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VON DEN FRANZOSEN UND MEINER FREUDE AN KULINARISCHEN OBSZÖNITÄTEN

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Die kulinarische französische Lebensart hat mich zu Beginn meiner Karriere enorm geprägt. Als auszubildender Koch in Deutschland lernt man die Fachtermini auf Französisch: vom Saucier, der die Saucen kocht, dem Gardemanger, der für kalte Gerichte und Vorspeisen zuständig ist, bis zum Poissionier, der Fische und Meeresgetier zubereitet. Zudem waren die großen Meister der 80er-Jahre und 90er-Jahre Franzosen und hatten so eindrucksvolle Namen wie Joël Robuchon, Alain Ducasse, Olivier Roellinger, Pierre Gagnaire und der Michelin mit seinen Sternen erleuchtete Frankreich taghell.

Ich pilgerte oftmals nach Paris und ins ländliche Frankreich, um bei den besten Grandseigneurs zu essen. Vor allem deren Liebe zu den besten Lebensmitteln faszinierte mich, es gab riesige Steinbutte mit mehr als 14 Kilogramm Gewicht, Seezungen die zwei Kilogramm schwer waren, und prächtig leuchtende Hummer. Doch auch die effektvolle Zubereitung und Zuneigung zu simplem und hervorragendem Gemüse wie Poveraden, Chicorée und Tomaten traf mich direkt in mein kulinarisches Herz. Erst mit Jahrzehnte dauernder Verspätung kam diese Selbstverständlichkeit in Deutschland an.

Damals war es allerdings auch so, dass vor den besten Restaurants in Frankreich eher Mittelklassewagen standen, manchmal auch echte Klapperkisten, aber drinnen bei Tisch wurde geschlemmt und gefeiert. Umgekehrt in Deutschland: Da parkten Luxusschlitten vor den Restaurants und innen herrschte bornierte Habacht-Attitüde mit gedämpfter Stille, in den Gläsern schlichte Weine und Mittelklasse-Lebensmittel auf den Tellern.

Eher beiläufig nahm ich bei den Frankreichreisen die Bistros und Brasserien wahr, in denen eine für deutsche Verhältnisse schon fast vulgäre Fressstimmung zelebriert wurde. Da war es laut und lebendig, es gab große Portionen geschmortes Fleisch, riesige Scheiben saftiger Terrinen und Wein wurde schon fast in obszönen Mengen konsumiert. Ich mochte das Ambiente sofort und hatte das Gefühl, dass diese Form der Gastronomie, die für einen täglichen Besuch konzipiert ist, irgendwann für mich noch mal relevant wird.

Es sollte aber noch lange dauern, bis ich mich als Gastronom in diese Gefilde wagte. Heute bin ich sehr stolz, dass ich in den drei Dependancen der Brasserie Colette genau das für unsere Gäste erlebbar machen darf, was mich bereits damals schon begeistert hat.

Dominik Obermeier ist ein wunderbarer Küchenchef für die Colettes. Er kocht mit einer Freude an Butter, Sahne und Saftigem, die man seinem Grinsen direkt ansieht, wenn er eine neue Kreation vorstellt, die wieder voller Wonne und Tiefe ist. Er ist so gut, weil er lange in der Sternegastronomie gekocht hat und dies auch heute locker und sofort abrufen kann, ihm aber die Brasserie-Küche und das Konzept der Bistronomie so unendlich viel mehr Spaß macht. Er möchte selbst genau so essen, wie er für die Gäste kocht. Und das mit Bravour.

Steve Karlsch, der kulinarische Direktor meiner Brasserien, und ich verbringen jetzt schon mehr als 14 Jahre zusammen. Steve fing als Chef Gardemanger bei mir im Swissôtel an und hat sich über die Jahre zum Küchenchef des Restaurant Tim Raue hochgearbeitet. Mit ihm haben wir Dutzende Auszeichnungen, Michelin-Sterne, Gault-Millau-Punkte und alles andere erkocht, bevor er eigene Pfade einschlug, die ihm als Küchenchef viele Meriten einbrachten. Seine Entwicklung zum kulinarischen Direktor der drei Colettes ist bemerkenswert und er zeigt sein Können als Gastronom. Steves Einfluss auf die Küche der Brasserie sieht und schmeckt man in und durch die Verwendung von Gewürzen und Aromen aus aller Welt. Er ist ein stetiger Neugieriger, einer, der immer sucht und dabei eine Eleganz und Schlichtheit in seiner Kreation findet, die beeindruckt.

Wenn Dominik mit beiden Händen zulangt, dann ist Steve der mit dem feinen Taktstock. Dieses ungehörig amüsante Zusammenspiel der beiden mit meinem Faible für Säure, Süße und Schärfe im Kontext der modernen Brasserie-Küche machen das Colette zu einem Wohlfühlort. Es ist das Restaurant, in das man jeden Tag gehen kann und das man zufrieden sein Bäuchlein streichelnd wieder verlässt. Dieses Gefühl möchte ich mit diesem Buch vermitteln und Sie zu meiner persönlichen Reise in mein kulinarisches Frankreich mitnehmen.


Tim Raue - Rezepte aus der Brasserie

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