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Kapitel 5

„Jetzt komm, nun schieb! Ich kann nicht ewig so gebückt hier stehen, mir knicken gleich die Beine weg“, meckerte ich und schwitzte wie ein Schwein. Währenddessen suchte Paul noch immer den richtigen Winkel, um mir dieses unhandliche Gerät auf meinen bereitstehenden Rücken zu wuchten. Nach einer weiteren, alkoholfreien Stunde hatten wir geglaubt, endlich die notwendige Kraft und Nüchternheit wiedererlangt zu haben, um es zu vollenden, wenn auch mit leichtem Schwindel und trockener Zunge.

„Deine Beine werden eher ein geringeres Problem werden. Wenn ich jetzt schiebe, breche ich dir zuerst das Genick, dann die Wirbelsäule und zum Schluss die Beine. Die Reihenfolge kann ich nicht versprechen, aber du wirst daran zerbrechen“, gab Paul zu bedenken.

„Das würdest du wirklich für mich tun? Jetzt rede nicht so viel, so schwächlich bin ich nicht. Angetrunken, ja, ein bisschen übermütig, von mir aus, aber nicht schwach. Pack rauf das Teil jetzt! Dann springst du runter von der wackeligen Ladefläche und dann hältst du hinten fest. Ich richte mich auf und dann bringen wir das Baby in die Heia. Fertig.“

Nach „fertig“ hätte ich eigentlich weitere Widerworte oder zumindest eine kurze Bestätigung erwartet. Stattdessen ging mein angewinkeltes rechtes Knie vollends zu Boden, als mich die Wucht meines Sitzmöbels unerwartet im Rücken traf. Das linke zitterte sich auf halber Höhe in einen sicheren Stand. Geistesgegenwärtig riss ich meine Arme nach oben, um den Sessel an den gepolsterten Lehnen zu umfassen und mich mühsam aus meiner misslichen Haltung zu befreien. Als ich unter höchsten Anstrengungen endlich festen, beidfüßigen Stand fand, spürte ich, dass Paul mir einen großen Teil des Gewichts durch Anheben der Rückenlehne abgenommen hatte. Das Ding saß. Das war nicht seine eigentliche Aufgabe in unserer bisherigen Beziehung, aber das Leben war ein Geben und Nehmen. Das galt auch für Möbelstücke.

„So, und nun?“, fragte Paul in seiner gewohnten Seelenruhe.

„Was, und nun?“, erwiderte ich weitaus gereizter, weil mir der Rücken schmerzte, der verschwitzte Kopf im staubigen Polster zu jucken anfing und ich nur eine sehr eingeschränkte Sicht nach vorne hatte.

„Ich würde vorschlagen, wir marschieren jetzt los. Immer schön gerade halten und nicht so kräftig schieben, wenn es geht.“

Erneut wortlos fing Paul an, sanft zu schieben, sodass ich kurz ins Stolpern geriet, mich aber schnell wieder fangen konnte und wir meinen Blindflug angehen konnten. Wir kamen genau zehn Tippelschritte weit, bis ein nicht identifizierbares Kriechtier mit hektischen Laufwegen unseren Weg kreuzte und schnüffelnd an meinem Bein hochzuspringen versuchte, wodurch ich zum abrupten Abbremsen gezwungen war.

„Hey, Vordermann, warum geht das da vorne denn nicht weiter?“, fragte Paul, der von der tierischen Frontalattacke nichts mitbekommen zu haben schien.

„Ich glaube, irgend so eine hyperaktive und krummfüßige Rennwanze verhindert den Weitertransport. Genaueres kann ich nicht sehen, du?“

„Jabbadabbadu, kommst du her? Kommst du da weg? Jabbadabbadu, komm sofort hierher, hörst du nicht?“, ertönte statt Pauls Antwort eine zarte, dennoch energische, aber kindliche Stimme aus dem unsichtbaren Off.

„Nakita, bist du das?“, fragte Paul irritiert. Auch er konnte nicht viel mehr sehen als die Rückseite meines Sessels. Seine Arme umfassten die hölzernen Kugelfüße.

„Jabbadabbadu, lass los, komm her“, schimpfte sie nochmals, jetzt noch lauter, und endlich wurde ihr Rufen erhört. Das Tier verzog sich jaulend.

„Und wer bist du?“, fragte mich das Mädchen, das vermutlich Nakita hieß. Urplötzlich war sie aus dem Nichts in meinem nach unten gerichteten Blickfeld aufgetaucht, womit nun sie selbst den Fortgang behinderte. Ich spürte, wie ich mit der Situation und dem Polstermöbel auf dem Rücken zusehends überfordert war.

„Hallo Nakita“, kam mir von hinten Paul wie gerufen zur Hilfe, „ich bin’s, Paul. Das da vorne, das ist Berti. Der wohnt eine Weile bei mir, weißt du ja. Du, kannst du bitte mal kurz aus dem Weg gehen? Das Ding ist irre schwer und ich glaube, gleich knallt uns das hier runter, wenn es nicht schnell weitergeht.“

Als hätte es nur auf Freigabe gewartet, startete das bisher undefinierte Getier einen weiteren Angriff auf meine Beine, so unerwartet und hinterhältig, dass ich zunächst den Halt und direkt im Anschluss den Sessel aus den Armen verlor. Der rumste polternd auf den Gehweg und begrub dabei leider nicht die kleine Ratte unter sich, die schwanzwedelnd vor mir stand und mich voller freudiger Erwartung ansah. Die Ratte stellte sich als niedlicher Hund heraus, aber was wollte der von mir? Leckereien, Streicheleinheiten oder ein Lob, wie toll er das gemacht hatte? Spontan hätte ich einen Tritt mit Anlauf im Angebot gehabt, aber das wäre mitnichten ein guter Einstand. Gerade setzte er zu einer erneuten Attacke an, als hätte er meine Gedanken gelesen.

„Jabbadabbadu. Aus!“, schimpfte Nakita, die ich nun erstmals auch in Gänze sehen konnte, mit ihrem Kläffer. Als hätte dieser Befehl jetzt noch irgendeine Wirkung. Blöde Göre, dachte ich, als der Hund auf die Polsterfläche des Sessels sprang und sich friedlich einrollte, als sei nichts geschehen.

„Hallo“, sagte sie artig zu mir und man merkte ihr einen Hauch schlechten Gewissens an. Sie lächelte lieb und machte sogar einen Knicks, „ich bin Nakita. Ich wohne dort“, sagte sie und zeigte auf unser Zielobjekt, „das mit Jabbadabbadu, das tut mir leid, das macht er normalerweise nicht.“

Ich betrachtete dieses reizende japanische Mädchen, wie es schüchtern vor mir stand, in ihrem bunten Kleidchen mit dem rosa Bändchen im Haar, dem unsicheren Blick, der sich zwischen Boden und meiner Wenigkeit einzupendeln versuchte, und war gerührt bis in die Haarspitzen. Was für ein entzückendes Kind. Blitzschnell hatte ich vergessen, was gerade eben passierte, und sofort wähnte ich mich mit dieser menschlichen Regung auf einem guten Weg, als sich Nakitas Miene auf einmal verfinsterte. Sie riss ihre Augen weit auf, versteckte sich hinter Paul und umklammerte ängstlich sein rechtes Bein. Mit vorgehaltener Hand fragte sie flüsternd, aber laut genug, dass ich es gerade eben noch verstehen konnte und ohne mich aus dem Auge zu verlieren: „Ist das der, der die ganzen Leute umgelegt hat?“

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