Читать книгу Die Vergessenen - Teil 1: Gefangen - Werner Diefenthal - Страница 20

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Churchtown, County Cork, November 1652

Im Pub der Shedals etwas abseits von Churchtown war die Stimmung so ausgelassen wie seit Monaten nicht mehr. Die Rebellen feierten ausgelassen den, in ihren Augen, für sie großen Erfolg. Ein paar Männer hatten sogar Fiedel, Flöte und Trommel mitgebracht und spielten auf, ein Trinklied nach dem anderen wurde mehr oder weniger wohltönend zum Besten gegeben.

Sean Murphy hatte schon reichlich dem Bier zugesprochen und hob jedes Mal, wenn die Musik gerade eine Pause machte, seinen Krug in Laoises Richtung.

»Auf unsere Schützenkönigin! Unseren irischen Robin Hood! Du, Laoise, wirst uns zum Sieg führen, ganz allein du!«

Die Brünette saß schon den ganzen Abend in einer Fensternische, die Beine unter den schlanken Körper gezogen und sah gedankenverloren hinaus in die Dunkelheit. Obwohl sie kaum ein Wort mit jemandem gesprochen hatte, reizte die Euphorie des Rebellenführers sie doch zu einem Lächeln und sie hob ihren eigenen Becher, um ihm zuzuprosten.

Noch immer war sie sich nicht vollkommen über ihre eigenen Empfindungen im Klaren. Der Verlust Conors schmerzte nach wie vor wahnsinnig, aber gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass ihr Leben zum ersten Mal einen Sinn und eine Richtung bekommen hatte, der über Arbeit und Überleben hinausging.

Sie schoss mit jedem Tag besser, meisterte den Umgang mit mehr und mehr Waffen. Es kamen immer weniger Patrouillen in die Gegend um Churchtown und die, die es noch wagten, kehrten nicht lebendig nach Cork zurück – es sei denn, Laoise wollte es so. Jemand musste schließlich vom Churchtown-Schlächter, wie die Soldaten sie mittlerweile nannten, berichten!

Die Dezimierung der Soldaten hatte noch einen anderen positiven Effekt. Die Rebellen hatten mittlerweile so viele Uniformen, dass es leicht fiel, Warenlieferungen, die eigentlich für die englische Garnison in Cork bestimmt waren, abzufangen und statt zur Kaserne zu den Rebellen zu bringen. Zumindest in Churchtown und den das Dorf umgebenden Höfen hatten dank Laoise alle genug zu essen.

Sie entschied, dass sie allen Grund hatten, zu feiern – und sie, sich ein wenig bejubeln zu lassen. Das erste Mal seit Wochen stahl sich ein zufriedenes Lächeln über ihr schönes Gesicht.

»Hast du kein schlechtes Gewissen?«

Laoise zuckte zusammen, als eine Stimme praktisch direkt neben ihrem Ohr erklang und wandte sich der Frau zu, die sie angesprochen hatte. Es war Ava Shedal, die Tochter der Wirtsleute. Mit einem Tablett voller Bierkrüge in den Händen stand sie da und blickte Laoise neugierig aus wimpernlosen braunen Augen an.

Laoise mochte die nur wenig jüngere Ava nicht besonders. Sie war nicht sehr hell im Oberstübchen und hatte, als sie noch Kinder gewesen waren, immer gepetzt, wenn jemand etwas ausgefressen hatte. Seit einigen Monaten war sie häufiger mit Padraig Murphy zur Kirche gekommen, was dazu führte, dass man von einer baldigen Verlobung munkelte.

Laoise nahm einen vollen Bierkrug vom Tablett und tauschte ihn gegen ihren geleerten aus. Sie schürzte die Lippen.

»Schlechtes Gewissen? Nein, wahrhaftig nicht! Meinst du, die Engländer haben eines, wenn sie uns ausbeuten, verhungern lassen oder einfach am nächsten Baum aufhängen? Ich denke doch eher nicht! Entweder ich erwische sie oder sie mich. Ich werde sie weiterhin einen nach dem anderen schießen wie Karnickel, bis es eines Tages mich trifft.«

Laoise war erstaunt, wie zufrieden dieser Gedanke sie machte! Sie nahm einen tiefen Zug aus dem Bierkrug und rülpste herzhaft, wie um ihre Aussage zu unterstreichen. Ava wirkte schockiert. Laoise war nicht sicher, ob ihr entsetzter Blick ihren Worten oder dem wenig damenhaften Rülpser galt.

»Aber der liebe Gott …«, setzte Ava an, doch Laoise schnitt ihr mit einem spöttischen Lachen das Wort ab.

»Der liebe Gott! Erzähl mir nichts vom lieben Gott. Mit dem werd ich mich schon einigen! Dem werd ich mal erzählen, was für ein grausamer Mistkerl er ist, wenn er denn existiert, woran ich so langsam nicht mehr glaube!«

Fast hätte die blonde Wirtstochter ihre Krüge fallen lassen und sie holte erneut Luft, um etwas zu entgegnen, aber in dem Moment trat Padraig Murphy zu den beiden Frauen. Er strahlte Laoise an.

»Magst du tanzen?«

Der Gesichtsausdruck Avas wandelte sich von Fassungslosigkeit in Wut. Ihre blasse Haut lief so dunkelrot an, dass Laoise einen Moment lang befürchtete, ihr Kopf könnte explodieren wie die der Soldaten, die sie täglich von den Pferden schoß. Die Brünette beschloss, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, und schüttelte den Kopf.

»Nein, ich bin keine gute Tänzerin. Aber ich bin sicher, Ava hat Lust dazu. Komm, gib das mal her und mach Pause!«

Sie stand auf, nahm der Wirtstochter das Tablett aus den Händen, ging davon und verteilte die Krüge, nahm lächelnd die Hochrufe der Männer entgegen, die sie immer noch wie eine Heldin feierten.

Die Vergessenen - Teil 1: Gefangen

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