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11.


Die beiden Männer betrachteten sich nicht gerade freundlich. In der abgetrennten Sitzecke des zweitklassigen Lokals herrschte eine schummerige Atmosphäre.

Einer der Männer war groß und breit. Er hatte die Figur eines Catchers. Sein Haar trug er kurzgeschnitten, und in seiner Pranke verschwand das Bierglas fast gänzlich. Sein Deutsch hatte einen fremdartigen und harten Akzent, auch wenn er die Sprache gut beherrschte.

Der andere war ebenso wie der Riese etwa vierzig Jahre alt, allerdings wesentlich kleiner und schlanker. Beide Männer hatten die Kragen ihrer Mäntel hochgeklappt, und beide trugen sie große Sonnenbrillen, die die Augenpartien verdeckten. Es sah aus, als ob sich zwei Verschwörer trafen, und das war auch die Wahrheit.

»Warum haben Sie dieses Treffen veranlasst? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass die Sache nicht geklappt hat«, sagte der Kleinere, nachdem er einen großen Schluck Bier genommen hatte.

»Damit bin ich nicht zufrieden«, grollte der andere. »Wir haben einen Vertrag geschlossen, und Sie haben ihn nicht erfüllt. Vergessen Sie nicht, dass Sie schon eine Vorauszahlung erhalten haben.«

»Das ist richtig, aber Sie dürfen die Schwierigkeiten nicht verkennen. Ich hatte gehofft, dass meine Leute die Stahltür ohne weiteres knacken, nachdem ich sie mit einem Nachschlüssel für die Eingangstür des Gebäudes ausgestattet habe.«

»War es nicht möglich, ihnen auch einen Nachschlüssel für die Panzertür zu besorgen?«, unterbrach der Riese.

Der Kleine schüttelte den Kopf.

»Das schien mir zu gefährlich. Die Herkunft dieser Schlüssel ist leicht festzustellen. Ich hatte angenommen, dass die sogenannten Profis die Tür auch ohne eine solche Hilfe aufkriegen. Das wäre auch geschehen, wenn nicht einer der Wächter sie gestört hätte. Sie haben ihn erschossen und sind abgehauen.«

»Ja, ich weiß«, sagte der Große unwirsch. »Aber die Geschichte kann wiederholt werden. Niemand wird glauben, dass es so schnell einen neuen Versuch geben wird. Ich brauche die Unterlagen, und ich bin bereit, den vereinbarten Preis dafür zu bezahlen.« Er grinste hässlich. »Und ich glaube, dass Sie das Geld brauchen, das Sie von mir kriegen.«

Der Kleinere biss die Zähne zusammen.

»Also gut, ich werde einen zweiten Versuch starten lassen. Unsere Vereinbarungen bleiben wie sie bisher waren. Außerdem hoffe ich, dass dies unser letztes Treffen war. Es ist viel zu gefährlich. Sie wissen, dass ich nicht mit Ihnen gesehen werden darf.«

Der Große winkte ab. »Niemand weiß, wer ich bin, und niemand wird mich mit Ihnen in Verbindung bringen. Wenn alles klappt, brauchen wir uns auch nicht mehr zu sehen. Ihre Leute bringen mir die Ware zum verabredeten Treffpunkt, und alles ist vorbei. Auf keinen von uns wird der Schatten eines Verdachtes fallen.«

»Da wäre noch etwas.«

»Ja?«

»Es gibt einen Privatdetektiv, der beauftragt wurde, dafür zu sorgen, dass es keinen zweiten Versuch geben wird, in die Firma einzubrechen. Er ist dabei, die Personalakten zu prüfen.«

»Ein Privatdetektiv«, sagte der Große mit der gutturalen Stimme gedehnt. »Wenn er gefährlich wird, muss man ihn ausschalten. Unser Projekt ist zu wichtig, als dass wir es von einem Schnüffler gefährden lassen können. Was weiß er denn bisher?«

Der Kleine zuckte die Achseln.

»Ich habe keine Ahnung. Ich nehme an, dass er zunächst allgemeine Informationen einholt, um sich ein Bild über das Ganze zu machen. Ich weiß nicht, wie Privatdetektive arbeiten, aber dieser soll ein ziemlich guter sein.«

»Wie ist sein Name?«

»Bernd Schuster. Er macht einen ruhigen, zuverlässigen Eindruck.«

»Haben Sie ihn gesehen?«

»Natürlich.«

»Dann sorgen Sie dafür, dass er von der Bildfläche verschwindet, wenn er Schwierigkeiten machen sollte. In dieser Phase muss alles glatt gehen. Ich werde nicht zulassen, dass ein kleiner Plattfuß uns das Geschäft vermasselt. Denken Sie daran!«

Der Kleine sank in sich zusammen.

»Ich kann ihn doch nicht umbringen!«

»Es hat schon einen Toten gegeben. Oder haben Sie den Wächter vergessen? Also kommt es auf einen weiteren auch nicht mehr an. Außerdem brauchen Sie ihn nicht selbst zu erledigen. Zahlen Sie Ihren Leuten eine Extraprämie, und sie werden ihn umbringen.

Man kann es doch wie einen Unfall aussehen lassen! Derzeit ist derartig viel Gewalt in Berlin auf den Straßen, da kann es schon mal zu einem tödlichen Unfall kommen.«

»Wenn es noch einen Mord gibt, wird das ganze BKA über Romanns Electronics herfallen. Sie wissen doch, dass man dort ein besonderes Auge auf das Unternehmen hat. Auch das Verteidigungsministerium ist in Sorge, dass es irgendwo ein Leck gibt. Dieser Gerhard Schröder, der Verteidigungsminister, ist ein scharfer Hund. Der will Karriere machen und wird nicht zulassen, dass es irgendeine Schlamperei im Zusammenhang mit der Bundeswehr gibt, von der er nichts erfährt. Wir müssen vorsichtig sein.«

»Notfalls braucht der Schnüffler doch nur für ein, zwei Tage aus dem Verkehr gezogen werden. Bereiten Sie die Sache vor, dass der Einbruch problemlos über die Bühne geht, und sorgen Sie dafür, dass Ihre Leute sich um den Detektiv kümmern.«

Der kleinere Mann hob den Kopf.

»Ich bin nicht sicher, ob sich das Ganze überhaupt noch lohnt. Schließlich verrate ich mein Land. Das habe ich am Anfang nicht gewollt.«

Der Große grinste und zeigte dabei ein prächtiges Gebiss.

»Das ist Ihnen auch jetzt noch gleichgültig. Aber Sie haben sich getäuscht, wenn Sie denken, dass Sie jetzt mehr Geld herausschlagen können. Unser ursprüngliches Abkommen gilt noch immer, und ich rate Ihnen gut, sich daran zu halten. Sonst könnte es sein, dass Ihnen selbst etwas zustößt.«

Der kleinere Mann wurde blass.

»Sie haben mir nie gesagt, dass Sie für eine fremde Macht arbeiten. Das habe ich erst später herausgefunden.«

Der andere lachte auf. »Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr. Sie haben sich etwas vorgemacht. Ich kenne solche Typen wie Sie, denn ich habe ähnliche Dinge schon oft erledigt. Sie würden Ihre eigene Großmutter verkaufen, wenn die Kasse stimmt. Kommen Sie mir nicht damit, dass Sie plötzlich Bedenken bekommen haben. Sie werden damit den Preis nicht hochtreiben. Ich habe eine ziemliche Langmut, aber ich kann auch unangenehm werden, wenn Sie Schwierigkeiten machen.«

»Ich könnte Sie anzeigen.«

Der Große wurde schlagartig ernst. »Das würde ich Ihnen nicht raten. Sehen Sie her.« Er klappte seinen Mantel zur Seite. Unter der rechten Achsel wurde der Kolben einer schweren Pistole sichtbar. »Es würde Ihr Todesurteil bedeuten. Sie sollten solche Gedanken in Zukunft lieber nicht mehr haben.«

Der kleinere Mann nickte ergeben.

»Also schön, Sie haben gewonnen. Ich werde mich an die ursprünglichen Abmachungen halten. Sie werden die Unterlagen bekommen.«

»Sie sind sehr vernünftig.« Der Große klappte seinen Mantel wieder zu. »Und vergessen Sie den Schnüffler nicht.«

Dann stand er auf und wandte sich zum Gehen. »Ich höre wieder von Ihnen. Sie wissen, wann und wo Sie mich erreichen können. Seien Sie so freundlich und übernehmen Sie die Rechnung.«

Der kleinere Mann saß noch lange da und starrte auf den leeren Platz. Er wusste ganz genau, worauf er sich eingelassen hatte, und er war bei weitem nicht so unsicher, wie er sich eben seinem Gesprächspartner gegenüber gegeben hatte. Auch er spielte sein Spiel, und er war überzeugt davon, es auch zu gewinnen.

Natürlich wusste er ganz genau, dass der andere Agent eines fremden Landes war. Es handelte sich um ein Ostblockland, auch wenn man nicht wusste, welches. Manchmal schickten die Russen auch ihre Verbündeten vor. Es war im Grunde auch gleichgültig.

Auf jeden Fall war er entschlossen, die Geheimnisse nicht in fremde Hände gelangen zu lassen. Nicht, weil er trotz allem ein Patriot war, sondern aus persönlicher Sicherheit. Er wollte das Geld haben und sie dann hochgehen lassen. Dann würde er am Schluss noch als Retter dastehen. Niemand würde ihn verdächtigen, der eigentliche Drahtzieher zu sein. Er konnte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Natürlich gab es noch ein paar Probleme. Die beiden Gangster waren nicht so wichtig. Sie kannten ihn nicht. Ihre Verbindung war so abgesichert, dass sie ihn nicht identifizieren konnten. Anders war es bei seinem Gesprächspartner von der anderen Seite. Er musste in jedem Falle beseitigt werden. Das wäre eine Aufgabe für die beiden Gangster. Er musste über diese Geschichte noch weiter nachdenken. Alles musste hieb- und stichfest sein. Fehler durfte er sich nicht erlauben.

Immerhin konnte er dann seine Finanzprobleme vergessen. Und niemand würde einen Verdacht gegen ihn haben. Es war alles gut überlegt. Wenn die beiden Gangster den Russen oder was immer er war, beseitigten, konnte man sie anschließend damit hochgehen lassen. Dann wäre auch dieses Problem erledigt.

Nur über den Privatschnüffler musste er sich noch ein paar Gedanken machen. Er glaubte zwar nicht, dass dieser Schuster irgendetwas herausfinden könnte, aber sicher blieb sicher. Vielleicht war es doch am besten, der Anregung zu folgen und ihn auszuschalten.

Er würde mit den Gangstern reden. Sicher würden sie ein Zusatzhonorar verlangen, aber damit konnte er sie noch ein bisschen vertrösten. Ja, es war eigentlich alles geregelt. Am Schluss würde er der lachende Dritte sein.

Der kleine Mann bezahlte und ging in die Nacht hinaus. Auf seinem Gesicht lag immer noch ein triumphierendes Lächeln.

Berlin 1968 I. Bitternis - Drei Romane in einem Band

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