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Besitzerhaltung, Absicht der § 252 StGB

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Die Absicht, »sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten«, erfordert den zielgerichteten Willen des Täters, in fortbestehender Zueignungsabsicht zu verhindern, dass ihm der erlangte Gewahrsam zugunsten des Bestohlenen wieder entzogen wird.

Diese Absicht wird nicht durch das Bestreben ausgeschlossen, der Ergreifung (Festnahme) zu entgehen. Ist die Ermöglichung der Flucht jedoch das einzige Ziel des Täters, fehlt die Besitzerhaltungsabsicht auch dann, wenn der Täter sicher weiß, dass die Flucht zugleich den Gewahrsamsentzug verhindert (Rn. 147).

Literatur:

Küper JZ 2001, 730 ff; LK-Vogel § 252 Rn. 62 ff (abw. zur »unmittelbar bevorstehenden« Gewahrsamsentziehung). Einführend: Dehne-Niemann Jura 2008, 742 (745 ff).

Rechtsprechung

Grundlegend: BGHSt 9, 162 (163 f); 13, 64 (65). Beispielhaft: s. die Nachw. in Rn. 147 a.E. und LG Freiburg i.Br. ZIS 2006, 40 (41 f – Gewaltanwendung nach Verzehr des Diebesguts) mit abl. Anm. Marlie, S. 42 (45).

BGHSt 13, 64 (65): Die „Absicht muß darauf gerichtet sein, eine Gewahrsamsentziehung zu verhindern, die – sei es in Wirklichkeit, sei es nach seiner Annahme – gegenwärtig ist oder unmittelbar bevorsteht. Diese Absicht braucht aber nicht der einzige Beweggrund für die Gewaltanwendung zu sein. Es genügt, wenn sie einer unter mehreren Beweggründen ist.“

Erläuterungen

I. Grundsätzliches zur (einschränkenden) Auslegung

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Wegen der in § 252 StGB angeordneten »Gleichstellung« des räuberischen Diebstahls mit dem Raub (dazu Rn. 153) wird bei der Besitzerhaltungsabsicht überwiegend eine einschränkende Auslegung des Wortlauts gefordert, wobei »Besitz« in § 252 StGB strafrechtlich, als Innehabung von »Gewahrsam«, zu verstehen ist.[1]

Hierzu gehört zunächst, dass sich die Absicht gegen die „Restitutionsinteressen des Bestohlenen“[2] richten, d.h. darauf abzielen muss, „eine Entziehung des gerade erlangten Gewahrsams zu Gunsten des Bestohlenen zu verhindern“[3]. Richtet sich die Absicht gegen den drohenden Zugriff eines anderen Delinquenten, so liegt Besitzerhaltungsabsicht i.S. des § 252 StGB demzufolge nicht vor. Weiterhin muss sich die Absicht als Fortführung der schon die Vortat prägenden Zueignungsabsicht darstellen; sie ist »modifizierte Zueignungsabsicht«. Wer z.B. nur noch seine Überführung verhindern will oder allein das Ziel verfolgt, die Sache zu vernichten oder sie dem Berechtigten zu entziehen, verfügt mangels Aneignungswillen nicht über die erforderliche Absicht der Besitzerhaltung. Dies ist in der Rechtsprechung[4] anerkannt und entspricht der nahezu einhelligen Meinung des neueren Schrifttums.[5] Zu beachten ist, dass durch das 6. StrRG (1998) zwar die Absicht der Zueignung um eine »Drittzueignung«[6] erweitert wurde, jedoch bei § 252 StGB die Absicht, einem »Dritten« den Besitz zu sichern, nicht in den subjektiven Tatbestand einbezogen worden ist (zu den daraus folgenden Problemen etwa bei der Mittäterschaft Rn. 148 f).

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Umstritten ist, ob Besitzerhaltungsabsicht nur vorliegt, wenn die Gewahrsamsentziehung nach der Tätervorstellung schon »gegenwärtig« ist oder »unmittelbar bevorsteht«. Dies wird von der Rechtsprechung in weiterer Einschränkung des Wortlauts gefordert. Es soll nicht ausreichen, wenn der Täter ohne die Befürchtung einer sofortigen Gewahrsamsentziehung in der Absicht handelt, zunächst seine Identifizierung zu verhindern, um sich auf diese Weise gegen einen späteren Besitzverlust zu schützen.[7] Das »Gegenwärtigkeits-« oder »Unmittelbarkeitserfordernis« der Rechtsprechung hat in der Literatur erhebliche Zustimmung gefunden, weil nur unter dieser Voraussetzung ein dem Raub gleichwertiges Unrecht vorliege: Parallel zum Raub, bei dem der Täter das jeweilige Nötigungsmittel »unmittelbar« zur Wegnahme (Gewahrsamserlangung) und nicht bloß zu deren Vorbereitung einsetzen müsse,[8] erfordere der räuberische Diebstahl den analogen Einsatz zur »unmittelbaren« Gewahrsamssicherung gegen eine aktuelle Entziehungsgefahr.[9]

Die verbreitete Gegenauffassung, die eine »prophylaktische« Abwehr der späteren Entziehungsgefahr genügen lässt,[10] sieht die notwendige Gleichwertigkeit mit dem Raubunrecht schon dadurch gewährleistet, dass der Täter mit dem Ziel, den bedrohten Gewahrsam bereits »gegenwärtig« präventiv zu schützen, überhaupt »Raubmittel« in fortbestehender Zueignungsabsicht anwendet. Auch dürfte der Unrechts- und Schuldgehalt eines »prophylaktischen« Einsatzes solcher Mittel eher höher sein als derjenige einer Nötigungshandlung bei unmittelbarem Risiko der Gewahrsamsentziehung: Der Täter kalkuliert nämlich (in berechnender Weise) den späteren Besitzverlust schon ein und handelt bereits vorsorglich zu dessen Abwehr, ohne schon der Bedrängnis einer aktuellen Entziehungsgefahr ausgesetzt zu sein.[11]

II. Besitzerhaltungsabsicht und Fluchtmotiv

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Die Verhinderung der Gewahrsamsentziehung braucht weder das einzige noch das dominierende[12] Handlungsziel zu sein. Der Täter verfügt also auch dann über die Besitzerhaltungsabsicht, wenn er zudem weitere Ziele verfolgt (Motivbündel), etwa seine Flucht zu ermöglichen oder seine drohende Ergreifung zu verhindern. In der Praxis bereitet allerdings die Feststellung der Besitzerhaltungsabsicht bei konkurrierendem Fluchtmotiv häufig besondere Schwierigkeiten. Denn ein solches Motiv steht der Annahme einer Absicht i.S. des § 252 StGB nicht grundsätzlich entgegen, kann sie ggf. aber auch gänzlich (!) verdrängen. „Die Schwierigkeiten des Nachweises ergeben sich dabei oft daraus, daß es dem Täter nicht ohne weiteres möglich ist, die … Beute loszuwerden, ohne sich … in die Gefahr zu begeben, endgültig ergriffen zu werden; es kann daher allein daraus, daß der Täter die Beute vor der Gewaltanwendung … nicht weggeworfen hat, nicht auf das Vorliegen der Gewahrsamsbehauptungsabsicht geschlossen werden.“[13]

III. Beteiligungsprobleme

1. Grundvoraussetzungen der Täterschaft

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Nach überwiegender Auffassung kann auch derjenige, der die speziellen Voraussetzungen des § 252 StGB erfüllt – Anwendung qualifizierter Nötigungsmittel (»Raubmittel«) in tatbestandlicher Besitzerhaltungsabsicht –, nur dann Täter des räuberischen Diebstahls sein, wenn er zugleich Täter (Mittäter) der Vortat ist: Beide Komponenten des »zweiaktigen« Delikts müssen danach täterschaftlich verwirklicht werden, weil sonst die gesetzlich angeordnete »Gleichstellung« mit dem Raub nicht gerechtfertigt wäre.[14] Dabei ist jedoch einerseits zu berücksichtigen, dass ein Teilnehmer (Anstifter/Gehilfe) der Vortat oder ein an ihr ursprünglich Unbeteiligter durch eine Besitzsicherungshandlung i.S. des § 252 StGB nach den Regeln der »sukzessiven Mittäterschaft« (sofern und soweit man sie denn anerkennt) zum Mittäter der Vortat avancieren kann.[15] Andererseits ist zu beachten, dass eine täterschaftliche Begehung des § 252 StGB notwendig stets die Zueignungsabsicht – eventuell in Form der »Drittzueignungsabsicht« – und außerdem die Absicht voraussetzt, »sich« im Besitz der gestohlenen Sache zu erhalten; eine Absicht bloßer »Drittbesitzsicherung« genügt nach der eindeutigen Fassung des subjektiven Tatbestandes nicht (Rn. 145 a.E). Wer in der Absicht der »Drittzueignung« handelt, kann deshalb nur dann Täter des § 252 StGB sein, wenn er auch die Absicht der »Selbstbesitzerhaltung« hat.[16] Diese Absicht wird freilich nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vortäter zunächst den eigenen Besitz sichern will, um die Sache später dem begünstigten »Dritten« zuzuwenden oder die ungeteilte Beute mit dem nicht besitzenden Vortatmittäter zu teilen (zur Besitzerhaltungsabsicht bei Besitz des Mittäters und Drittzueignungsabsicht des Täters Rn. 149).

Nach bisheriger Rechtsprechung und einer Minderheitsansicht im Schrifttum soll jedoch auch der Vortat-Teilnehmer gleichwohl Täter des § 252 StGB sein können, sofern er selbst im Besitz der Beute ist und zur Sicherung dieses Besitzes die tatbestandliche Nötigungshandlung vornimmt.[17] Die Kontroverse betraf bis 1998 namentlich die Fälle, in denen ein Vortatbeteiligter deswegen nicht Täter (Mittäter) der Vortat sein konnte, weil ihm bei der Wegnahme die Absicht fehlte, »sich« die Sache zuzueignen. Mit Blick auf die gebotene Gleichstellung zum Raub wurde deshalb eine Mittäterschaft für diese Beteiligten abgelehnt. Diese Argumentation ist so nicht mehr aufrechtzuerhalten. Denn nach Einführung der »Drittzueignung« (6. StrRG) können Beteiligte, die nach früherem Recht mangels Absicht der »Selbstzueignung« lediglich als Teilnehmer der Vortat einzustufen waren, aufgrund ihrer »Drittzueignungsabsicht« zu Vortat-Mittätern aufrücken,[18] sofern sie bei der Vortat die sonstigen Voraussetzungen täterschaftlicher Begehung[19] erfüllen; zur Frage der Besitzerhaltungsabsicht in diesen Fällen Rn. 149.

2. Sonderfragen

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Von diesem Problem ist die andere Frage zu trennen, ob ein Täter (Mittäter) der Vortat die Voraussetzungen des § 252 StGB auch dann erfüllen kann, wenn er selbst nicht im Besitz der Beute ist, sondern lediglich den Gewahrsam eines anderen Beteiligten gegen Entziehung sichern will. Obwohl die Gesetzesfassung dies an sich ausschließt, hat die Rechtsprechung die Frage für Fälle der Vortat-Mittäterschaft bejaht[20] und damit im Schrifttum grundsätzliche Zustimmung gefunden: Der von einem Mittäter der Vortat erlangte Gewahrsam werde auch auf der Ebene des § 252 StGB (!) dem faktisch »nichtbesitzenden« Mittäter wie eigener Gewahrsam normativ zugerechnet, so dass dessen Sicherungshandlung prinzipiell dem »gemeinschaftlichen Besitz« der Mittäter gelte.[21] Ob diese Zurechnungslösung aber noch trägt, wenn ein in »Drittzueignungsabsicht« handelnder Mittäter allein den Besitz sichern will, den der zu begünstigende »Dritte« bereits innehat, wird in der Literatur mit Recht überwiegend bezweifelt.[22] Denn eine solche Zurechnung läuft auf die Anerkennung einer im Gesetz gerade nicht erwähnten Drittbesitzerhaltungsabsicht hinaus.

Da § 252 StGB im Übrigen kein »eigenhändiges Delikt« ist, soll der Vortäter, der eine entwendete Sache in Besitz hat, auch dadurch Täter des räuberischen Diebstahls werden können, dass in seinem Einverständnis ein an der Vortat Unbeteiligter oder ein Teilnehmer die tatbestandliche Nötigungshandlung zur Gewahrsamssicherung vornimmt; der Nötigende soll dann wiederum Beihilfe zu § 252 StGB begehen.[23] Diese Lösung setzt freilich voraus, dass die Sicherungshandlung dem Vortäter nach allgemeinen Beteiligungsregeln als täterschaftlicher, in der Absicht der »Selbstbesitzerhaltung« geleisteter Tatbeitrag zugerechnet werden kann. Dafür wird eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft vorgeschlagen (»partielle Mittäterschaft«).[24] Andere wollen nur Fälle anerkennen, in denen sich eine mittelbare Täterschaft durch Einsatz eines »absichtslos-dolosen« Werkzeugs bejahen lässt.[25]

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