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2 Leser gewinnen 2.1 Schreiben für andere Schreiben als Prozess – Frische Formulierungen finden – Texte überarbeiten

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Menschen aus den Wissenschaften verfügen über sehr viel Schreiberfahrung – ob mit Aufsätzen und Protokollen, Hausarbeiten und Projektanträgen, mit adressatengerechten E-Mails und Posts, Einladungen oder Kündigungen. Damit sind sie aber noch nicht allen Schreibaufgaben gewachsen. Das sind auch die nicht, die hauptberuflich schreiben. Selbst wenn denen Berichte oder Reden routiniert und eloquent gelingen, können die deswegen noch keine halbwegs akzeptable wissenschaftliche Arbeit verfassen.

Denn bevor wissenschaftliches Schreiben gelingt, muss man sich erst „mit den Formen, Strukturen und Konventionen der Wissenschaften vertraut“ machen, die oft eher historisch als logisch erklärbar seien, stellte der Schreibforscher Otto Kruse fest. Zugleich hat auch die Wissenschaft „ihre Folklore, ihre Dogmen und Obsessionen“. So gibt es „zwar immer noch Erzähl-, Metaphern- und Ich-Tabus“, die jedoch „gerade in Research Reports wenig oder kaum beachtet werden“1, fand die wissenschaftslinguistische Fachsprachenforschung heraus. Kruse kritisierte auch, dass Studierende lernen „mit wissenschaftlich klingender Rhetorik geschickt die Lücken in ihrem Wissen zu vertuschen. Sie lernen nicht, sich authentisch auszudrücken, effektiv zu kommunizieren und das Schreiben als Mittel einzusetzen, um einen Gegenstand zu erkunden“.2 Und das hat Tradition: Es sind „in erster Linie Mängel der Ausdrucksweise der Wissenschaft selber, welche in den weiten Kreisen des Lebens erschwerend und verstimmend wirken“, befand schon 1888 der Direktor der königlichen Sternwarte, Wilhelm Förster.3

Während die Schreibtraditionen im einen Fachbereich mehr, im anderen weniger gepflegt werden, wurde das Schreiben im Alltag beiläufiger. Das ist heute „dialogischer, multimodaler, aber auch fragmentarischer. Man schreibt immer und überall in kleinsten Häppchen. Dies erleichtert die Synchronisation mit Gemeinschaften, erschwert aber die fundierte Auseinandersetzung mit dem Gegenstand“4, stellte der Schweizer Sprach- und Medienwissenschaftler Daniel Perrin fest. Mit dem Schreiben neuer Textsorten – wie Posts mit Hashtags – ändern sich zudem die Lese- und Kommunikationsgewohnheiten, die wieder das Schreiben beeinflussen.

Nicht geändert hat sich, dass wissenschaftliche Zusammenhänge und Ergebnisse der allgemeinen Öffentlichkeit so präsentiert werden sollen, dass fachliche Laien sie verstehen. Wer dafür so schreibt, dass es selbst seine Oma versteht, riskiert allerdings, dass die Kollegen die Augen verdrehen. Wer das vermeidet, erreicht die Oma nicht. Ein klassisches Dilemma, das Menschen aus den Wissenschaften oft ohne Unterstützung im Alleingang lösen sollen. Viele erfahren nicht, in welchen Schritten sich aus einer wissenschaftlichen Arbeit ein Text für die Öffentlichkeit entwickeln lässt:

1 Anmerkungen, Fußnoten und Literaturlisten streichen

2 Einordnungen ins Forschungsgeschehen löschen sowie zentrale Definitionen, die ansatzweise bekannt sind

3 Hinweise auf Illustrationen entfernen

4 Skizzen und Tabellen soweit möglich durch Fotos ersetzen

5 Namen von Instituten und Personen grob zuordnen – wie: Ökonominnen in Peru stellten fest oder das größte Krebsforschungsinstitut in Deutschland fand heraus

6 notwendige Fachworte so umschreiben, dass der fachliche Gehalt ungefähr klar wird – ein „metallurgisch‚ gutmütiges‘ Material“ lässt sich dann „gut bearbeiten, weil es nicht so leicht bröckelt“5

7 verknappte wissenschaftliche Informationen so ausführen, dass Laien sie grob nachvollziehen können – ein Paläontologe ist dann ein Wissenschaftler, der anhand von Versteinerungen Tiere und Pflanzen erforscht, die vor über 10 Jahren ausgestorben sind

8 Inhalte nach Interesse des Publikums sortieren: Was knüpft an dessen Erfahrungen an? Was nützt wofür? Was sind gesellschaftliche Folgen?

9 Lebewesen und deren Geschichte einbauen – wie das Verhalten von menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Probanden, von Untersuchungsgegenständen oder den Wettbewerb zwischen Forschungsteams

Ergänzt werden können dann „die Beweggründe, Methoden und Prozesse hinter den Erkenntnissen“, um das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken.6 Es ist dabei auch „eine gute Übung, zu versuchen, komplexe Forschung auf allgemeinverständliche Weise zu vermitteln“, stellte die Philosophin Esther Laufer fest. Dabei merke „man nämlich sofort, was man selbst noch nicht ganz durchdrungen hat“.7 Dem wissenschaftlichen Nachwuchs riet Entertainer Harald Schmidt: „Macht es wie die Amerikaner. Gewinnt euer Publikum, redet verständlich und vermeidet deutschen Dünkel und dogmatischen Griesgram. Populär sei, zu signalisieren, dass man nicht das Wissen selbst sei, sondern nur sein Vertreter“.8

Muss ein Text neu geschrieben werden, beginnen Menschen unterschiedlich. Die einen fangen erst zu schreiben an, wenn ihnen ganz klar ist, was sie schreiben wollen. Andere entwickeln Ideen und Textstruktur beim Schreiben, fanden die Psychologen David Galbraith und Mark Torrance heraus.9 Manche wechseln je nach Aspekt, Thema oder Textart zwischen der einen oder anderen Methode. Der eigentliche SchreibprozessSchreibprozess ist dann dynamisch und komplex. Dafür werden das Arbeits- und das Langzeitgedächtnis aktiviert, mal mit der rechten Gehirnhälfte assoziiert, mal mit der linken entschieden, welcher Satzbau geeignet ist, welches Wort und welches Satzzeichen. Das erfordert schon deshalb hohe Konzentration und Motivation, weil das Denken das Schreiben beeinflusst und das Schreiben das Denken. Etwas Systematik verspricht da die Orientierung am Standardablauf10:

1 Vorbereitung: Thema eingrenzen, Botschaft festlegen, Zielgruppe vergegenwärtigen

2 Ideen sammeln und recherchieren

3 Aspekte festlegen und Material strukturieren

4 Rohtext zügig runterschreiben

5 Überarbeiten von Inhalt, Aufbau und Stil

6 Pause machen, um Abstand zum Text zu gewinnen

7 Gesamttext überarbeiten

8 Feedback einholen

9 Gesamttext erneut überarbeiten

Einhalten lässt sich dieser Ablauf allerdings nur bei kurzen Texten. Denn bei längeren entstehen beim Überarbeiten oft weitere Ideen, die wieder recherchiert, ein- und überarbeitet werden müssen.

Wissenschaftskommunikation: Vom Hörsaal ins Rampenlicht

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