Читать книгу Tim Raue - Rezepte aus der Brasserie - Tim Raue - Страница 17
ОглавлениеKonstant gut: Die Brasserie in Konstanz mit Blick auf die Marktstätte hat den Wohlfühlfaktor – und eine spektakuläre Dachterrasse.
CETTE IDÉE, C’EST UNE BLAGUE
Genau dieses Bild ist moderne Brasserie für mich. Eine ungestüme, legere Faszination abseits der großen Gourmettempel. Es sind Orte, die ihre eigene Geschichte nicht in den Vordergrund stellen. Die aber einladen, Teil einer gemeinsamen Geschichte zu werden. So wie es die Grand-Restaurants für die besonderen, herausragenden Momente braucht, so wollte ich mit der Brasserie Colette eine Atmosphäre schaffen, in der man einfach genießen kann. Unkompliziert, aber trotzdem fokussiert.
Dieser Brasserie-Lifestyle lebt seit den 90er-Jahren in Paris wieder auf. Endlich. Denn über viele Jahrzehnte wurde dieser Art von Gastronomie kaum Wertschätzung, geschweige denn Respekt entgegengebracht. Fälschlicherweise setzte man diese vermeintlich einfachere Küche mit minderer Leistung gleich. Doch das ist Quatsch, c’est une blague.
Das hat eine neue Generation von großartigen Küchenchefs mittlerweile und glücklicherweise auch eindrucksvoll demonstriert. Und zudem die Vorstellung demontiert, dass Können davon abhängig ist, wie viel glänzendes Silber auf ebenso glänzenden Damast-Tischdecken auf dem Tisch liegt. Wie viele Handgriffe man in unzählige kleine Gänge packen kann. Oder wie viel gehobelten Trüffel man auf einem Teller stapeln kann. Bedeutende Ereignisse hat es und wird es weiterhin in den großen Küchen der Welt und deren fein dekorierten Gästeräumen geben. Aber die kleinen, feinen Glücksmomente des Alltags, die sind den Brasserien vorbehalten.
KRACHENDER BLÄTTERTEIG UND SEUFZENDE KORKEN
Beim französischen Savoir-vivre würde dem Otto Normalpreußen ein bisschen Nachhilfe guttun. In Paris gehen die Menschen nicht nur zum Essen und Trinken außer Haus. Das Zusammensein mit Freunden, Familie und Kollegen findet auf der Straße statt, nicht wie in Deutschland hinter verschlossenen Türen. In den kleinen Gassen, an den großen Boulevards. Am Tresen, am Stehtisch oder in den zuweilen recht beengten Buden auch quasi auf dem Schoß des Tischnachbarn. Lebenslust trifft auf Genussbegierde.
Atmosphäre und Anti-Snob: In München kann es auch leger zugehen, wie wir im Glockenbachviertel zeigen.
Eine Lebenseinstellung, die sich auch in der Handwerkskunst von Metzgern, Bäckern, Patissiers und Winzern zeigt – und ihren Höhepunkt auf den Tischen der Brasserie Colette findet. Ein herrlich verschwenderisches Ensemble aus dem Duft von frischen Kräutern und Gewürzen, hausgemachten oder handwerklich erzeugten Lebensmitteln wie Pasteten und Terrinen, Schinken, Wurst und Käse. Leuchtende Farben von Obst und Gemüse. Das Krachen von splitterndem Blätterteig und das sanfte Seufzen einer sich öffnenden Champagnerflasche.
Wir erschaffen inmitten von Mosaikböden, Vintage-Brasseriestühlen und antiken Spiegeln, auf quadratischen Marmortischen und unter historischen Bahnhofslampen eine Geschmackswelt, in der sich jeder zu Hause fühlen kann: wohlig umschmeichelnd, mit Ecken und Kanten, mal süß, mal sauer. Zu trinken gibt es immer eine von Herzen kuratierte Bandbreite im Wechsel von Altbekanntem und neu Entdecktem. Alles immer in hoher Qualität und von der Jahrgangssardine bis zur Lammschulter oder der Artischocke à la Barigoule mit meinem typischen, exaltierten Aromenspiel. Wir sind nicht der Kunst, sondern dem Gusto und dem Genuss verpflichtet. Egal ob in München, Berlin oder Konstanz.
Mit „wir“ meine ich Steve Karlsch und Dominik Obermeier. Beide jahrelange Weggefährten und Mitstreiter, die sich in der Küche des Restaurant Tim Raue kennengelernt haben und nach einigen Wanderjahren in der besternten Weltgeschichte für die Brasserie Colette wieder zueinander gefunden haben. Steve, kulinarischer Direktor der Tertianum Premium Residenzen, war von Anfang an in die Konzeption der Colettes miteinbezogen. Seit 2005 arbeiten wir bereits zusammen und verstehen uns kulinarisch extrem gut. Er hat einen reduzierten eleganten Stil, der aromatisch vielschichtig und von der gewissen Finesse geprägt ist. Dominik hingegen, der Colette-Küchenchef, ist ein Koch mit Leib und Seele, der saftige, schlotzige Gerichte schätzt, die voller Tiefe und Fülle sind. Beides in Kombination, das ist Brasserie par excellence. Und die leben wir in unserem kleinen, ganz persönlichen Stück Paris … auf der Zunge, im Auge und im Herzen.