Читать книгу Eingriffsrecht Brandenburg - Viktor Nerlich - Страница 21
4. Doppelfunktionales Handeln der Polizei
ОглавлениеOftmals dient eine Maßnahme der Polizei sowohl der Abwehr bzw. Beseitigung einer Gefahr bzw. Störung als auch der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Beispiele hierfür sind die Sicherstellung von Drogen oder das Anhalten eines mit überhöhter Geschwindigkeit fahrenden Pkw. In beiden Fällen verfolgt die Polizei mit einer Maßnahme zwei Ziele: Zum einen wehrt sie Gefahren für die öffentliche Sicherheit ab, indem sie die verbotenen Rauschmittel durch Sicherstellung „aus dem Verkehr zieht“ bzw. die zu schnelle, insoweit also illegale Fahrt des Pkw stoppt. Zum anderen dienen die Maßnahmen der Verfolgung von Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten, indem die Drogen als Beweismittel beschlagnahmt bzw. der Pkw-Fahrer für Ermittlungsmaßnahmen angehalten wird. Überschneiden sich die polizeilichen Zielrichtungen, spricht man von Gemengelagen bzw. doppelfunktionalen Maßnahmen.56 Fraglich ist in solchen Fällen, welches Recht Anwendung findet bzw. welcher Maßnahme der Vorrang einzuräumen ist. Das ist schon aus Gründen des Rechtsschutzes erforderlich, denn Maßnahmen zur Gefahrenabwehr werden von den Verwaltungsgerichten, Maßnahmen zur Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfolgung von den ordentlichen Gerichten überprüft. Darüber hinaus unterliegen manche strafprozessuale Eingriffe strengeren Anforderungen; so dürfen bspw. die Personen- und die Sachdurchsuchung grundsätzlich nur vom Richter angeordnet werden (§ 105 Abs. 1 StPO), während die gefahrenabwehrende Durchsuchung von Personen und Sachen keiner richterlichen Mitwirkung bedarf. Für die Abgrenzung werden verschiedene Meinungen vertreten: Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass die Polizei wählen kann, worauf sie ihre Maßnahme stützt, wenn sowohl die polizeigesetzliche als auch die strafprozessuale Rechtsgrundlage einschlägig ist und die Polizei zumindest auch das jeweilige Ziel der angewandten Norm verfolgt.57 Demgegenüber wird wohl noch überwiegend vertreten, dass der Schwerpunkt der Maßnahme aufgrund einer objektiven Betrachtung des Gesamteindrucks entscheidend sei, wobei im Zweifel, insbesondere bei Gefahren für Leib oder Leben, der Gefahrenabwehr höheres Gewicht eingeräumt wird als der Strafverfolgung.58