Читать книгу Die Vergessenen - Teil 1: Gefangen - Werner Diefenthal - Страница 13

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Adare, County Limerik, September 1652

Im ersten Morgengrauen packten Farrell und Bidelia ihre wenigen Habseligkeiten auf einen kleinen Karren. Es war erschreckend, wie wenig sie besaßen. Ein paar Kleidungsstücke, ein paar Laken, etwas Geschirr. Dazu eine Hacke, eine Axt, ein Beil und eine Säge. Dazu suchten sie die restlichen Vorräte zusammen, die sie noch finden konnten.

Als Farrell die Tür des kleinen Bauernhauses schloss, musste er schlucken. Hier war er aufgewachsen, hatte seine Kindheit verbracht. Sein Vater hatte immer zu ihm gesagt, wenn man ein Stück Land besaß, würde man nie Hunger leiden müssen.

Das war, bevor die Engländer Irland besetzt hatten. Jetzt war alles anders. Viele litten Hunger. Und viele versuchten, gegen die Engländer zu kämpfen. Farrell hielt nichts davon. Er war im Grunde seines Herzens ein friedliebender Mann. Er scherte sich nicht darum, wer die Gesetze machte, wer das Land regierte. Alles, was er wollte, war, in Ruhe mit seiner Frau zu leben, das Land zu bestellen, das ihn und seine Familie ernährte und in der Nacht das Bett mit Bidelia zu teilen.

Aber das alles, bis auf Letzteres, war ihm genommen worden. Er hegte keinen Groll, nur eine tiefe Traurigkeit hatte von ihm Besitz ergriffen.

Er legte sich die Gurte um, mit denen er den Karren ziehen wollte und nickte seiner Frau zu.

»Lass uns aufbrechen, damit wir am Abend schon ein Stück geschafft haben. Vielleicht können wir unterwegs irgendwo ein paar Tage bleiben und Arbeit finden, ein wenig Geld verdienen.«

Bidelia nickte, stellte sich hinter den Karren und schob, während Farrell sich ins Geschirr legte und zog. Langsam verließen sie ihren Hof. Nach einer kurzen Weile blieben sie noch einmal stehen, sahen sich um. Bidelia traten die Tränen in die Augen. Langsam begriff sie, dass dies ein Abschied für immer sein würde.

»Farrell, glaubst du, dass es das Richtige ist?«

In ihr waren immer noch Zweifel. Sie verstand ihren Mann nicht, der alles mit stoischer Ruhe über sich ergehen ließ. Am liebsten hätte sie sich den Rebellen angeschlossen, gegen die Engländer gekämpft. Aber sie hatte geschworen, Farrell zu begleiten, ihn zu ehren und ihm zu gehorchen, auch wenn ihr gerade Gehorsamkeit schwerfiel.

»Was sollen wir noch hier? Das Land ernährt uns nicht mehr.«

»Wir könnten darum kämpfen.«

Farrell konnte sein Entsetzen nicht verbergen. Hatte Bidelia das wirklich gesagt?

»Kämpfen? Gegen die Engländer? Sollen wir uns erschießen oder gar aufhängen lassen? Ist es das, was du willst? Am Baum hängen? Und das Letzte, was du tust, ist dich vollzuscheißen, während das Leben aus dir weicht? Nein, Bidelia, ich sage, wir gehen nach Virginia. Dort werden wir unser Glück machen.«

Er legte sich ins Zeug, zog den Karren. Seine Frau wischte sich die Tränen ab und schob wieder.

Am Mittag machten sie eine kurze Rast. Farrell gab es nicht zu, aber sein Rücken schmerzte und die Muskeln in seinen Beinen brannten. Doch er würde nicht aufgeben, das konnte er nicht.

Als sie weiterzogen, kamen sie an einem Feld vorbei, auf dem mehrere Arbeiter Steine aufsammelten. Ein Mann sah sie an, winkte ihnen zu.

»He, ihr beiden, wohin des Weges?«

Farrell blieb stehen.

»Nach Cork, guter Mann.«

»Ich bin Roy Phearson, mit wem habe ich die Ehre?«

Farrell stellte sich und seine Frau vor, Phearson wischte sich die Hand an seiner Hose ab und reichte sie den beiden.

»Was wollt ihr in Cork? Seid ihr auf der Suche nach Arbeit?«

Farrell schüttelte den dunklen Haarschopf.

»Nein, wir wollen von dort weiter nach Virginia.«

Roy kratzte sich am Kopf.

»Ach, ihr wollt euch dort auf ein Stück Land erarbeiten?«

»Ja, Sir. Wir haben alles verloren, den Winter werden wir hier nicht überleben.«

»Nun, das verstehe ich, aber der Weg ist noch weit.« Er sah Farrell an. »Du scheinst ein kräftiger Bursche zu sein. Wenn ihr möchtet, ich bräuchte für zwei oder drei Tage etwas Hilfe. Das Feld hier, es wachsen hauptsächlich Steine darauf. Die müssten weg. Und ich denke, ihr könntet ein wenig Handgeld brauchen.«

»Das wäre großzügig, Sir.«

Roy streckte Farrell erneut die Hand entgegen.

»Dann bleibt drei Tage. Ihr bekommt etwas zu essen, einen trockenen Schlafplatz für die Nacht und am Ende ein wenig Geld.«

»Das …«

Bidelia konnte es kaum glauben. Was für ein Angebot, fast zu gut, um wahr zu sein. Das Abenteuer schien sich besser zu entwickeln, als sie gedacht hatte. Vielleicht hatte Farrell doch Recht.

»Gern, Sir, zeigen Sie uns, wo wir unsere Sachen abstellen können, dann fangen wir sofort an.«

Die Vergessenen - Teil 1: Gefangen

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