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15.


Die beiden Männer in ihren dunkelblauen Overalls passten gut in die Landschaft. Die Nacht verschluckte sie.

Freddy stieß Skotty an.

»Es ist Zeit. Wir müssen die Kamera am Tor ausschalten.«

»Sollen wir den gleichen Trick nicht noch einmal versuchen? Einfach ein bisschen zur Seite drehen?«

»Nein«, flüsterte Freddy. »Das ist mir zu riskant. Die Wachen werden die Bildschirme scharf im Auge behalten. Es fällt auf, wenn das Bild zu wandern beginnt. Wir machen den Trick mit dem technischen Defekt.«

Skotty nickte und robbte sich weiter vor. Es gab einen toten Winkel, in dem man sich der Kamera nähern konnte. Die Konstrukteure hatten das in Kauf genommen, weil aus dieser Position heraus ein unsichtbares Überklettern des Tores nicht möglich war.

Trotzdem war hier die sicherste Gelegenheit. Das ganze übrige Gelände war mit Sensoren bestückt, die jede Annäherung an die Sicherheitszentrale gemeldet hätten.

Skotty richtete sich auf und holte ein Werkzeug aus einer seiner zahlreichen Taschen. Er machte sich ein paar Sekunden am Gehäuse der Kamera zu schaffen, dann griff er ins Innere und nickte Freddy zu.

Der sprang sofort hoch und war wie der Blitz über dem Tor. Kaum war er drüben, ließ Skotty die Kamera los. Wenn der Wachhabende in diesem Augenblick auf die Schirme sah, hätte er bei einem nur eine kurze Bildstörung bemerkt, die aber gleich wieder dasselbe Bild zeigte. Es war eben eine kleine technische Störung, wie sie häufiger vorkam. Niemand würde Verdacht schöpfen.

Freddy machte sich fertig. Dieser Versuch war schwieriger. Die nächste Störung würde zwangsläufig länger dauern.

Er setzte die Kamera außer Betrieb, schwang seinen Beutel mit dem Werkzeug über das Tor und sprang hinterher.

Vier Sekunden.

Von der anderen Seite drückte er den gelösten Draht wieder an den Kontakt, und auf dem Monitor würde jetzt wieder ein gutes Bild zu sehen sein. Unberechenbar war nur, wie der Wächter reagierte, nachdem er die zweite, längere Störung bemerkt hatte. Wenn er sie überhaupt gesehen hatte!

Die beiden nickten sich zu und rannten ohne weiteren Aufenthalt über das Gelände. Hier gab es keine zusätzlichen Sicherheitseinrichtungen. Außer Atem erreichten sie das Hauptgebäude.

Alle Fenster lagen im Dunkel. Einige Lampen beleuchteten die Höfe zwischen den Werkshallen, und auch an den Ecken der Gebäude waren häufig starke Lampen angebracht.

Sie kümmerten sich nicht weiter darum, sondern öffneten die Tür des Hauptgebäudes. Hier lag die Sicherheitszentrale und hier lag auch ihr Ziel. Die Konstruktionsabteilung hinter der Panzertür!

Vorsichtig schlossen sie hinter sich wieder ab und lauschten. Kein Geräusch drang an ihre Ohren. Aus dem Tiefgeschoß hörte man nur ein leichtes Summen. Irgendwelche Aggregate.

Lautlos bewegten sie sich die Treppe hoch, immer wieder Pausen einlegend. Sie wussten, dass sie Zeit hatten. Und sie wollten keinen Fehler begehen. Dieser Versuch musste klappen.

Sie erreichten das Stockwerk, in dem die Sicherheitszentrale lag. Hier befand sich auf jeden Fall ein Posten. Inmitten der Monitore.

Das Licht, das aus dem Kontrollraum drang, zeigte ihnen den Weg. Es wirkte bläulich, und das kam von den Monitoren.

Sie zogen ihre Waffen, die mit den aufgeschraubten Schalldämpfern sehr plump wirkten. Die Zielgenauigkeit wurde natürlich eingeschränkt, aber sie hatten sowieso vor, nur auf kurze Entfernung zu feuern.

Skotty erreichte den Kontrollraum als erster. Die Tür war angelehnt. Er kauerte sich hin und versuchte durch den Spalt zu spähen. Auf dem Tisch in seinem Blickfeld lag nur eine dunkle Schirmmütze, wie sie gern von den Männern der Wach- und Schließgesellschaft getragen wurde. Der Mann, dem sie gehörte, war nicht zu sehen.

Außerdem konnte er auf einige der Monitore blicken, die verschiedene Ausschnitte des Geländes und der Gebäude zeigten.

Skotty drückte die Tür vorsichtig weiter auf. Der Raum schien leer zu sein. Das war nicht in Ordnung. Der Wachhabende musste hier sein! Das war Vorschrift. Skotty roch die Gefahr förmlich.

Er musste hinein, wenn er es genau wissen wollte. Skotty spannte seinen Körper an, als rechnete er damit, dass jeden Augenblick eine Kugel von irgendwoher einschlagen könnte. Er drehte kurz den Kopf, und Freddy machte ein beruhigendes Zeichen. Sie waren ein eingespieltes Team und konnten sich aufeinander verlassen.

Skotty hielt den Atem an und stürzte in den Raum. Er ging sofort in die Knie und schwenkte den Pistole im Beidhandanschlag im Halbkreis. Kein Ziel zeigte sich. Er war verwirrt.

Er richtete sich wieder auf und blickte zur Tür.

»Waffe fallen lassen!«

Die Stimme klang schneidend.

Skotty rührte sich nicht. Er hatte gewusst, dass heute etwas schiefgehen musste. Adrenalin wurde in seine Adern gepumpt. Äußerlich blieb er völlig ruhig. Es kam darauf an, wer die besseren Nerven besaß.

Langsam drehte er den Kopf. Die Waffe zeigte halb zum Boden, aber er ließ sie nicht fallen.

Hinter einem Metallschrank hatte sich ein Mann versteckt. Er trug eine uniformähnliche Kombination. Skotty kannte sie. Er hatte schon einen Mann getötet, der eine solche Uniform trug.

Skotty konnte das Namensschild auf der linken Brustseite lesen. Klein. Es war schon ein älterer Mann. Allerdings zitterte die Hand mit der Dienstwaffe keinen Millimeter.

»Waffe weg!«, wiederholte der Wächter.

Skotty lächelte, trat einen Schritt vor und legte den Pistole auf den Tisch, wo die Mütze lag.

Klein folgte seiner Bewegung mit einer Körperdrehung, und das war sein Fehler.

Freddy stand im Rahmen der Tür und schoss sofort. Skotty ließ sich fallen.

Die Einschläge der Geschosse warfen Klein gegen die Wand. Seine eigene Waffe polterte zu Boden. Er seufzte und rutschte an den Monitoren entlang. Unter den flimmernden Bildschirmen blieb er liegen.

Skotty nahm seine Waffe, ging zu Klein hinüber und drehte ihn auf den Rücken.

»Erledigt«, sagte er kühl.

Freddy nickte. »Er muss uns auf dem Gang gehört haben. Das war knapp, aber wir haben es geschafft.«

Er ließ einen prüfenden Blick über die Bildschirme gleiten. Nichts rührte sich. Es gab keinen Alarm. Klein hatte wohl gehofft, den Eindringling mit seiner Überraschungstaktik stellen zu können. Diesen Irrtum hatte er nun mit dem Leben bezahlt.

»An die Arbeit«, meinte Freddy. »Der schwierigste Teil kommt noch.«

Skotty grinste und zog den Schlüssel heraus, den sie von ihrem Auftraggeber erhalten hatten. »Damit werden wir uns die Sache etwas einfacher machen. Also los.«

Sie eilten den Gang hinunter, bis sie die Konstruktionsabteilung nach einigen Ecken erreichten. Skotty hielt sich nicht lange mit einer Betrachtung der gepanzerten Tür auf, sondern schob den Schlüssel in das Spezialschloss und drehte ihn herum.

Zunächst geschah gar nichts, und die beiden sahen sich verblüfft an. Aber dann wurde der Mechanismus in Gang gesetzt.

Im Inneren der Tür klickten irgendwelche Hebel, ein Elektromotor summte, dann sprang die Tür einen Spalt auf. Skotty zog daran, und sie blickten in den dahinterliegenden dunklen Raum. Fast gleichzeitig blitzten ihre Taschenlampen auf und rissen breite Lichtbahnen aus der Dunkelheit.

»Gehen wir hinein«, sagte Freddy heiser.

Sie nahmen ihre Sachen auf und betraten die geheimste Abteilung von Romann Electronics. Wenn das Minister Schröder im Verteidigungsministerium gesehen hätte, würde er auf der Stelle einen Schlaganfall erleiden.

Es gab hinter der Tür nicht nur einen Raum, sondern eine ganze Flucht von Räumen. Etwa ein Drittel des Stockwerkes wurde von der Konstruktionsabteilung eingenommen. Die beiden Einbrecher wussten jedoch genau, wo sie zu suchen hatten. Das hatte ihr Auftraggeber ihnen mitgeteilt.

Ihr Ziel lag fast am Ende des Stockwerks. Ein kleinerer Raum, in dem eine Reihe Zeichenbretter standen. Eine andere Wand wurde von klobigen Computern eingenommen, und an der Schmalseite befand sich ein altertümlicher Tresor von Mannshöhe.

Skotty grinste, als er das Ding sah. »Der müsste eigentlich mit dem Dosenöffner zu knacken sein.«

Freddy ließ seinen Blick über die aufgeräumten Zeichenbretter und die ausgeschalteten Bildschirme gleiten. »Der stammt noch aus der Zeit der Firmengründung, aber man hat kein moderneres Modell angeschafft, weil man sich durch die Panzertür genügend gesichert glaubte.«

Er grinste. »Das war jedoch ein Irrtum.«

Skotty wühlte in seinen Werkzeugen und machte sich an die Arbeit. Der Tresor besaß ein einfaches Zahlenschloss. Skotty drückte ein kleines Gerät mit einem Anzeigeninstrument auf der Vorderseite gegen die Mitte des Tresors. Er schaltete einen Hebel ein, und der Zeiger bewegte sich ein Stück.

Freddy beobachtete seinen Kumpel, der ihm die Verfahrensweise erklärte.

»Früher nahm man ein Stethoskop, wie es die Ärzte haben, um die richtigen Zahlen herauszufinden. Aber man musste ein verdammt gutes Gehör haben, um das winzige Knacken mitzukriegen, wenn die richtige Zahl gewählt wurde. Heute gibt es elektronische Spielzeuge, die wesentlich präziser sind. Außerdem natürlich schneller. Es wird nicht lange dauern. Wir dürfen nur möglichst keine Geräusche machen.«

Er begann langsam am Einsteilrad der Zahlenkombination zu drehen. Plötzlich schlug der Zeiger weit aus, und Skotty nickte befriedigt. »Die erste hätten wir.«

Nach zehn Minuten war die Kombination ermittelt. Skotty stellte die richtige Zahlenfolge ein, und drehte am Speichenrad, um die Tür zu öffnen. Sie schwang völlig lautlos auf.

Die Fächer im Inneren waren vollgestopft mit Unterlagen. Freddy griff hinein und zerrte Aktenmappen, Rollen mit Zeichnungen, Diakästen und Computerbänder heraus.

»Sollen wir das etwa alles mitschleppen?«, fragte Skotty entsetzt.

Freddy schüttelte den Kopf. »Nein, nur die Dinge, auf denen das Zeichen XR 33 zu sehen ist. Das ist das Projekt, an dem unser Auftraggeber interessiert ist.«

Konzentriert sahen sie alles durch und legten die in Frage kommenden Dinge auf einen Haufen.

»Das wär’s«, sagte Freddy schließlich. »Ich glaube, wir haben alles.«

Skotty nickte, und sie packten alles in den Beutel zu den Werkzeugen. Es wurde ein ziemlich voluminöses Paket. Sie sahen sich kurz an, dann schwang die Tresortür wieder zu, und sie eilten zum Ausgang.

»Nein, wir lassen die Tür geöffnet«, sagte Freddy scharf, als Skotty die Panzertür hinter sich ins Schloss ziehen wollte. »Sie sollen gleich merken, dass ein Einbruch stattgefunden hat. Unser Auftraggeber bestand darauf.«

Problemlos erreichten sie das Tor. Überall brannten die Lampen beruhigend, es gab keinen Alarm.

»Der Schlüssel!«, zischte Freddy.

Skotty nickte und schob ihn in das Gehäuse der Kamera. Diesmal kletterten sie ohne Vorsichtsmaßnahme über das Tor, denn es gab niemanden, der die Monitore beobachtete...

Berlin 1968 I. Bitternis - Drei Romane in einem Band

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