Читать книгу Psychologie der Eigensicherung - Uwe Füllgrabe - Страница 39
2.1 Die Vernachlässigung von Sicherheitsstandards
ОглавлениеGefährlich wurde es für Polizisten, wenn Sicherheitsstandards nicht beachtet wurden. Ein Polizist wurde getötet, als er einen von drei Verdächtigen anwies, sich hinter ihn zu stellen, während er das Auto der Verdächtigen durchsuchte. Als der Polizist in das Auto schaute, ohne auf einen Kollegen als Sicherung zu warten, nahm der Verdächtige ihm die Schusswaffe aus dem Holster und tötete ihn (FBI, 1992).
Diese Fehler bei der Annäherung an den Täter sind also zumeist die gleichen wie bei der BKA-Studie (Sessar et al., 1980). Die häufigsten Muster bei deutschen Polizisten, die im Dienst getötet wurden:
• Der Polizist wartet nicht auf einen weiteren Kollegen als Sicherung – obwohl man einen angefordert hat, sondern
• geht z. T. ohne gezogene Waffe auf eine Person zu,
• von der er oft weiß oder annehmen kann, dass sie bewaffnet ist.
• Man achtet bei Tätern in Häusern oder Autos nicht auf deren Handbewegungen. Der Griff unter den Sitz eines Autos oder unter die Decke eines Bettes ist zumeist der Griff nach einer dort versteckten Waffe!
Die FBI-Studie (1992) wies spezifisch auf folgende Probleme hin:
Falsche Annäherung an Autos und Verdächtige
Sich sachgemäß einem vermutlich bewaffneten Verdächtigen zu nähern, kann lebensrettend sein. Das ist die Konsequenz aus folgenden Vorfällen:
In einem Fall gab der Polizist über Funk bekannt, dass er einen Verdächtigen sehe, der einem bewaffneten Bankräuber ähnelte. Er bat um Verstärkung. Bevor aber ein zweiter Polizist kam, näherte er sich dem Verdächtigen, dem wahrscheinlich bewaffneten Bankräuber. Der Mörder sagte später, dass der Polizist nicht die Kontrolle über ihn übernommen hätte. Er ignorierte den Befehl des Polizisten, seine Hände zu heben, drehte sich schließlich um und erschoss den Polizisten. Das Opfer hatte seine Waffe noch nicht einmal aus dem Holster genommen!
In einem zweiten Fall sollte der Polizist mehrere vermutete Einbrecher ermitteln. Er beobachtete zwei Verdächtige, die zwei Gewehre hatten und weggingen. Er näherte sich ihnen und verlangte ihre Waffen. Als sie sich weigerten, ihre Waffen niederzulegen, drehte der Polizist ihnen den Rücken zu, ging zu seinem Streifenwagen zurück und rief um Verstärkung. Nachdem er zu den Verdächtigen zurückkehrte, wurde er erschossen. Seine Waffe war noch immer in seinem Holster!
Annäherung an mehrere Verdächtige
Zum Zeitpunkt der Ermordung des Polizisten waren 14 der Mörder in der Begleitung von einer Person oder mehreren Personen. 11 dieser Mörder waren nicht die Zielperson des Polizisten, also diejenige, die für ihn auffällig war bzw. die er verdächtigte.
Es scheint, dass in vielen dieser Fälle der Polizist einen „Tunnelblick“ hat, d. h. dass er bei seiner Annäherung seine Aufmerksamkeit auf eine Person konzentriert und die anderen Personen in der Gruppe vernachlässigt oder ignoriert. Und gerade das bringt ihn leicht in Gefahr.
Ein Polizist hielt ein Auto an, in dem sich 3 Personen befanden. Er wollte den Fahrer wegen einer Verkehrsübertretung ansprechen, schenkte den anderen beiden Mitfahrern keinerlei Beachtung. Einer der Mitfahrer verließ das Auto, näherte sich dem Streifenwagen, in dem der Polizist saß, schoss auf ihn und tötete ihn.
In einem anderen Fall rief ein Ladenbesitzer die Polizei wegen Belästigung durch einen Mann. Dieser Mann wurde verhaftet. Seine Freundin ging zum Auto, nahm einen Revolver, ging zu dem Polizisten und verlangte die Freilassung ihres Freundes. Als dieser sich weigerte, den Verhafteten freizulassen, und versuchte, seinen eigenen Revolver zu ziehen, schoss die Frau auf ihn und tötete ihn.
Der Polizist sah die Dinge offenbar so: Die Frau hatte in dieser Situation keine gesetzesverletzende Handlung begangen und stellte für den Polizisten keine wahrnehmbare Gefahr dar. Deshalb ignorierte er sie völlig. Er berücksichtigte nicht, dass auch sie gefährlich werden könnte (FBI, 1992).