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8. Gesundheitswesen

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Der Gesundheitsbereich hat sich in den Verträgen nur langsam entwickelt. Erst der Vertrag von Maastricht hat gewisse Unionskompetenzen des primären Gesundheitsschutzes in den EG-Vertrag aufgenommen. Durch die Verträge von Amsterdam und Lissabon erhielt die Union weitere Zuständigkeitsbereiche.[163] Gemäß Art. 168 Abs. 1 AEUV wird bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen ein hohes Gesundheitsniveau sichergestellt. Die Tätigkeit der Union ergänzt die Politik der Mitgliedstaaten und ist auf die Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von Humankrankheiten und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der körperlichen und geistigen Gesundheit gerichtet. Sie umfasst die Bekämpfung der weit verbreiteten schweren Krankheiten, wobei die Erforschung der Ursachen, der Übertragung und der Verhütung dieser Krankheiten sowie Gesundheitsinformation und -erziehung gefördert werden; außerdem umfasst sie die Beobachtung, frühzeitige Meldung und Bekämpfung schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren (Art. 168 Abs. 1 AEUV). In diesem Zusammenhang fördert die Union die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und unterstützt deren Tätigkeit (Art. 168 Abs. 2 AEUV).

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Gemäß Art. 168 Abs. 4 AEUV tragen das Europäische Parlament und der Rat mit entsprechenden Maßnahmen dazu bei, den gemeinsamen Sicherheitsanliegen Rechnung zu tragen. Hierzu gehören Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs sowie für Blut und Blutderivate (Art. 168 Abs. 4 lit. a AEUV), Maßnahmen in den Bereichen Veterinärwesen und Pflanzenschutz, die unmittelbar den Schutz der Bevölkerung zum Ziel haben (Art. 168 Abs. 4 lit. b AEUV) sowie – nunmehr durch den Vertrag von Lissabon eingeführt – Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Arzneimittel und Medizinprodukte (Art. 168 Abs. 4 lit. c AEUV). Ferner können das Europäische Parlament und der Rat unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auch Fördermaßnahmen erlassen zum Schutz und zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit sowie insbesondere zur Bekämpfung der weit verbreiteten schweren grenzüberschreitenden Krankheiten, Maßnahmen zur Beobachtung, frühzeitigen Meldung und Bekämpfung schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren sowie Maßnahmen, die unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung vor Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch zum Ziel haben (Art. 168 Abs. 5 AEUV). Als Maßnahmen kommen sämtliche Handlungsformen der Union in Betracht.[164] Dessen ungeachtet wird bei der Tätigkeit der Union die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten umfasst die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel (Art. 168 Abs. 7 AEUV).

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Ausgewählte Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs sowie für Blut und Blutderivate (Art. 168 Abs. 4 lit. a AEUV):[165]

Richtlinie 2002/98/EG zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen,[166]
Richtlinie 2004/23/EG zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen,[167]
Richtlinie 2004/33/EG zur Durchführung der Richtlinie 2002/98/EG hinsichtlich bestimmter technischer Anforderungen für Blut und Blutbestandteile,[168]
Richtlinie 2005/61/EG zur Durchführung der Richtlinie 2002/98/EG in Bezug auf die Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit und die Meldung ernster Zwischenfälle und ernster unerwünschter Reaktionen,[169]
Richtlinie 2005/62/EG zur Durchführung der Richtlinie 2002/98/EG in Bezug auf gemeinschaftliche Standards und Spezifikationen für ein Qualitätssystem für Blutspendeeinrichtungen,[170]
Richtlinie 2006/17/EG zur Durchführung der Richtlinie 2004/23/EG hinsichtlich technischer Vorschriften für die Spende, Beschaffung und Testung von menschlichen Geweben und Zellen,[171]
Richtlinie 2006/86/EG zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen,[172]
Richtlinie 2010/53/EU über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe.[173]

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Ausgewählte Maßnahmen in den Bereichen Veterinärwesen und Pflanzenschutz, die unmittelbar den Schutz der Bevölkerung zum Ziel haben (Art. 168 Abs. 4 lit. b AEUV):[174]

Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur,[175]
Verordnung (EU) 2016/429 zu Tierseuchen,[176]
Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel.[177]

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Ausgewählte Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Arzneimittel und Medizinprodukte (Art. 168 Abs. 4 lit. c AEUV):[178]

Verordnung (EU) Nr. 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln,[179]
Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte,[180]
Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika.[181]

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Ausgewählte Fördermaßnahmen, die den Schutz und die Verbesserung der menschlichen Gesundheit sowie insbesondere zur Bekämpfung der weit verbreiteten schweren grenzüberschreitenden Krankheiten, Maßnahmen zur Beobachtung, frühzeitigen Meldung und Bekämpfung schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren sowie Maßnahmen, die unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung vor Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch zum Ziel haben (Art. 168 Abs. 5 AEUV):[182]

Verordnung (EG) Nr. 851/2004 zur Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten,[183]
Verordnung (EG) Nr. 1920/2006 über die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht,[184]
Beschluss Nr. 1082/2013/EU zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren.[185]

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Auf Art. 168 AEUV (bzw. die Vorläuferbestimmung) gründen sich mehrere Aktionsprogramme der Union im Bereich der Gesundheit. Erste Einzelprogramme, unter anderem zur Krebsbekämpfung und Prävention übertragbarer Krankheiten, wurden 2002 durch ein umfassendes Aktionsprogramm im Bereich der öffentlichen Gesundheit (2003–2008)[186] ersetzt. Dieses wurde zum 1.1.2008 durch das zweite Aktionsprogramm im Bereich der Gesundheit (2008–2013)[187] abgelöst. Zwischenzeitlich ist das dritte Aktionsprogramm im Bereich der Gesundheit (2014–2020)[188] in Kraft getreten. Das Aktionsprogramm ergänzt und unterstützt die Politiken der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Gesundheit und zum Abbau gesundheitlicher Ungleichheiten bei der Förderung der Gesundheit, der Unterstützung von Innovationen im Gesundheitswesen, der Erhöhung der Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme und dem Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren (Art. 2 des dritten Aktionsprogramms). Hierfür werden für den Zeitraum 2014–2020 Mittel in Höhe von knapp 450 Mio. EUR bereitgestellt (Art. 5 des dritten Aktionsprogramms).

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