Читать книгу Samenspender Nr. 9.713 und andere Erzählungen - Thomas W. Jefferson - Страница 9
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ОглавлениеNoch nie ist sie so glücklich gewesen. Ein Hauch von Seligkeit liegt über diesen Frühlingsmonaten. Alles gefällt ihr, alles macht ihr Spaß, sie versteht die ganze Welt. Bereits am ersten Tag nach ihrem Kurzurlaub ist sie wieder im Rathaus, wo sie Leuten, die sie kaum kennt, um den Hals fällt, Mitarbeiter, die ihr früher egal waren, in Gespräche verwickelt und sich beim Bürgermeister danach erkundigt, wie die Begrünung der Flachdächer im Gewerbegebiet voranschreitet.
Sie fährt zu ihren Eltern, präsentiert ihren Bauch, nickt, als ihr Vater sagt, daß eine Laufbahn in der Verwaltung eben immer noch das Beste sei, wenn die Kinder kommen, ißt die verbrannten Schnitzel und den fetten Kartoffelsalat ihrer Mutter und schaut dann mit den beiden fünf Stunden lang in den Fernseher hinein. Vor dem Einschlafen hört sie die langgezogenen Flötentöne und die perlenden Triller einer Nachtigall, die ihr Nest in die Hecke am Waldrand gebaut hat. Sie tritt auf den Balkon hinaus, atmet die kühle Luft, die aus dem Wald herausströmt, und blickt zum Himmel hinauf, der über den Wipfeln der Fichten violett glänzt. Als sie, umhüllt von der Frische der Nacht, ihr altes Zimmer wieder betritt, bleibt ihr Blick an den Büchern ihrer Schulzeit hängen, die hier, ordentlich aufgereiht, immer noch auf dem Kiefernregal stehen, das ihr Vater vor dreißig Jahren zusammengebaut hat. Sie blättert in der Unendlichen Geschichte, in Jim Knopf, lacht, als sie die Illustrationen, die sie seit Jahren nicht mehr angeschaut hat, wieder sieht. Und dabei geht eine Welle von Freude, Zuversicht und wildem Entzücken durch ihren Körper: Irgendwann werden ihre Kinder in diesen Büchern lesen, werden Bert und sie Regale aufbauen und an Weihnachten heimlich Geschenke verpacken.