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Kapitel 13

Wie sich noch herausstellte, verband mich mit Horst sehr viel mehr als ein einseitig florierendes Pfandgeschäft. Seine Frau hatte ihn verlassen, wegen Alkohol, wie er zugab, später verlor er seinen Job als Bühnenschauspieler. Der Klassiker also, kleinere Parallelen zu mir waren nicht von der Hand zu weisen. All das lag bei ihm schon einige Jahre zurück und er hatte sich mit seinem neuen Leben auf der Straße arrangiert, so beteuerte er. Solange er nachts ein Dach über dem Kopf hatte, was in der Regel der Fall war, wollte er sich nicht beschweren. Die Stadt täte einiges, um Menschen wie ihn nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Zurzeit genoss er oft die lauen Nächte unter freiem Himmel und so mancher Einwohner dieser Stadt würde an dieser Stelle, an diesen Tagen, wohl gerne die Rollen tauschen. Ich versprach ihm für einen der nächsten Tage, dass ich mal wieder auf ein warmes Bier vorbeikommen würde. Man würde sich spätestens wiedersehen, wenn die aktuelle Kiste leer wäre.

Zurück in der Wohnung verstaute ich die Einkäufe in die jeweiligen Schränke, das Bier stellte ich eiskalt, weil warmes Bier tatsächlich zu den fürchterlichsten Dingen dieser Welt gehörte, als es erneut an der Tür klingelte. Mir fielen Pauls Worte wieder ein. Wie meinte er? Es wäre ja nicht so, dass die Leute von morgens bis abends hier klingeln würden? Wie viele potenzielle Besucher mochten wohl vorhin enttäuscht von dannen gezogen sein, als ich nur kurz zum Einkaufen draußen war?

„Tach. Graf. Anwalt“, stellte sich mein neuester Besucher vor und presste sich an mir vorbei, um sich umgehend auf Pauls Sofa niederzulassen. Da schien Routine hinter zu stecken.

„Vorhin war ich schon mal da, hat aber niemand aufgemacht“, sagte er und parkte seine Beine auf dem Wohnzimmertisch.

„Wenn wir erst einmal richtig loslegen, dann brauchst du eine Sekretärin, das muss dir klar sein. Funktioniert nicht, wenn die Leute hier Schlange stehen und keiner ist da. Aber das kann ich auch für dich regeln, ich habe da Kontakte. Hast du mal was zu Trinken da? Ach, lass, ich bediene mich schon selbst, kenne mich ja aus.“

Er stand auf, steuerte die Küche an und setzte einen halben Liter Milch an, der sich komplett in seinem Schlund ergoss. Er rülpste dezent und stellte die leere Packung zurück in den Kühlschrank.

„Entschuldige die Nachfrage, ich sage einfach mal du, ja? Wer genau bist du jetzt? Was willst du hier und was faselst du da? Ich verstehe nur Bahnhof. Mich erschüttert heute ja wirklich nicht mehr viel, aber diesen Auftritt krieg ich gerade ganz schlecht eingeordnet. Was wird das hier?“

„Hat Paul nichts gesagt? Na, war klar. Paul eben. Dafür hat er mir alles von dir erzählt und was soll ich sagen: ich bin dabei. Von mir aus können wir heute noch anfangen. Ich brenne richtig drauf. Hätte mir dich übrigens jünger vorgestellt und irgendwie dynamischer. Bist eher so, wie soll ich sagen, na ja, so ’ne richtige Körperspannung ist bei dir ja auch nicht zu erkennen. Vielleicht bist du aber auch einfach aus der Übung. Die Nummer schlaucht bestimmt und saugt einem sämtliche Energie aus dem Körper. Kriegen wir alles hin, wenn es erst einmal losgeht. Und lass dir eines gesagt sein: keine Tabus! Wir machen alles. Und wenn es mal eng wird, keine Bange. Dafür bin ich ja da, dafür kannst du dem lieben Gott danken. Ich hol dich überall raus, das garantiere ich. Ich habe noch nie einen Fall verloren und diese Sache, die ziehen wir ganz groß auf. Da hab’ ich mal richtig Bock drauf.“

„Interessant. Auch wenn ich dich langweile, wer bist du jetzt noch mal? Das geht mir gerade ein bisschen zu schnell. Liegt vielleicht auch ein bisschen an meiner schlaffen Hirnspannung, schon möglich, aber das kriegst du sicherlich auch hin. Also, jetzt noch mal langsam, was zur Hölle willst du von mir?“, fragte ich erstaunlich ruhig, obwohl ich innerlich kochte.

„Hab ich doch gesagt. Graf. Paul-Rasmus Graf. Von oben. Penthouse. Anwalt. Sag einfach Rasmus, einen Paul haben wir ja schon. Oder Paragraf, wenn es dir besser über die Lippen kommt. Das sagen eh alle, verstehst du? PA-RA-GRAF. Fanden meine Eltern ganz besonders witzig. Na ja. Humor ist so eine Sache, und wer hoffentlich eines Tages zuletzt lacht, der steht jetzt vor dir. Und warum tut er das? Habe ich doch gesagt, weil am Ende gelacht werden soll.“

Rasmus war ein von der Haarspitze bis zum V-Ausschnitt seines verblichenen T-Shirts überwucherter Freak. Wo war der denn bitte Anwalt? Im Urwald? Schlimmer noch, in Bremen? Irgendwie verkehrte Welt. Als hätten Horst, der auf der Straße lebte und dem Klischee nach gefälligst viel verwahrloster auszusehen hatte und der Rechtsverdreher ihre Leben miteinander vertauscht. Die wilden Strähnen seines beneidenswert vollen Schopfes hingen ihm ungezügelt herunter und vereinten sich auf Höhe des Kinns mit einem dichten, struppigen Vollbart zu einer scheinbar geschlossenen Rundumbehaarung. Dazwischen war von seinem Gesicht wenig zu erkennen, ich schätzte ihn dennoch auf knapp vierzig, nach einer Rasur vermutlich jünger. Auffällig war dagegen sein starrer, beinahe irrer Blick, voller Tatendrang und unkontrollierter Energie, der mich zugegebenermaßen eher beunruhigte, als das ich ihm länger hätte standhalten können.

„Ich hasse Anwälte“, schleuderte ich ihm lapidar entgegen, zum einen, weil es stimmte, zum anderen, weil er mir langsam lästig wurde.

„Dann sind wir schon mal zwei, Bruder. Aber einmal im Leben braucht man immer einen und jetzt bin ich hier“, verteidigte sich der Anwalt standesgemäß und strahlte.

„Gutes Stichwort. Entschuldige, wenn ich mich wiederhole. Das passiert mir heute häufiger. Warum genau bist du nun hier? So ganz habe ich das noch immer nicht verstanden und ich bin auch nicht sicher, ob du nicht einfach lieber wieder in deinem Käfig verschwinden solltest, um deinen Kunden das Geld aus der Tasche zu ziehen.“

„Mandanten. Mandanten heißen die. Ich habe keine Mandanten. Das ist es ja, weswegen ich hier bin. Das ist dein großes Glück. Der Markt ist gigantisch. Das kannst du gar nicht alleine schaffen. Kein Wunder, dass du eines Tages Probleme damit bekommen würdest und so war es dann ja schließlich auch.“

„Was zum Teufel kann ich nicht alleine schaffen, welcher verdammte Markt?“, brüllte ich ihn an. „Und ich will keinen Anwalt! Ich brauche keinen Anwalt und jetzt raus hier! Sonst verklage ich dich wegen Hausfriedensbruch, § 150 StGB. Du bist ja irre. Aus welcher Anstalt bist du denn ausgebrochen, sag mal?“

Manchmal kam es mir zugute, dass ich mich über die Jahre intensiv mit dem Strafgesetzbuch auseinandergesetzt hatte. Man sollte lieber wissen, wie weit man gehen durfte.

„Korrigiere, § 123. Ich rede von deinem Geschäftsmodell, die Sache mit den Spacken, das ist genial. Das bauen wir richtig aus. Ich habe mich schon schlaugemacht, ein bisschen recherchiert, da geht was. Ich sage nur Patentierung, ich sage Marktführerschaft. Ich habe mich gleich drangesetzt, nachdem Paul dich angekündigt hatte. Der Himmel hat dich geschickt.“

ausgeSPACKT!

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