Читать книгу Die Pueblo-Kulturen - Werner-Wolf Turski - Страница 15
Оглавление4.2.3. Die kulturelle Formierung
Die ersten Kulturpflanzen – nachweisbar sind Mais und Kürbis – erreichten gegen 1900 v.d.Z. das Colorado Plateau und wurden wahrscheinlich in der Folgezeit ergänzend zu den Ergebnissen der Sammel- und Jagdtätigkeit auch im Bereich des Chaco Canyon genutzt. Die früheste Keramik – die sogenannte Obelisk Gray Ware und eine Brownware – erschien in diesem Raum zwischen 400 und 500 u.Z. in der späten Basketmaker II - Zeit. In der La Plata Phase von 500 bis 700/750 u.Z. (annähernd Basketmaker III von 400/500 bis 750 u.Z.) wurde die sogenannte La Plata Brown Ware, die Lino Gray Ware und die Obelisk Gray Ware Keramik hergestellt. Die Behausungen aus dieser Zeit sind flach eingetiefte Grubenhäuser, die gegen Ende der Phase (ab 700 u.Z.) durch tiefere Grubenhäuser ersetzt werden. Die Grubenhäuser sind oft verstreut errichtet worden, aber es sind auch vereinzelt bereits dorfähnliche Grubenhausanhäufungen anzutreffen, bei denen größere Grubenhäuser von den Archäologen bereits als Kiva bezeichnet werden. Vereinzelt wurden auch bereits übertägige mittelgroße Vorratsräumlichkeiten neben den auch für die Vorratshaltung gebauten sogenannten “Steinplatten-Kisten” errichtet. Parallel dazu entstanden ab 700 u.Z. auch die ersten nicht eingetieften, sondern auf der Erdoberfläche errichteten Wohnbauten. In der La Plata Phase wurde auch um 400/500 u.Z. Pfeil und Bogen übernommen und damit die Jagd effektiviert. Als neue Kulturpflanze wurden die Bohnen genutzt.
Mit der Pueblo I - Periode (750 bis 900 u.Z.) oder White Mound Phase (700/750 bis 875/900 u.Z.) erscheint die Whitemound Brown Ware und die Lino Gray Ware Keramik. Tiefe Grubenhäuser werden noch genutzt, aber es entstehen die klassischen Pueblo-Hausstätten kleiner bis mittlerer Größe mit Mauern nach der Jacal-Bauweise und aus flachen Steinplatten. Die kleinen Ursprungsbauten der ersten Großhäuser wie Pueblo Bonito und Una Vida werden ab 850 u.Z. errichtet. Die anfangs noch seltenen Vorratsbauten nehmen zahlenmäßig und an Bedeutung stark zu.
Seit 900 u.Z. - mit Beginn der Early Bonito Phase von 900 bis 1040 u.Z. (= Pueblo II Periode von 900 bis 1050 u.Z.) - spricht man bei der Chaco Canyon Kultur vom Aufblühen des sogenannten Chaco Phänomens. Einen sicher nicht unwesentlichen Einfluss darauf hat auch das Ende der von 700 bis 875/900 u.Z. wirkenden Trockenzeit mit extrem ungünstigen klimatischen Verhältnissen (rapide Abnahme der wirksamen Feuchtigkeit, sehr starke Erosionserscheinungen, Grundwasserabsenkungen, von Saison zu Saison und von Jahr zu Jahr stark wechselnde Regenniederschlagsmengen) mit dem Übergang zu einer zuverlässigeren und feuchteren Klimalage, die einen Bodenbau mit erheblich größerem und zuverlässigerem Mehrprodukt zuließ und bis ca. 1000 u.Z. anhielt. (Die folgende etwas ungünstigere Zeit danach reichte bis 1130 u.Z. und verschärfte sich dann allmählich zu einer Jahrzehnte langen Dürre mit ihrem Höhepunkt um 1180/84 u.Z.)
Das sogenannte Chaco Phänomen wird Außenstehenden nur über wenige markante Indizien beschrieben. Die wirtschaftliche Grundlage war der Bodenbau, der durch eine Reihe von technischen Anlagen die fallweise reichlicheren und zuverlässigeren Niederschläge in dem semi-ariden Gebiet effektiv nutzen konnte, so dass die produktive Erreichung eines relativ großen - wie groß es auch immer war - Mehrproduktes möglich wurde, das zur Pufferung der stets vorhandenen, niederschlagsgebundenen Ertragsrisiken langfristig gespeichert wurde. Die Schaffung und die erreichte Größe des Mehrproduktes, die Organisation seiner Bevorratung und die Verteilung/Nutzung der gespeicherten Produkte initiierte bei den Produzenten eine gesellschaftliche und eine spirituell-rituelle Entwicklung, die die Gemeinden und die Gemeinschaften zu einem informellen, kommunikativen, wahrscheinlich spirituell basierten Austauschnetzwerk (von einigen Wissenschaftlern als „Regionalsystem“ bezeichnet) verband, von dem einige Standort-„Knoten“ gewichtigere und andere weniger gewichtige gesellschaftliche Aufgaben sakralen und profanen Charakters wahrzunehmen hatten. Zum Kerngebiet dieser kulturellen Entwicklung wurde der Chaco Canyon. Über diese Strukturen gibt es seit der Kenntnisnahme der Indizien, der kulturellen Überreste der Chaco-Anasazi, durch die „weißen“ Wissenschaftler zahllose Hypothesen und Theorien, von denen ein Teil sicher Elemente einer zutreffenden bis möglichen Interpretation der Indizien enthält. Das treffendste Bild zu dieser Situation war sinngemäß die Bemerkung: „Der Chaco ist ein Park für die Gedanken ..... gehen wir also in diesem Park beobachtend und nachdenkend spazieren und beachten die Gefahr des Verirrens!“
Die Indizien der Chaco-Kultur und auch für das sogenannte Chaco-Phänomen sind
die Anlagen für die Wassernutzung und für die Förderung des Bodenbaus,
die Wohn-, Vorrats- und Sakralbauten,
die „Straßen“ des Chaco (Chaco Roads),
sein Handwerk und
seine Interaktivitäten.
Eine zweifellos wichtige und in ihrer Wirksamkeit auf die Chaco Anasazi kaum noch nachzuvollziehende spirituelle Rolle spielte die Ausrichtung des oben genannten 15 km langen Abschnitts des Canyons, der eine Sichtachse hatte, deren östliches Ende am Horizont den Punkt des Wintersonnenwendesonnenaufgangs und deren westliches Ende den Punkt des Sommersonnenwendesonnenuntergangs am Horizont markierte. Auf dieser Linie befanden sich auf den Enden und in der Mitte drei bewusst platzierte Pueblobauten (Penasco Blanco und Pueblo Bonito) und die Großkiva von Kin Nahasbas. Weitere Ausführungen dazu sind im Abschnitt „Der spirituelle Ursprung und Hintergrund“ nachzulesen.
Das durch bessere Niederschlagsbedingungen für Bodenbauer offensichtlich „materiell“ gesegnete Tal erhielt in den Augen seiner Nutzer und Bewohner durch seine Ausrichtung eine „spirituelle“ Bedeutung, die dieses Tal in ihrer Welt zum absoluten Mittelpunkt werden ließ. Eventuell waren spezielle Fruchtbarkeitszeremonien, die astronomische Erkenntnis dieser Talausrichtung und die verstärkten Niederschläge weitgehend gemeinsam/gleichzeitig aufgetreten/wahrgenommen worden und bildeten so einen Mythos auf einer lange Zeit (850/900 bis 1130/1150 u.Z.) tragfähigen materiellen Grundlage.
Der kulturelle Kollaps dieser Kultur erfolgte in diesem für den Bodenbau ökologisch sensiblen Gebiet durch eine der im Südwesten immer wieder und mit unterschiedlicher lokaler und regionaler Wirkung auftretende klimatische Verschlechterung (Unzuverlässigkeit des Niederschlagsanfalls betreffs seiner Zeitpunkte als auch seiner Mengen), die den Bodenbau als wirtschaftliche Grundlage dieser Kultur sehr stark störte. Dadurch auftretende Nahrungsmangelerscheinungen führten zu gesellschaftlichen Konflikten, die die bisher erfolgreich ausgeführten rituellen Praktiken extrem in Frage stellten und auch zu einem Zusammenbruch des spirituellen Systems der Chaco-Anasazi führten. Die Wirtschaft und der Überbau waren für die Kultur und Gesellschaft der Chaco-Anasazi nicht mehr tragfähig und die Menschen mit ihren Erfahrungen verließen weitgehend ihr bisheriges Wirkungsgebiet.
Die Auflösung der Gemeinschaften und die Abwanderung der Chaco-Anasazi erfolgte nicht plötzlich, sondern wenigstens über 10 Jahre. Die einzelnen Gruppen zogen radial vom Chaco Gebiet fort – stärker ins Northern San Juan Gebiet, ins Kayenta-Gebiet und weiter bis zu den Nord-Sinagua, jedoch auch nach Süden in den Mogollon- und Salado-Bereich und nach Cibola. Mit entsprechend zeitlicher Verzögerung kamen auch einige Gruppen bis in das östlich der Kontinentalscheide liegende Rio Grande Becken. Dabei waren die Ankömmlinge nicht immer „direkte“ Chaco-Menschen, sondern auch Gruppen, die von den Wanderungen der Chaco-Anasazi zum Weiterziehen veranlasst worden waren. Wanderungsinitiale hatten oft einen Domino-Effekt, der weniger von Gewalttätigkeiten als von Ressourcenstress weitergetragen wurde. Eine mögliche Ausweichrichtung war u.a. sicher die bereits Anfang der 1100er Jahre u.Z. erfolgte Chaco-Besiedlung nördlich des San Juan River im Gebiet der Aztec Pueblos (1110 bis 1175 u.Z.), bis auch dort die Dürre die Menschen zum Weiterziehen veranlasste.
Nach 1150 bis maximal 1250/1270 u.Z. erfolgte aber eine Wiederbesiedlung der von den Chaco-Anasazi verlassenen Gebiete durch Menschen, die vermutlich aus dem nördlichen San Juan Gebiet (Mesa Verde) kamen, wo ab 1100/1150 u.Z. wahrscheinlich auch wegen klimatisch schlechter werdender Bedingungen für den Bodenbau auf den sonst relativ niederschlagsreichen Mesa-Oberflächen der „Umzug“ in die Kliffwohnstätten erfolgte. Im Rahmen dieser Wanderbewegung konnten erste Gruppen bereits beim Baubeginn der letzten Großhäuser (McElmo-Stil) um 1100 u.Z. im Chaco angekommen sein. Spätere kleine Gruppen nutzten, teilweise nach Umbauten, Räume in den Großhäusern. Die Bodenbauressourcen reichten aber bei den jetzt schlechter gewordenen klimatischen Bedingungen offensichtlich immer noch für den Erhalt einer kleinen Menschengruppe. Erst mit den Beginn der großen, 30 Jahre währenden Dürre war das Gebiet wirtschaftlich auch für einen bescheidenen Bodenbau nicht mehr nutzbar bzw. bessere Alternativen waren durch Abwanderung in Aussicht.
Die hier erfolgte Darstellung einiger Strukturelemente der Kultur der Chaco-Anasazi ist die Sichtweise des Autors, die in einigen Elementen auch mit der Sichtweise anderer Menschen übereinstimmen kann. Aber genauso groß wie in den Theorien anderer sind auch hier die Wissenslücken gravierend. Die Aufgabe besteht darin, durch eine bestimmte Elementverbindung diese Lücken zu überspannen. Es gibt so viele Theorien über die Chaco-Anasazi und die Großhausfunktion wie es Archäologen gibt, die an diesem Problem arbeiten bzw. gearbeitet haben. Viele Differenzen ergaben sich aufgrund der Konzentration auf die Architektur des Chaco Canyons, wovon viel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgegraben wurde, als moderne Methoden der Datenerfassung noch nicht entwickelt waren.