Читать книгу Samenspender Nr. 9.713 und andere Erzählungen - Thomas W. Jefferson - Страница 15

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Es dauert zehn Tage, bis das Ergebnis der Biopsie da ist. Zehn endlose, elende, aufreibende Tage, während derer sie im Haus auf und ab geht, andauernd Küche und Bad putzt, die Polin anschreit, ihr den Korb mit der Schmutzwäsche aus der Hand reißt und selber wäscht, im Garten hin und her rennt, immer wieder im Internet was sucht und sich dabei hundert- und tausendmal die Frage stellt: Warum? Warum sie? Warum jetzt? Wie kann das sein? Wo liegt der Fehler in der ganzen Kette? Es wurden doch alle Beteiligten immer wieder und wieder untersucht, getestet und analysiert, die Spermien zuallererst, die sind doch von einem Premiumspender, die ganze Behandlung hat doch ein Vermögen gekostet. Und sie selber, sie ist doch bei zig Ärzten gewesen, das ist doch das 21. Jahrhundert, nicht irgendein finsteres Mittelalter, in dem man an einem Schluck Wasser verrecken konnte.

Sie untersucht jeden Quadratzentimeter an ihren Kindern. Alle haben Sommersprossen in der Armbeuge und im Nacken, alle haben die handtellergroßen braunen Flecken, die der Arzt hartnäckig Café-au-lait-Flecken nennt, als wenn das Ganze ein Witz wäre. Immerhin sind bei Hannah und Leah sonst keinerlei Symptome zu sehen. Max ist ganz klar am schlimmsten dran. Das, was sie für Blutschwämme oder harmlose kleine Knubbel auf der Haut gehalten hat, sind bereits die Vorläufer der späteren Neurofibrome, die eines Tages aus Gesicht und Körper hundertfach hervorsprießen werden, bis sie die Größe einer Erdbeere erreicht haben. Dann hilft nur Wegoperieren, immer und immer wieder, denn genau wie die schleimigen Tentakel mancher Mollusken wachsen diese widerlichen Minigeschwülste ein Leben lang nach und werden immer mehr.

Den Beschwichtigungen des Arztes glaubt sie nicht. Die Videos und Geschichten im Internet sagen ganz was anderes. Da ist diese alte Frau aus Philadelphia, Eleanor, die auf und auf mit kirschgroßen Tumoren und Knoten bedeckt ist, tausende sind es, auf den Armen, auf dem Rücken, ihr ganzes Gesicht ist voll davon. Da ist der elfjährige Byron, der mit einem T-Shirt, auf dem groß und grün NF 1 steht, tapfer in die Kamera lächelt und sagt, daß nicht alle seine Tumore ihm Schmerzen bereiteten, sondern nur die auf der Hand oder am Arm und auch nur dann, wenn er irgendwo dranstößt. Am schlimmsten von allen hat es Ed Porter aus Ohio getroffen, dessen linke Gesichtshälfte eine kiloschwere Geschwulst, groß wie eine Aubergine, schwarzbraun und ekelhaft, vollkommen bedeckt. Ed, der sein Leben lang Elefantenmensch genannt wurde, von Spenden lebt und nun, ohne Eltern, Einkommen und Krankenversicherung, einsam und elend dem Tod entgegengeht.

Es ist wahr: man stirbt an dieser Krankheit nicht. Es gibt Menschen, die damit siebzig oder achtzig Jahre alt geworden sind, aber sie alle haben zwanzig oder dreißig Operationen hinter sich, mußten mit schiefer Wirbelsäule, teilweiser Erblindung, epileptischen Anfällen und immer neuen Geschwülsten an immer anderen Stellen leben, denn diese Erkrankung, die oft jahrelang zum Stillstand kommt, nur um dann mit um so größerer Vehemenz wieder hervorzubrechen, sucht sich ständig wechselnde Angriffspunkte im Körper, um diese dann zu verunstalten und zu verwüsten.

Samenspender Nr. 9.713 und andere Erzählungen

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