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist. Infolgedessen hat das BSG den Vertragspartnern einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum mit weit reichender Kompetenz zugebilligt. Folge davon ist, dass auch spürbare Eingriffe und Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit hingenommen werden müssen.[71]

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Vereinbarungen auf Basis von § 135 Abs. 2 SGB V gibt es inzwischen zu 37 besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.[72] Kaum ein ärztliches Fachgebiet ist davon nicht betroffen. Leistungen, für die nach diesen Vereinbarungen spezielle Anforderungen bestehen, sind für den Vertragsarzt erst ab Vorliegen der entsprechenden Genehmigung auf Basis einer Qualifikationsprüfung abrechenbar. Es handelt sich um Verbote mit Erlaubnisvorbehalt. Die Genehmigung ist von der KV nach § 11 Abs. 2a BMV-Ä bei Nachweis der in der maßgeblichen Qualitätssicherungsvereinbarung geforderten Qualifikation zu erteilen. Ohne Genehmigung ist die Abrechnung der dem Qualifikationserfordernis unterliegenden Leistungen unzulässig und kann nach § 106d SGB V berichtigt werden.[73] Die rückwirkende Zuerkennung der aus der Qualifikation resultierenden Befugnisse ist unzulässig.[74] Begründet wird dies damit, dass zum Schutz der Versicherten zu Beginn der Behandlung feststehen muss, ob GKV-Leistungen oder privatärztliche Leistungen erbracht werden.[75] Das ist anders als bei status-zuerkennenden Genehmigungen[76] nicht einleuchtend, weil es bei Qualifikationsanforderungen nach § 11 Abs. 1 BMV-Ä auf deren objektives Vorhandensein ankommt[77] und daher die Genehmigung auch rückwirkend auf den Zeitpunkt des Nachweises erteilt werden könnte, in jeden Fall aber zum Beginn des Abrechnungsquartals, das auf den Nachweis folgt und noch nicht abgerechnet ist. Andernfalls hätte es die KV in der Hand, durch Verzögerung einer Genehmigung Honorar einzusparen. Der Versicherte wird durch das Fehlen einer nur spezielle Leistungen betreffenden Genehmigung nicht belastet, weil diese ohne die Genehmigung erbrachten Leistungen immer noch Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung bleiben, auf die er einen Anspruch hat. Weder § 3 Abs. 1 S. 3 noch § 18 BMV-Ä erlauben dem Vertragsarzt für solche Einzelleistungen Zuzahlungen zu verlangen.

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Praxistipp

Zur Vermeidung von Honorarverlusten ist darauf zu achten, dass alle auf besonderen Qualifikationen beruhende Abrechnungsbefugnisse zeitgleich mit der Zulassung/Ermächtigung beantragt und genehmigt werden. Die meisten KV halten hierfür spezielle Formulare vor.

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