Читать книгу CLOWNFLEISCH - Tim Curran - Страница 5

Kapitel 1

Оглавление

Heute Nacht kommt ein Blizzard über uns, ein geradezu tobendes Monster von einem Blizzard.

Er bringt pfeifende Winde mit sich, deutliche Minusgrade, und sein Bauch ist aufgebläht, mit Schnee und eiskaltem Regen. Craw Falls – ein stinknormales, kleines Kaff im südöstlichen Teil des Bundesstaates – liegt genau auf seinem Weg, und als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, versteckt sich noch etwas anderes in dem Sturm. Es benutzt das Unwetter als Tarnung, um in aller Ruhe zu jagen … Menschen zu jagen.

Doch dazu kommen wir später.

Im Moment sitzt Milford Zeiss, direkt neben seiner klapprigen Fischerhütte, auf dem Eis des Crow Lakes, etwa eine Meile vom Ort entfernt und angelt Barsche. Er hat nicht die geringste Lust, damit aufzuhören, denn im Moment beißen die richtig dicken Dinger wie verrückt. Sie schnappen quasi sofort nach seinen Wachswürmern, sobald er sie zu Wasser lässt. Der Eimer wird voller und voller und er sieht sich schon in einer strahlenden Zukunft voller gegrillter Barsche. So ein Glück hatte er schon lange nicht mehr.

Aber dieser verdammte Sturm!

Oh Mann, das wird echt heftig, denkt Mil, doch er lässt den Haken trotzdem noch ein letztes Mal ins Wasser gleiten. Keine zwanzig Sekunden später zieht er auch schon den nächsten dickbäuchigen Barsch hinaus und wirft ihn in den Eimer.

Inzwischen klappert seine Holzhütte im Wind und selbst Mil macht sich so langsam Sorgen. Dabei angelt er schon seit 1954 im Crow Lake, damals war er gerade einmal zarte acht Jahre alt. Er seufzt bitterlich, schwer enttäuscht von Mutter Natur, die ihm gerade einen dicken Strich durch die Rechnung macht – ausgerechnet in einer Nacht, wo seine Ausbeute nicht nur gut, sondern richtig spektakulär ist. Widerwillig packt er seine Sachen zusammen und schließt den Abzug des Holzofens, damit das Feuer ausgeht.

»Morgen ist ja auch noch ein Tag«, murmelt er durch seine zusammengebissenen Zähne, doch das bessert seine Laune auch nicht. Er weiß schließlich ganz genau, wie verdammt unberechenbar die Fische hier sind, und so eine Nacht wie heute wird es vielleicht wochenlang nicht mehr geben – vielleicht sogar Monate oder Jahre nicht. Deshalb fühlt er sich, als hätte ihm jemand gehörig in die Eier getreten.

Niedergeschlagen öffnet Mil den Riegel an der Holztür, die ihm der Wind jedoch sofort aus der Hand reißt. Verdammt, was für eine Brise. Im Licht seiner Laterne peitscht der Schnee wie eine wilde, wütende Masse durch das Dunkel der Nacht. Mil muss sich richtig gegen den Wind stemmen, als er die paar Schritte zu seinem Schneemobil macht, einem Polaris Colt von 1976. Er startet den Motor und gibt ihm ein paar Minuten, um warm zu werden.

Als er endlich in der Hütte ist, nachdem er die Tür mit viel Mühe aufbekommen hat, schiebt sich Mil eine Winston in den Mundwinkel und entzündet sie mit seinem Zippo. Eine echt höllische Nacht, denkt er. Richtiges Scheißwetter. Aber er hat schon Schlimmeres erlebt, zumindest redet er sich das ein. Er nimmt einen Zug von seiner Zigarette und sagt sich, dass er das Ufer schon finden wird, trotz der schlechten Sicht. Er ist schließlich nur eine Viertelmeile vom Land entfernt und muss doch einfach nur den alten Spuren seines Schneemobils folgen. Abgesehen davon ist sein Polaris wie ein Pferd, es findet zur Not auch allein den Weg, selbst wenn der Reiter mal die Orientierung verloren hat.

Mil wird klar, dass er garantiert als Einziger noch auf dem Eis ist, wenn man sich diesen Sturm mal genauer betrachtet. Er ist eben hart gesotten. Ein echter Draufgänger. Wenn die Fische so beißen, dann braucht es schon ein echtes Wunder, um einen Zeiss vom Eis zu kriegen. Sein Vater hatte früher immer gesagt, dass die Warmduscher bei Sonnenuntergang nach Hause gehen, doch dann fängt für die echten Männer das Angeln erst richtig an. Mil lächelt bei diesem Gedanken. Dennoch weiß er, dass man einen Blizzard auf einem zugefrorenen See nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Er hat schon genug Winter im hohen Norden erlebt, um einen gehörigen Respekt davor zu haben.

Er nimmt einen letzten Zug, dann wirft er den Stummel in den Ofen und läutet damit den Feierabend ein. Er dreht die Gaslaterne aus und zieht sich seine Wollhandschuhe über, dann schnappt er sich den Eimer mit den Fischen und geht nach draußen, wobei er darauf achtet, dass der Wind ihm nicht die Tür aus der Hand reißt. Er verstaut den Eimer sorgfältig auf dem Polaris und macht sich anschließend bereit für die Fahrt nach Hause. Er muss nur noch schnell die Hütte zuschließen, dann ist er bereit zur Abfahrt. Doch plötzlich hält er inne.

Was zur Hölle ist das?

Trotz des anhaltenden Jaulens des Windes hört er etwas, das sich wie klingelnde Glocken anhört. Das kann doch nicht sein. Aber dann hört er es wieder, und dieses Mal scheint es noch näher zu sein. Aber hier draußen? Vielleicht hat ja irgendein Idiot ein Windspiel oder so etwas Ähnliches an seine Hütte gebunden, und nun fliegt das Ding durch die Gegend. Er erinnert sich, dass Johnny Pallanpa vor ein paar Jahren mal einen zwei Meter langen Flaggenmast auf sein Dach gepflanzt hat, um aus Solidarität mit den Truppen im Irak das amerikanische Sternenbanner wehen zu lassen. Eines Nachts hat dann ein ähnlich starker Sturm nicht nur den Mast abgerissen, sondern gleich auch noch das halbe Dach mitgenommen. Als Johnny endlich fertig damit war, den Schaden unter viel Schwitzen und Fluchen zu reparieren, war er deutlich weniger patriotisch gestimmt gewesen.

Auch darüber muss Mil lächeln.

Doch dann hört er das Klingeln ganz in seiner Nähe und sein Lächeln verschwindet. Irgendwas daran stimmt nicht … nicht hier draußen … nicht in so einem Sturm und in solcher Dunkelheit, mitten auf einem zugefrorenen See. Es ist nicht so, dass er Angst hat – zur Hölle noch mal, er hat als Mitglied der ersten Luftkavallerie 1965 schließlich den Kampf um Ia Drang überlebt und seitdem hat ihn nichts mehr schrecken können. Trotzdem ist er etwas besorgt. Als er auf sein Schneemobil steigt, hört er die Glocken dicht hinter sich.

Das reicht.

CLOWNFLEISCH

Подняться наверх