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3. Kartellrecht

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Der Binnenmarkt der Union (Art. 3 Abs. 3 EUV) umfasst ein System, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt (Protokoll 27 zu den Verträgen[121]). Neben den Bestimmungen über staatliche Beihilfen dienen hierzu die an Unternehmen gerichteten Normen der Art. 101–106 AEUV. Art. 101 AEUV qualifiziert Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken, als mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten. Art. 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

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Gemäß Art. 103 Abs. 1 AEUV ist der Rat ermächtigt, zur Verwirklichung der in den Art. 101 und 102 AEUV niedergelegten Grundsätze zweckdienliche Verordnungen oder Richtlinien zu erlassen. Hierzu wurde schon früh die Verordnung (EWG) Nr. 17/62[122] erlassen, welche im Jahre 2004 durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003[123] abgelöst wurde.

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Die Mitgliedstaaten werden gemäß Art. 106 Abs. 1 AEUV in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Verträgen widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten. Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, gelten die Vorschriften der Verträge, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert (Art. 106 Abs. 2 AEUV). Diese Bestimmung, die unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den allgemeinen Vorschriften des Vertrages zulässt, soll das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz bestimmter Unternehmen, insbesondere solcher des öffentlichen Sektors, als Instrument der Wirtschafts- oder Sozialpolitik mit dem Interesse der Union an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Wahrung der Einheit des Binnenmarktes in Einklang bringen.[124]

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Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff des Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsregeln unabhängig von der Rechtsform und der Art der Finanzierung jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit.[125] Dabei ist die Unternehmenseigenschaft aufgrund der Relativität des Unternehmensbegriffs an der Art der konkreten Tätigkeit zu prüfen.[126] Weder das Fehlen eines Gewinnerzielungszwecks, noch die Verfolgung einer sozialen Zielsetzung genügen, um die Unternehmenseigenschaft zu verneinen.[127] Damit wird der Begriff des Unternehmens regelmäßig sehr weit ausgelegt.

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Anders werden hingegen Einrichtungen beurteilt, die mit der Verwaltung der gesetzlichen Kranken-, Unfall- oder Rentenversicherungssysteme betraut sind,[128] wenngleich auch hier auf die Art der konkreten Tätigkeit abzustellen ist.[129]

Krankenkassen haben keine Möglichkeit, auf die Höhe der Beiträge, die Verwendung der Mittel und die Bestimmung des Leistungsumfangs Einfluss zu nehmen. Auch der Spielraum, über den Krankenkassen im Hinblick auf die Beitragssätze verfügen, führt zu keiner anderen Betrachtung, da dies im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Systems der sozialen Sicherheit erfolgt. Maßgeblich ist, dass die Leistungen von Gesetzes wegen und unabhängig von der Höhe der Beiträge erbracht werden. Damit sind Krankenkassen keine Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln, wenn sie Festbeträge festsetzen, bis zu deren Erreichen sie die Kosten von Arzneimitteln übernehmen (Rs. AOK-Bundesverband u.a.).[130]

Keine andere Bewertung ergibt sich bei einer reinen Einkaufstätigkeit dieser Einrichtungen gegenüber Dritten, sofern die zu erwerbenden Güter oder Dienstleistungen zur Erfüllung dieser Tätigkeit dienen. Der Kauf ist nicht von der späteren Verwendung der Güter oder Dienstleistungen zu trennen. Der wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Charakter der späteren Verwendung bestimmt zwangsläufig den Charakter der Einkaufstätigkeit (Rs. FENIN).[131]

Auch Berufsgenossenschaften, der die Unternehmen, die in einem bestimmten Gebiet einem bestimmten Gewerbezweig angehören, für die Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten beitreten müssen, sind keine Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln, sondern nehmen Aufgaben rein sozialer Natur wahr, soweit sie im Rahmen eines Systems tätig sind, mit dem der Grundsatz der Solidarität umgesetzt wird und der staatlichen Aufsicht unterliegen (Rs. Kattner Stahlbau).[132]

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Hiervon zu unterscheiden sind jedoch Zusatzversicherungssysteme auf freiwilliger Basis.[133]

Eine Einrichtung, die ein zur Ergänzung einer Grundpflichtversicherung durch Gesetz geschaffenes, auf Freiwilligkeit beruhendes Rentenversicherungssystem verwaltet, das insbesondere hinsichtlich der Beitrittsvoraussetzungen, der Beiträge und der Leistungen nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet, gilt als Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln (Rs. Fédération française des sociétés d'assurance u.a.).[134]

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Auch in anderen Bereichen des Gesundheitswesens haben sich kartellrechtliche Fragestellungen ergeben, insbesondere im Arzneimittelbereich, dort vor allem im Hinblick auf den Parallelhandel.[135] In neuerer Zeit standen vermehrt auch sogenannte Pay-for-delay-Vereinbarungen im Fokus. Dabei bezahlt der Hersteller eines Originalpräparats einen Generikahersteller, damit dieser die Markteinführung eines Generikums einschränkt oder verzögert.[136]

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