Читать книгу Psychologie der Eigensicherung - Uwe Füllgrabe - Страница 23
2. Allgemeine und spezifische Faktoren der Survivability
ОглавлениеDie verschiedenen Klassifikationsmöglichkeiten von Gefahren zeigen auf, dass es spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten gibt, die zur Bewältigung dieser Gefahrenart notwendig sind, aber nicht für andere. Aber neben rein spezifischen Überlebensfaktoren gibt es auch solche, die grundsätzlich für das Überleben höchst unterschiedlicher Gefahren eine Rolle spielen. Siebert (1996) stellte beispielsweise fest, dass eine synergistische Persönlichkeit Gefahren besser bewältigen kann (s. a. Kap. 10), d. h. eine Persönlichkeitsstruktur, bei der weniger das ICH als vielmehr das Gesamtsystem im Mittelpunkt des Denkens steht. Diese ICH-Freiheit des Denkens bewirkt eine gelassene Wachsamkeit für das Unterscheiden zwischen harmlosen Dingen und Gefahren und ein ruhiges, sachorientiertes Handeln, gerade in Gefahrensituationen. Wie man diesen angstfreien Zustand erreichen kann, zeigte Jappy (2001) am Beispiel der Bombenentschärfer. Folgende Faktoren halfen ihnen, die Gefahr zu bewältigen: Sorgfalt, Präzision und ein Selbstvertrauen, das nicht aus Überheblichkeit, sondern aus der Einstellung stammt, Teil einer Gemeinschaft zu sein.
In einer Fernsehsendung („Feuer!“; Hessischer Rundfunk 26. 7. 1998) beschrieb ein amerikanischer Feuerwehrmann, wie er in einem Hotel durch eine gute Vorbereitung und besonnenes Handeln im Falle eines Brandes seine Überlebenschancen erhöhen kann. Er nimmt nur ein Hotelzimmer, das höchstens im 7. Stock und zur Straße liegt, weil die meisten Feuerwehrleitern nur bis zum 7. Stock reichen. Sobald er im Hotel angekommen ist, schaut er, ob es Sprinkleranlagen und Rauchmelder gibt, wo Feuerlöscher sind. Er erkundet den Fluchtweg, geht dazu im Hotel den Weg ab und zählt die Türen bis zum Ausgang (damit er sich auch bei Dunkelheit und Rauch schnell retten kann). Die Motivation für seine Vorsichtsmaßnahmen begründet er folgendermaßen: „Ich mache es für meine Sicherheit. Ich mache es noch mehr für meine Familie.“ Gerade dieser letzte Satz ist typisch für Personen mit synergistischer Persönlichkeit.
Das Beispiel dieses Feuerwehrmannes zeigt auch auf, dass der entscheidende Denkansatz der Überlebensfähigkeit lautet: Vorbereitet sein! Und dieser Denkansatz ist bei Personen mit hoher Survivability mit bestimmten psychologischen Faktoren verknüpft und wird in problemorientiertes Handeln umgesetzt.
Interessanterweise war es gerade Miyamoto Musashi (1584–1645), der bedeutendste japanische Schwertmeister, der in seinem Werk Das Buch der fünf Ringe die Bedeutung von Kooperation schilderte. Er sah das Endziel der Beschäftigung mit Kampfkünsten im Aufbau und sachgemäßem Regieren eines gerechten und gut funktionierenden Staates. Abgesehen vom Spezifischen über den Schwertkampf in seiner Schrift kann man bei Musashi viele Einsichten über das Überleben gefährlicher Situationen und die dazu notwendigen Persönlichkeitsstrukturen und Problemlösungsstrategien finden. Das Buch Psychologie der Eigensicherung stellt deshalb gewissermaßen eine wissenschaftliche Weiterführung der systemisch orientierten Gedanken Musashis hinsichtlich des Erkennens und Bewältigens gefährlicher Situationen dar.