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b) Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen

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Eine Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen ist nach der durch den EuGH entwickelten Dassonville-Formel[30] jede Maßnahme der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern. Die Keck-Formel[31] schränkt diesen weiten Anwendungsbereich jedoch für einen Teilbereich wieder ein. So ist die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Im Gegensatz zu Produktmodalitäten wie Bezeichnung, Form, Etikettierung oder Verpackung einer Ware betreffen Verkaufsmodalitäten die Preise, Werbung, Verkaufsorte und Verkaufszeiten.

So ist Art. 34 AEUV unter Berücksichtigung der Keck-Formel nicht anwendbar auf eine von der Apothekerkammer eines Mitgliedstaats erlassene Standesregel, die den Apothekern die Werbung außerhalb der Apotheke für apothekenübliche Waren unabhängig von der Herkunft der betreffenden Ware verbietet (Rs. Hünermund u.a.).[32]

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Eine Rechtfertigung kann sich jedoch aus Art. 36 AEUV ergeben. Hiernach stehen die Bestimmungen der Art. 34 und 35 AEUV Verboten oder Beschränkungen nicht entgegen, die unter anderem aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

So ist ein nationales Verbot der Werbung für Arzneimittel, die im Inland trotz grundsätzlich bestehender Zulassungspflicht nicht zugelassen sind, die aber aus einem anderen Mitgliedstaat auf Einzelbestellung importiert werden dürfen, sofern sie bereits dort zulässigerweise in den Verkehr gebracht wurden, nach Art. 36 AEUV zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt (Rs. Ortscheit).[33]

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Für unterschiedslos für einheimische wie für eingeführte Erzeugnisse geltende Regelungen ergibt sich eine weitere Rechtfertigungsmöglichkeit aus der durch den EuGH entwickelten Cassis-Formel.[34] Hiernach sind Hemmnisse, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen ergeben, gerechtfertigt, wenn sie notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses, unter anderem des Schutzes der öffentlichen Gesundheit[35] sowie des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit, gerecht zu werden, wobei die Regelung in einem angemessenem Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen muss.

Entsprechend kann eine nationale Bestimmung, die den Verkauf von Kontaktlinsen in Handelsbetrieben verbietet, die nicht von Personen geleitet oder geführt werden, die die für die Ausübung des Berufes des Augenoptikers erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sein (Rs. Laboratoire de prothèses oculaires).[36]

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Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH[37] obliegt es den zuständigen nationalen Behörden, auf fundierter Grundlage[38] nachzuweisen, dass ihre Regelung erforderlich ist, um eines oder mehrere der in Art. 36 AEUV erwähnten Ziele zu erreichen oder zwingenden Erfordernissen zu genügen, und gegebenenfalls, dass das Inverkehrbringen der betreffenden Waren eine ernsthafte Gefahr darstellt, sowie, dass diese Regelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Ein Rückgriff auf die Rechtfertigung ist jedoch nicht möglich, sofern Richtlinien der Union bereits entsprechende Maßnahmen auf diesem Gebiet vorsehen.[39]

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