Читать книгу Wissenschaftskommunikation: Vom Hörsaal ins Rampenlicht - Viola Falkenberg - Страница 17
Frische und einprägsame Formulierungen finden
ОглавлениеDer Schreibstil hängt auch von den Kriterien der Textform ab, dem Textziel – also wer in welchem Format informiert, überzeugt oder unterhalten werden soll – und der Zielgruppe. Ist die faktenorientiert, kann es heißen: ‚Juristen haben unsere Fakultät vor über 100 Jahren gegründet. 1500 Studenten machen hier jedes Jahr ihren Abschluss.‘ Eine Mischung aus Fakten und Gefühl bietet: ‚Philosophen gründeten unsere Fakultät vor über 100 Jahren. Ihnen fühlen wir uns verpflichtet. Auch deshalb unterstützen unsere Dozenten die Studierenden von Anfang an.‘ Gefühlsbetont wäre: ‚Swingende Künstler, spannende Geheimtipps und geniale Kniffe: In Ateliers und mit Aktionen zeigt die Hochschule, wie Kreativität entsteht und steigerbar ist.‘
Auch faktenorientierte Texte lassen sich mit frischen Formulierungen auflockern. Um die zu finden, reicht es jedoch nicht, dem Gehirn mitzuteilen, dass lebendige Worte gewünscht sind. Das ist so effektiv, wie ein Hündchen distanziert zu informieren, dass es über ein Stöckchen springen soll. Man muss es schon motivieren und ihm ein Stöckchen hinhalten. Beim Gehirn funktioniert das, indem man es vom bisherigen Wort ablenkt. Dafür kann man erst Gegenteile dieses Wortes sammeln und anschließend dazu wiederum die Gegenparts: Das Gegenteil von ‚interessanten Vorträgen‘ wären ‚langweilige‘, ‚öde‘, ‚eintönige‘, ‚08/15-Vorträge‘. Die Gegenparts dazu könnten ‚facettenreiche‘, ‚originelle‘ oder ‚einfallsreiche Vorträge‘ sein. Dann schreibt man statt von einem ‚interessanten‘ Vortrag vielleicht von einem ‚einfallsreichen‘.
Um Überraschendes zu entwickeln, das sich leicht einprägt, kann man auch von einem kurzen zentralen Wort ausgehen. Wird eine prägnante Formulierung zu Telefonakkus gesucht, die schnell leer sind, könnte man vom Wort ‚Telefon‘ ausgehen. Dann würde zu jedem Buchstaben des Wortes ein konkreter Begriff gesucht: T – ‚Tasse‘, E – ‚Elefant‘, L – ‚Leiter‘, E – ‚Eimer‘, F – ‚Fenster‘, O – ‚Opa‘, N – ‚Nase‘. Diese Worte sind nun das Stöckchen, dass der Hund zurückbringen beziehungsweise das Gehirn einbauen soll. Das kann schon mal ein, zwei Minuten dauern. Aber weil das Gehirn es liebt, Zusammenhänge herzustellen, findet es meist auch welche. So kann aus ‚Telefonakku‘ und ‚Elefant‘ der Vergleich ‚ein Akku, so stark wie ein Elefant‘ werden. Aus ‚Telefon‘ und ‚Tasse‘ könnte entstehen: ‚So schnell, wie ein Tässchen leer ist, wenn man Durst hat, waren alte Telefonakkus leer, wenn man plaudern wollte‘. Nicht jeder hergestellte Zusammenhang überlebt allerdings den anschließenden Faktencheck. Manche Idee landet im Papierkorb, andere lassen sich weiterentwickeln.
Wer nicht nur frisch, sondern auch verständlich informieren möchte, kann
zentrale Aussagen wiederholen,
Kernaussagen durch Beispiele verankern,
nach längeren Ausführungen zusammenfassen,
Erfahrungen schildern, um Zeit zum Nachdenken, Einprägen und Entspannen zu geben,
Vergleiche einbauen, um die Informationsdichte der Aufnahmegeschwindigkeit anzupassen,
überraschendes präsentieren und prägnant formulieren, um die Konzentration wach zu halten.
Die Aufgabe des TextanfangTextanfangs ist es dann, das Publikum ‚in den Text zu ziehen‘. Journalisten platzen dafür rücksichtslos mit dem Wichtigsten heraus – wie Kinder, die „Mama, Mama, es brennt“ rufen, bevor sie erzählen, dass das Feuer in einer der Mülltonnen hinter dem Supermarkt ist. Anders macht es Armin Maiwald von der „Sendung mit der Maus“: „Wir fangen mit etwas Bekanntem an und gehen Stückchen für Stückchen weiter“.1 Wem kein Anfang einfällt, der beginnt seinen Text am besten mit irgendeinem Satz oder Absatz, also einfach mittendrin. Dabei klärt sich die inhaltliche Richtung eines Textes oft von selbst, sodass schließlich auch der Anfang gelingt.
Als letztes entwickeln Journalisten die ÜberschriftÜberschrift. Denn die soll die zentrale Aussage wiedergeben und dabei leicht zu verstehen sein, Suchmaschinen-Keywords enthalten und Leseanreiz bieten. „Mit Schlagzeilen erobert man Leser. Mit Informationen behält man sie“, fand selbst der Verleger britischer Boulevardzeitungen, Alfred Harmsworth.2 Überschriften gelten daher als der schwierigste Teil des Handwerks. Journalisten nutzen dafür neben herausragenden Informationen und Fragen – ‚Bewegung senkt Brustkrebsrisiko‘, ‚Wie erkennen Kinder Worte?‘ – auch Anspielungen und kurze Zitate aus dem Text: ‚Unter Reihern‘, ‚Klassische Musik unterteilt nach Rasse und Klasse‘. Einfacher gelingen Unterzeilen. Darin werden Informationen nachgeliefert, mit denen die Überschrift eingeordnet werden kann: ‚Graureiherkolonie in Aachen untersucht‘, ‚Studie erschienen‘, ‚Rassismus ist strukturelles Problem‘.