Читать книгу Samenspender Nr. 9.713 und andere Erzählungen - Thomas W. Jefferson - Страница 14

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Es folgen fünf Jahre, während derer beide vollauf damit beschäftigt sind, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen. Britta hat sich nie damit abgefunden, daß Max und seine beiden Schwestern, alle mit roten Haaren und runden Gesichtern voller Sommersprossen, nicht wie spanische Adelige aussehen, sondern mehr wie irische Bauern, aber im Vergleich mit dem, was nun kommt, ist das wirklich kein Problem.

Die wirklichen Probleme beginnen, als Max in der Grundschule von Anfang an nicht mitkommt. Britta geht mit dem Jungen zu einem Spezialisten. Der untersucht den Buben, macht einen Intelligenztest und spricht dann lange mit Britta. Was er dabei sagt, wird Britta später immer als den Wendepunkt in ihrem Leben bezeichnen. Von diesem Tag an, wird sie sagen, war alles anders. Einfach alles.

Der Arzt redet leise, langsam und umständlich und schaut ihr dabei nie in die Augen. Er verliert sich in Einzelheiten, schweift ab und unterbricht sich, aber nach und nach begreift sie, welche Richtung dieses Gespräch nun nimmt. Es sei gut, sagt der Doktor, daß sie zu ihm gekommen sei. Max‘ handtellergroße Leberflecke auf Bauch und Rücken seien ihr bestimmt aufgefallen. Gewiß auch die unüblichen Sommersprossen in der Armbeuge, die kleinen Flecke auf der Iris, die Knötchen im Nacken, das etwas unsymmetrisch anmutende Gesicht …?

Sie weiß nicht, was sie sagen soll. „Irgendwie schon, ja, natürlich ….“

Alles ist ihr furchtbar peinlich, denn sie glaubt zu ahnen, was für eine Frage nun kommt. Die kommt jedoch nicht, dafür erfährt sie etwas Neues: Die Leberflecke, die Sommersprossen, Max‘ Minderbegabung, die sich aus dem Intelligenztest ergäbe, und die sogenannten Lisch-Knötchen im Auge – das könnten Hinweise auf eine Neurofibromatose Typ 1 sein. Natürlich nur Hinweise. Genauere Tests seien noch erforderlich.

„Eine Neuro … was?“ Sie hat das Wort noch nie gehört.

„Neurofibromatose Typ 1.“

„Was ist das?“

„Die Recklinghausensche Krankheit.“

Sie starrt ihn an. Allein der Name klingt fruchtbar.

„Die Recklinghausensche Krankheit?“

„Das ist noch keine Diagnose heute. Wir reden jetzt nur über Symptome, die genauer untersucht werden müssen.“

„Ich will wissen, was das ist, diese Neurofibro …? Was bedeutet das für Max?“

Sie hört: Nervensystem, Erbkrankheit, Hautanomalien, Tumore, Knochenveränderungen, Epilepsie, Minderbegabung, aber sie begreift nichts davon. Als sie unten auf dem Parkplatz steht, weiß sie nur, daß Max an irgend etwas Schrecklichem leidet oder vielleicht leidet, auf jeden Fall an etwas, das eine Biopsie erfordert, das allein sagt alles. Als Bert ihre Stimme auf seiner Mailbox hört, läßt er alles stehen und liegen und setzt sich sofort ins Auto.

So hat er sie noch nie gesehen: Von einem lautlosen Weinen geschüttelt, sitzt sie auf dem Wohnzimmersofa, weiß wie die Wand, zusammengesunken, mit vor Schmerz versteinertem Gesucht. Die Tränen rinnen ihr über eingefrorene Wangen hinab.

Samenspender Nr. 9.713 und andere Erzählungen

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