Читать книгу Die Vergessenen - Teil 1: Gefangen - Werner Diefenthal - Страница 15

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Cork, September 1652

Second Lieutenant William Burnes öffnete die Tür zum Büro des Ortskommandanten und warf sie hinter sich zu. Ein heftiger Regenschauer peitschte über die Stadt, Burnes war völlig durchnässt, was seiner ohnehin schon schlechten Laune nicht förderlich war. Er stapfte in das Büro des Kommandanten, hinterließ dabei kleine Pfützen auf dem Boden, aber das war ihm in diesem Moment völlig egal. Gerade eben erst hatte Major Ramston ihm eine Standpauke gehalten und diese gedachte er weiterzugeben.

Der Ortskommandant, ein fetter Bürokrat Namens Walther Pendleton, von dem man sagte, er wäre mit Oliver Cromwell verwandt und hätte nur auf dessen Geheiß diesen Posten erhalten, thronte hinter seinem Schreibtisch und hob die buschigen Augenbrauen. Seine Augen, die fast völlig hinter Fettpolstern im Gesicht verschwanden, waren glasig.

›Betrunken‹, dachte Burnes angewidert.

»Was führt Sie zu dieser Stunde und bei diesem Wetter her?«, nuschelte Pendleton.

»Ihre Unfähigkeit, Sir.«

Pendleton schluckte.

»Bitte?«

»Sie haben mich verstanden. Wenn Sie weniger dem Gin zusprechen, sondern sich um Ihre Aufgaben kümmern würden, könnte ich jetzt warm und gemütlich im Trockenen sitzen und müsste meine Zeit nicht mit Ihnen verschwenden.«

»Ich verstehe nicht …«, stammelte der offensichtlich sturzbetrunkene Mann.

»Sie verstehen nicht? Sie haben Ihre Quote noch nicht erfüllt. In wenigen Wochen kommen die Schiffe, das ist Ihnen klar, oder?«

»Ja, sicher aber …«

Burnes baute sich zu seiner vollen Größe auf.

»Was aber? Mir wurde gesagt, dass Sie noch nicht einmal die Hälfte der benötigten Arbeiter haben, weder für Virginia, noch für Barbados!«

Pendleton stand auf, schwankte leicht und hielt sich an seinem Schreibtisch fest.

»Mit Verlaub, Sir, wenn Ihre Soldaten nicht jeden direkt aufknüpfen würden, dann wären die Schiffe mehr als voll! Aber statt die jungen und kräftigen Männer in Ketten zu legen, hängen sie sie an Bäume! Alleine gestern haben sie wieder mehr als ein Dutzend aufgehängt! Alles gute Arbeiter! Bauern, Handwerker. Und es heißt, dass sie die Frauen vorher unter sich aufteilen, bevor sie die ebenfalls aufknüpfen. Wie, Sir, soll ich da meine Quote erfüllen?«

»Das sind nur Gerüchte!«, erwiderte Burnes mit zusammengepressten Zähnen.

»Nein, Sir, ich habe es sogar selber gesehen. Heute bin ich auf der Suche nach Männern an mehreren Leichen vorbeigekommen. Baumelten da und schaukelten im Wind.«

»Das sind alles nur Kerle, die wir nicht brauchen können. Sie würden nur Ärger machen.«

»Das kann man ihnen mit der Peitsche austreiben, das haben Sie selber einmal zu mir gesagt.«

Burnes schluckte. Im Inneren wusste er, dass Pendleton Recht hatte. In den letzten Wochen hatten es einige Patrouillen übertrieben. Das war auch ein Thema des Gespräches mit seinem Major gewesen.

»Nun, Sir, ab sofort gilt der Befehl, dass die Patrouillen niemanden mehr aufhängen dürfen. Alle Personen, derer man habhaft wird, sind dem Sonderrichter vorzuführen, dieser wird dann entscheiden.« Dieser Richter war niemand anderes als sein Major, aber das musste er Pendleton nicht auf die Nase binden. »Doch was ist mit den Freiwilligen? Auch da sind es zu wenige. Wir müssen das Schiff voll bekommen. Und je eher, desto besser.«

»Das ist weitaus schwieriger, als Sie es sich vorstellen. Die Exzesse Ihrer Männer helfen dabei nicht unbedingt. Die Menschen haben Angst.«

»Ja, das ist mir bewusst. Aber wie wollen Sie die Freiwilligen bekommen?«

»Ich lasse Boten ausreiten. Wir erhöhen das Angebot. Fünf Jahre Dienst auf der Plantage, dafür erhalten sie Überfahrt, ein eigenes Haus auf der Plantage, Verpflegung, Lohn, einen freien Tag die Woche und am Ende erhält jeder fünf Tagwerk, ein Ehepaar erhält zusätzlich zwei umsonst und für jedes Kind, das sie während dieser fünf Jahre bekommen, erhalten Sie obendrauf ein Tagwerk. Und dieses ist geschenkt, wird ihnen also nicht vom Lohn einbehalten.«

Burnes nickte.

»Wurde das genehmigt?«

»Ja, Sir. Von Cromwell persönlich.«

Der Second Lieutenant nickte, dachte kurz nach.

»Sie haben noch vier Wochen. Sollten bis dahin nicht genug Freiwillige und auch nicht genug Gefangene vorhanden sein, werden wir uns nach jemandem umsehen müssen, der die Vorgaben erfüllt.« Er beugte sich vor, sah Pendleton in die Augen. »Und dann hilft Ihnen weder Cromwell noch Gott, glauben Sie mir, Sir. Es heißt, dass Oliver Cromwell mit Versagern nichts anfangen kann. Ich hoffe für Sie, dass Sie nicht seekrank werden. Gute Nacht, Sir.«

Mit Schwung drehte er sich um, stapfte aus dem Haus, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Nach den letzten Sätzen, die er zu Pendleton gesagt hatte, fühlte er sich wesentlich besser.

Die Vergessenen - Teil 1: Gefangen

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