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Der Kreislauf der Natur

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Die Welt ist wie ein Friedhofsgarten. Nicht weil die Hinterbliebenen die vielen Gräber, die auf der Welt angelegt sind, mit Blumen bepflanzen. Der Friedhof bringt von sich aus Blumen hervor, weil der Erdboden sehr fruchtbar ist. Er wird von den unzähligen Würmern und Milben und Bakterien urbar gehalten, weil sie sich an unserem Leichnam laben. Der Regen und die Sonne tun auch ihr Bestes. Wichtige und für die Erde nahrhafte Säfte und Mineralien durchdringen den Boden, und das Wasser lässt neue Blumen, frisches Gras wachsen.

Man lebt um zu sterben, und man stirbt, damit andere leben. Wir sprechen hier nicht metaphorisch. Der Schlaf, der Winterschlaf der Flora und Fauna sind nicht der Tod, es können Bilder für den Tod sein. So sind das Aufwachen, der Frühling, der Sonnenaufgang Bilder für neues Leben. Der Tod ist irreversibel: Die Materie verwest, und der Baum, das Tier und der Mensch sind nicht mehr. Neues Leben ist eine neue Geburt, ein neues Blatt, ein neuer Spross, eine neue Pflanze.

Man muss aber nicht vorschnell sein. Denn mit dieser Definition von Tod und Leben setzt man schon unumkehrbare Voraussetzungen. Stirbt wirklich alles, wenn die Materie – etwa der Körper eines Menschen – nicht mehr lebt und sein Leichnam verwest? Und gibt es keine Abstufungen zwischen dem Wiederaufwachen der Natur und dem neuen Leben?

Wir bleiben zuerst noch ganz beim beobachtbaren irdischen Phänomen. Da wissen wir, was Tod und neues Leben ist. Wir erfahren den Baustoff aller Dinge auf Erden: die Materie können wir betasten und anschauen, kosten und riechen. Und wir erfahren, dass die Materie eine Zeitlang mit Energie geladen ist und dass sie welkt und verwest, wenn die Energie ihr nicht mehr innewohnt. Und wir beobachten und erfahren am eigenen Leib, dass wir geboren werden und leben, indem wir das ›Fleisch‹, den Körper, die Materie anderer Wesen übernehmen und assimilieren, und dass wir selbst, wann wir auch immer sterben, Futter für andere Lebewesen und Baustoff für neues Leben sind.

Das Leben stirbt, und aus dem Tod erwacht neues Leben.

Eine erste Antwort auf die Frage, wo wir nach dem Tod hinkommen, ist also bereits gefunden: entweder werden unsere ›sterblichen Reste‹ in der Erde bestattet oder ins Meer geworfen, oder unsere Asche wird verstreut. Danach werden wir Nahrung für andere Tiere und geben die Mineralien unseres Körpers der Mutter Erde als Dünger zurück, auf dass neues Leben sprießen kann, vielleicht eine Blume, vielleicht ein Tier, vielleicht wieder ein Mensch. Der Kreislauf der Natur kreist um sich und die Natur stirbt und erneuert sich immer wieder.

Bei dieser Antwort geht der Sinn der Vergänglichkeit nicht nur der Blumen und des Grases, sondern auch der Vergänglichkeit des Menschen vollends auf. Es bedeutet nicht nur, dass der Mensch sterblich ist, sondern dass er heute da ist und morgen nicht mehr. Vergänglich bedeutet, dass der Mensch vergeht, dass er also in einem ganz radikalen Sinn ›geht‹. Der Mensch ist von der Kontingenz allen Seins mit erfasst. Und zwar nicht ›der Mensch‹, sondern ich und du und wir.

Der einzelne Mensch ist augenscheinlich vergänglich, kontingent, nicht notwendig. Das müssten wir oft am Tag wiederholen, weil wir gern zur Selbstüberschätzung neigen.

Ist nur das Individuum, der einzelne Mensch, vergänglich und nicht notwendig? Ist die Menschheit insgesamt dagegen eventuell nicht vergänglich, ist sie notwendig für die Erde und das Universum? Bereits die Logik erspart uns den Blick in die Geschichte und die Zukunft. Die Summe von nicht notwendigen Individuen ergibt keine logische Notwendigkeit von deren Gesamtheit, und was nicht logisch notwendig ist, ist auch existentiell nicht notwendig.

Aber auch die Geschichte sagt uns, dass die Erde und das Universum einige Jahrtausende oder Jahrmillionen ohne den Menschen ›glücklich‹ überlebt haben und dass nach dessen Erscheinen auf der Erdoberfläche nicht nur Positives zu beobachten gewesen ist. Man kann sich auch die Zukunft der Erde und des Universums ohne den Menschen vorstellen. Wenn die Lebensbedingungen auf der Erde nicht mehr gegeben sein werden, wird alles Leben vergehen, auch der Mensch, und die Erde wird wahrscheinlich zu einem Planeten wie Mars oder zu einer Eiskugel oder sie wird, wenn sie von einem schwarzen Loch im Universum verschluckt wird, zu einer kleinen Kugel, einem Tennisball nicht unähnlich. Und der Mensch wäre ›endgültig‹ vergangen und vom Universum verschluckt.

Ist das nur die erste Antwort, oder ist diese Antwort bereits auch die einzige und endgültige?

Nicht unbedingt. Denn der logische Schluss der Nicht-Notwendigkeit der Menschheit schließt den logischen Schluss ihres Endes nicht mit ein. Die Naturwissenschaft schließt die ›Ewigkeit‹ der Materie nicht aus, obwohl man ihre ›Brüchigkeit‹ experimentell kennt. Aber die Materie kann sich erneuern. Und so könnte es auch mit dem Menschen geschehen.

Noch nicht an dieser Stelle scheiden sich die Wege der materialistischen und der geistigen Interpretation der menschlichen Existenz, sondern erst dort, wo Geist und Materie als unterschiedliche Elemente des Menschen und der Welt verstanden werden.

Hier wollen wir zunächst und nur vorläufig von der Annahme ausgehen, dass die Welt und der Mensch nicht aus zwei Prinzipien bestehen, sondern aus einem einzigen, auch wenn dieses differenzierte Ausprägungen zeigt.

Auch hier sind beide Schlussfolgerungen möglich: Die Menschheit, der Kosmos, das Universum sind nicht notwendig, sie können aber ewig sein.

Viele Varianten sind möglich: Alles ist hinfällig und irgendwann existiert nichts mehr. Oder: Der Einzelne ist sterblich, die Gattung aber nicht. Oder: Auch die ganze Menschheit wird irgendwann nicht mehr existieren, aber der Kosmos wird weiterbestehen.

Wir sterben und wissen nicht wohin

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