Читать книгу Die Vergessenen - Teil 1: Gefangen - Werner Diefenthal - Страница 17

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Cork, Oktober 1652

»Dort müsst ihr beide euch melden.« Der Sergeant der kleinen Truppe zeigte auf eine Tür. »Der Stadtkommandant wird dann alles Weitere in die Wege leiten.«

Farrell ließ die Zugriemen des Karren von den Schultern gleiten. Seine Schultern schmerzten von den Riemen und der Anstrengung. Er war erschöpft, sehnte sich nach einem Bett, doch er riss sich zusammen.

»Danke, Sir.«

»Nichts zu danken, Mister. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau viel Erfolg in Virginia.«

Bidelia nahm die Hand ihres Mannes. Sie war, genau wie Farrell, erschöpft, aber glücklich, endlich in Cork angekommen zu sein. Dass sie den Trupp Soldaten getroffen hatten, war ein Glücksfall gewesen.

Man hatte sie drei Tagesmärsche vor Cork angehalten. Bidelia hatte Angst gehabt, dass man ihnen das Letzte, was sie noch hatten, auch wegnehmen würde, aber der Sergeant war sehr freundlich gewesen.

»Wohin des Weges?«, hatte er sich erkundigt.

»Nach Cork, Sir, wir wollen uns dort einschreiben, um nach Virginia zu reisen.«

»Dann wollen Sie also dort als Siedler neu beginnen?«

»Ja, Sir.«

»Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn wir Ihren Karren durchsuchen. Nicht, dass wir Ihnen nicht trauen, aber es ist Vorschrift.«

Bidelia hatte zu zittern begonnen, als sie sah, wie drei mürrisch aussehende Soldaten sich näherten.

»Sir, ich verstehe Ihre Bedenken und auch die Vorschriften, aber wir sind nur Siedler auf dem Weg nach Cork.«

»Sehen Sie, Mister, ich persönlich würde Ihnen glauben, aber ich muss mich an das halten, was man einen Befehl nennt. Und glauben Sie mir, wir werden behutsam vorgehen und darauf achten, dass Ihrer Habe nichts geschieht.«

In der Tat wurde der Karren zwar gründlich, aber auch sehr vorsichtig durchsucht. Bidelia war nur froh, dass das Geld, das sie unterwegs verdient hatten, in ihrem Mieder steckte. Sie traute den Engländern nicht.

»Nun, Mister, es wäre uns eine Freude, Sie und Ihre bezaubernde Gattin nach Cork zu begleiten. Wir sind auf dem Rückmarsch und so sind Sie vor vagabundierenden Rebellen geschützt.«

Mit Freuden hatte Farrell zugestimmt. Sie hatten sich den Soldaten angeschlossen und waren so ohne weitere Zwischenfälle nach Cork gelangt.

Als die Soldaten abgezogen waren, sah Bidelia ihrem Mann in die Augen.

»Jetzt wird es also ernst, oder?«

Farrell nickte.

»Ja.«

Er sah sich um. Vor der Tür standen zwei Wachen, von denen sich eine näherte.

»Kann ich behilflich sein, Mister?«

»Nein. Ja. Vielleicht«, stammelte Farrell.

Der Mann lachte.

»Können Sie sich nicht entscheiden? Ich habe mitbekommen, dass Sie sich als Siedler für Virginia vorstellen wollen.«

»Ja, das wollen wir.«

»Nun, Mister, dann müssen Sie dort hinein. Wenn Sie sich um Ihre Habe sorgen, dann kann ich Sie beruhigen. Stellen Sie den Karren dort«, er zeigte auf eine Stelle neben dem Haus, »ab, dort haben wir ihn im Auge und ich versichere Ihnen, dass nichts abhandenkommen wird.«

Wenig später standen Bidelia und ihr Mann im Büro von Walther Pendleton. Die junge Frau fühlte sich in Gegenwart des fetten Mannes unwohl, der sie mit einem seltsamen Glitzern in den Augen ansah. So, als wenn er sie mit Blicken ausziehen wollte. Unwillkürlich begann sie zu frösteln.

»Sie möchten also als Siedler nach Virginia?«

»Ja, Sir.« Farrell streckte sich zu seiner vollen Größe. »Wir sind Bauern, haben also Erfahrung im Bestellen von Land.«

»Nun, das hört sich doch gut an. Ich freue mich, dass wir ihnen beiden ein Angebot machen können. Die Company zahlt ihnen die Überfahrt und die Verpflegung an Bord des Schiffes, das sie nach Virginia bringt. Ebenso zahlen wir ihnen ein Gehalt, von dem ein Teil zurückgelegt wird, um Unterkunft, Essen und den Schutz durch die dort anwesenden Soldaten zu bezahlen. Ein weiterer Teil ist als Sparrate für das Land, dass sie nach den fünf Jahren erhalten, gedacht. Der Rest steht ihnen zur freien Verfügung. Fünf Tagwerk pro Person. Und als Ehepaar erhalten Sie noch zwei weitere Tagwerk umsonst.« Er legte den Kopf schief, betrachtete Bidelia wieder von oben bis unten. Sein Blick blieb an ihren Brüsten hängen, er leckte sich die Lippen, dann fuhr er fort. »Als Bonus erhalten sie von der Company für jedes Kind, das sie dort während der Zeit gebären, ein Tagwerk Land geschenkt.« Er feixte. »Sie sehen, Fleiß zahlt sich aus.«

Farrell sah Bidelia an. Er spürte, dass sie zögerte, aber es gab in seinen Augen kein Zurück mehr.

»Sir, das klingt wunderbar und wir wären sehr daran interessiert, diesen Kontrakt mit Ihnen einzugehen.«

Walther klatschte in die Hände.

»Sehr gut. Wir können das sofort machen, das nächste Schiff nach Virginia wird übermorgen ablegen. Es gibt nur eine Kleinigkeit, die wir noch erledigen müssen. Ein Arzt muss sie untersuchen, wir müssen ja sicher sein, dass niemand krank die Reise antritt.«

Er läutete nach seinem Sekretär, der sie ein paar Häuser weiter bei einem Arzt ablieferte. Dieser, ein alter, griesgrämiger Mann mit dreckigen Fingernägeln, tastete ihre Hälse ab, langte in die Münder und wackelte an ein paar Zähnen. Bidelia musste sich beherrschen, dass sie sich nicht übergab, als sie die schmutzigen Finger in ihrer Mundhöhle spürte. Dann klopfte er ihre Rücken ab, betastete sie beide von oben bis unten. Länger als nötig befasste er sich mit Bidelias Brüsten, dann grunzte er.

»Ihr seid beide gesund. Und Sie«, er grinste Bidelia an, »sind im besten gebärfähigen Alter.« Er kritzelte etwas auf ein Blatt Papier, das er dem Sekretär reichte. »Geeignet.«

Der Sekretär, ein blasser, blonder Mann, nickte und führte sie wieder zu Pendleton, der ein paar beschriebene Blätter Papier aus einer Lade zog und sie auf dem Tisch ausbreitete. Farrell betrachtete sie, konnte aber nichts damit anfangen. Er hatte weder lesen noch schreiben gelernt, ebenso wie Bidelia.

»Sir, entschuldigen Sie, aber was steht dort?«

Pendleton hätte am liebsten laut gelacht, riss sich aber zusammen. Er brauchte dringend noch einige Siedler. Und dass die beiden vor ihm nicht lesen und schreiben konnten, war perfekt für ihn. Für ihn waren sie nur dumme Bauern. Zwei Nummern auf einer Liste, die sich langsam füllte und damit auch seine Quote verbesserte.

»Oh, nur das, was ich gerade gesagt habe. Machen Sie bitte hier«, er deutete auf eine Stelle auf einem der Blätter, »Ihr Zeichen und Sie, Miss, bitte hier.«

Er reichte ihnen einen Federkiel, beide machten ein Kreuz an den Stellen. Walther Pendleton fragte sie erneut nach ihren Namen, schrieb sie säuberlich neben die beiden Kreuze, setzte seine Unterschrift daneben und ließ zusätzlich noch seinen Sekretär als Zeugen unterschreiben.

»So, damit sind sie beide offiziell als Siedler aufgenommen. Ich lasse sie jetzt in die Herberge bringen, in der sie bis zur Abreise bleiben werden. Natürlich auf Kosten der Company, versteht sich.«

»Vielen Dank, Sir.«

Pendleton winkte ab.

»Das ist doch selbstverständlich. Doch eine Frage: Haben sie viel Gepäck? Es ist nicht möglich, mehr als einen Seesack voll pro Person an Bord mitzunehmen.«

»Sir, wir haben noch einen Karren, auf dem sind ein paar Vorräte und etwas Werkzeug sowie Kleidung.«

»Ich würde sagen, sie nehmen die Kleidung und auch an Vorräten mit, was sie benötigen. Die Verpflegung an Bord ist, nun ja, nicht wirklich üppig. Es reicht zum Leben, aber mehr auch nicht. Die Werkzeuge und den Karren würde ich ihnen abkaufen.«

Walther Pendleton wusste genau, wie er die Menschen ködern konnte. Eine Stunde später war alles geregelt und sie saßen in einer bescheidenen, aber sauberen Herberge auf dem Bett. Im Mieder von Bidelia steckten die ganzen Ersparnisse, die sie hatten, und sie nahm sich vor, gut darauf zu achten.

»Ein Tagwerk Land pro Kind! Geschenkt!« Farrell war außer sich vor Freude.

»Farrell McGrath! Ich weiß, was in deinem Kopf und in deinen Hosen vorgeht. Aber ich habe keine Lust, dort mit einem Kind unter dem Herzen anzukommen, ohne zu wissen, was mich erwartet!«

Er verzog beleidigt das Gesicht. Bidelia musste lachen, als sie ihn so sah.

»Nun komm, du Ochse. Ich hab nicht gesagt, dass ich was gegen das, was in deiner Hose lauert, habe. Ich will nur nicht schwanger dort ankommen. Alles andere …«

Sie ließ den Satz unvollendet, als sie sich aus ihrem Kleid und dem Mieder schälte, ihren Mann an die Hand nahm und auf das Bett zog.

Die Vergessenen - Teil 1: Gefangen

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