Читать книгу 95 Lutherorte, die Sie gesehen haben müssen - Werner Schwanfelder - Страница 7
Altenburg, Die Spalatin-Stadt
ОглавлениеEr hieß Georg Burkhardt, war ein uneheliches Kind, Vater unbekannt, und wurde am 17. Januar 1484 in Spalt, also in tiefster fränkischer Provinz, geboren. Was sollte aus ihm schon werden? Da hatte er die Kühnheit, sich gemäß damaligem humanistischen Brauch nach seiner Heimatstadt Spalt in Spalatin umzubenennen. Er studierte Theologie, erhielt 1503 die Magisterwürde in Wittenberg und wurde 1507 zum Priester geweiht.
Entscheidend war, dass er eine Stelle als Prinzenlehrer am kurfürstlichen Hof in Torgau erhielt und dadurch schnell das Vertrauen des Kurfürsten Friedrich III. von Sachsen, genannt der Weise, erwarb. Es wird kolportiert, dass er zwar nicht der beste Lehrer, aber der beste Geheimsekretär, geistlicher Berater und Hofprediger war. In Wittenberg lernte er Luther kennen. Sie befreundeten sich. Die Geschichtsschreibung sieht ihn als Bindeglied zwischen Luther und Friedrich dem Weisen, denn Reformator und Kurfürst hatten sich persönlich nie kennengelernt.
Spalatin, der Diplomat, wachte über Luther und beeinflusste Weltgeschichte. Er nahm an allen wichtigen Reichstagen und Fürstentreffen seiner Zeit teil und erkannte schnell die politischen Strömungen. Es war Spalatins Plan, Luther nach dem Reichstag in Worms 1521 zum Schein auf die Wartburg zu entführen, um ihn so in Sicherheit zu bringen.
Nach dem Tod Friedrichs des Weisen verlor auch Spalatin seine Arbeit. Nun konnte sich sein Freund Luther revanchieren. Auf dessen Empfehlung kam er 1525 als Stadtpfarrer nach Altenburg. Spalatin beschloss, in Altenburg die Ideen der Reformation umzusetzen und veränderte die Strukturen der damaligen Stadtgesellschaft vollständig. Die Klöster wurden aufgelöst. Das Gesundheitswesen, das Bildungswesen und auch die Armenversorgung wurden neu und modern organisiert. Herkulestaten.
Spalatin erkannte, dass man Menschen mit Begeisterung motivieren kann – allerdings nur vorübergehend. Danach muss sich das Leben qualitativ verbessern. So erfand er die Methode der Visitationen. Bei diesem Verfahren wurden die kirchlichen Strukturen und die Geistlichen in den Gemeinden überprüft und Verbesserungen eingeführt: In den Jahren von 1527 bis 1542 wurden auf diese Weise die landeskirchlichen Strukturen geschaffen. Er stand in regelmäßigem Austausch mit Luther, hauptsächlich brieflich, aber sie besuchten sich auch häufig. Spalatin hat seine Bedeutung sehr realistisch eingeschätzt. Er behauptete von sich: „Wenn ich nicht gewesen wäre, nimmer wäre es mit Luthero und seiner Lehr soweit kommen.“
Der gewaltige Macher litt in seinen letzten Lebensjahren an Depression. Zu groß waren die Probleme der Umsetzung der Reformation. 1545 starb der Steuermann der Reformation in Altenburg und wurde in der St. Bartholomäikirche beigesetzt.
Wichtigste Person an seiner Seite war seine Frau Katharina, die er am 19. November 1525 in der St. Bartholomäi Kirche von Altenburg geheiratet hatte. Katharina Spalatin war die Chefin des Haushalts: Zwei Töchter, das große Haus, ein kleiner Bauernhof mit sechs Hektar Äckern und Wiesen, zwei Gärten und Vieh, darunter sieben Rinder und vierzehn Schweine, ein eigenes Brauhaus mit einem Ausstoß von 18.000 Liter Bier im Jahr – und viele Gäste. „Meine Fessel“ nannte Spalatin seine Frau Katharina, eher bewundernd als lamentierend und als intellektuelles Wortspiel, weil „catena“ eben Fessel heißt.
Die Spalatin-und Luther-Stätten in Altenburg sind:
Die Brüderkiche, zwar erst 1905 erbaut, allerdings auf dem Grund der alten Franziskaner-Klosterkirche aus dem 13. Jahrhundert. Das Kloster wurde 1529 aufgelöst, die Klostergebäude wurden zu Schulgebäuden.
Das Renaissance-Rathaus am Markt schuf der sächsische Baumeister Nicolaus Grohmann, der auch die Schlosskapelle in Torgau als erste protestantische Kirche erbaut hatte. Dies war sein Einsatz für Reformation und Renaissance gleichermaßen.
Die Nikolaikirche wurde bald ein Opfer der Reformation: 1528 geschlossen und dann rückgebaut, so dass heute nur noch der Turm existiert. Er ist begehbar und gewährt einen herrlichen Blick über die Stadt.
Das Augustiner-Chorherrenstift „die Roten Spitzen“, nationales Kulturdenkmal, bestimmt mit seinen Backsteintürmen die Silhouette der Stadt.
Schließlich ist die Stadtkirche St. Bartholomäi zu nennen, die älteste Stadtkirche.