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Texte überarbeiten, SchreibproblemeSchreibprobleme lösen

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Stehen Überschrift und Unterzeile über dem Rohtext, beginnt die Überarbeitung. Bis zu 50 Mal soll der Schriftsteller Ernest Hemingway seine Geschichten umgeschrieben haben. Das ist im Wissenschaftsbetrieb zwar kaum möglich und bei Sachtexten meist auch nicht nötig, zeigt aber, dass sich fast alle Texte sehr lange verbessern lassen. Denn „was sich sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen“, befand schon der österreichische Philosoph Wittgenstein 1918. Das ist Arbeit stellte der ehemalige Leiter der Hamburger Journalistenschule Wolf Schneider klar, der sich schon mal als „meistgelesener Stillehrer des deutschen Sprachraums“ vorstellt, und konstatiert: „Einer muss sich plagen, entweder der Autor oder der Leser“.1

Überarbeitet werden müssen Texte schon deshalb, weil beim Verfassen des Rohtextes FüllworteFüllworte und Wiederholungen den Schreibfluss fördern. Sie werden am Ende wieder entfernt, weil zu viele davon den Lesefluss stören. Wurde am Computer geschrieben, findet man sie leichter in einer ausgedruckten Fassung. Alternativ kann die Schrift geändert werden, damit der Text für einen selbst so fremd wirkt, wie er es fürs Publikum ist. Dann findet man auch Einschübe schneller, die aufgelöst werden sollten, und fehlende Überleitungen zwischen unterschiedlichen Aspekten und Absätzen, die zu ergänzen sind. Dabei sollten bei Texten für die allgemeine Öffentlichkeit lange Substantive möglichst geteilt und einige durch Verben ersetzt werden. Dann wird aus der ‚Leistungsbewertung‘ erst eine ‚Bewertung von Leistungen‘ und dann ‚Leistungen, die bewertet werden‘ (► Kap. 6 – Übungen zum Ausprobieren).

Für einige andere Textprobleme gibt es Unterstützung im Internet:

 Fremdworte reduzieren: Internetseiten von Duden, Ponds, Langenscheidt

 Füllworte aufspüren: www.schreiblabor.com/fuellwoerter-test

 Gendern: www.geschicktgendern.de und www.genderleicht.de

 Lesbarkeit erhöhen: www.leichtlesbar.ch

 Plagiate finden: www.plagscan.com/plagiat-check

 Rechtschreibung: www.rechtschreibpruefung24.de und www.duden.de/deutsche_sprache

 Synonyme einsetzen: www.dwds.de und www.woxikon.de

 Worthülsen entdecken: www.blablameter.de und www.wortliga.de/textanalyse

 Zeichensetzung üben: www.korrekturen.de

Die Arbeit am Text lohnt sich auch für die Verfasser, fanden Kommunikationswissenschaftlerinnen heraus: Da „insbesondere VerständlichkeitVerständlichkeit, Professionalität und Glaubwürdigkeit erwartet“ wird, bewertet das Publikum kurze Sätze, inhaltliche Strukturierungen sowie Verknüpfungen mit der Alltagswelt statt Wissenschaftsjargon überwiegend positiv.2 Der Psychologe Rainer Bromme, der zur Wissenschaftskommunikation forscht, kritisiert dagegen „die verbreitete Vorstellung, dass man gute Wissenschaftskommunikation vor allem an der Verständlichkeit der Beiträge erkennt“. Für ihn ist „informiertes Vertrauen ein realistisches und ein auch normativ wünschenswertes Ziel“, weil zu starke Vereinfachung dazu führen kann, dass Menschen ihren Wissensstand überschätzen. Das lasse sich „für populistische Angriffe auf die Forschung ausnutzen. Man hört dann von Gegnern der Wissenschaft: Wenn ihr so komplexe Modelle braucht, kann eure Erklärung nicht richtig sein“. Er rät dazu, genau zu reflektieren, wo die Grenzen für alltagsnahe Erklärungen sind und wo auf abstrakte Modelle zurückgegriffen werden muss.3

Reflexion erfordert auch das Achten auf Geschlechtsneutrale Sprachegeschlechtsneutrale Sprache, das an den Hochschulen zum Standard gehört. Manche greifen dafür auf Binnen-I oder Bindestrich zurück, andere auf Doppelpunkt, Unterstrich, Sternchen oder Schrägstrich. Einfacher lesbar – und daher möglichst vorzuziehen – sind neutrale Kollektivbezeichnungen. Also ‚Team statt ‚Mannschaft‘, ‚Dezernat‘ statt ‚Dezernent*in‘, ‚Jugendliche‘ statt ‚Schüler_innen‘ und ‚Redende‘ statt ‚Redner:innen‘. Auch Worte wie ‚jeder‘ und ‚keiner‘ können ersetzt werden: ‚Alle sind eingeladen‘ statt ‚jeder ist eingeladen‘, ‚das glaubt niemand‘ statt ‚das glaubt keiner‘. Manchmal kann auf den Plural oder die Tätigkeit ausgewichen werden: ‚es referieren‘, ‚verfasst von‘, ‚die Redeliste‘, ‚die Beteiligten‘.4

Geschlechtsneutral schreiben, bedeutet auch, auf versehentliche Abwertungen zu achten. Die verstecken sich in Verben, beispielsweise wenn eine Frau etwas ‚meint‘ und ‚behauptet‘, während der Kollege ‚feststellt‘, ‚fordert‘ und ‚deutlich macht‘. Versehentliche Abwertungen entdeckt, wer im Text das Geschlecht auswechselt: Aus den ‚Studenten, die keine Forscher als Ansprechpartner hatten‘ werden ‚Studentinnen, die keine Forscherinnen als Ansprechpartnerinnen hatten‘. Ist das falsch oder klingt komisch, sollte der ursprüngliche Text geändert werden: ‚Die Studierenden hatten keinen Kontakt zum Forschungsteam‘.

Will ein Text einfach nicht gelingen, kann man prüfen, ob die Textziele klar und realistisch sind. So kann eine Pressemitteilung nicht glücken, wenn kooperierende Häuser die entscheidenden Ergebnisse erst später mitteilen möchten. Auch viele weitere Schreibprobleme lassen sich lösen, indem deren Ursachen abgestellt oder reduziert werden5:

 Ärger über andereAdrenalin durch Bewegung abbauen, Text über den Ärger schreiben oder sich wohlmeinende Leser vorstellen

 Angst vor ewiger Gültigkeitmit der Hand vorschreiben

 Angst vor Kritikmehrere Stunden zwischen Schreiben und Feedback einplanen, damit aus der frischen Eigenkreation ein normaler, verbesserbarer Text wird

 Erschöpfungmorgens schreiben, Pausen einhalten, für alle Arbeitsschritte ausreichend Zeit einplanen. Wer nicht abschalten kann, kann Folgearbeiten am Vorabend einplanen und Arbeitsideen in Stichworten notieren, die in der Freizeit auftauchen

 Konzentrationsmangelschlafen, trinken und frische Luft, störungsfreie Schreibzeit organisieren, Ideen zu anderen Aufgaben notieren oder diese, sofern möglich, vorziehen

 Lustlosigkeit und LangeweileThema auf Relevanz prüfen, interessantere Aufhänger suchen, Pause machen, Gefühl schriftlich beschreiben, bei widersprüchlichen Erwartungen anderer: Prioritätenliste erstellen und entscheiden, welche Aufgabe der konkrete Text erfüllen soll und kann

 Perfektionismussich erinnern, dass alle Menschen Fehler machen und Schreiben ein Prozess ist, dessen Ergebnis erst am Ende feststeht

Checkliste – Schreiben für andere

1 Vorrangiges Textziel festlegen: Wer soll wie informiert, überzeugt oder unterhalten werden?

2 Frische Formulierungen finden: Gegenteil vom Gegenpart bilden oder überraschende, konkrete Worte einbauen

3 Verständlichkeit erhöhen: Kernaussagen verankern, zentrales wiederholen, zusammenfassen

4 Überarbeiten: Füllworte streichen, Substantive durch Verben ersetzen, Überleitungen einfügen

5 Schreibprobleme: Ursachen herausfinden und reduzieren

Wissenschaftskommunikation: Vom Hörsaal ins Rampenlicht

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