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Wer sich in Gefahr begibt ...

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Hallo, Herr Hofer – sind Sie noch da? Ich verlasse jetzt meinen Fensterplatz, schließe die Luke über mir, steige vom Hocker herunter, schiebe ihn zur Seite und setze mich auf den Stuhl vor den Tisch. Ich bleibe also in meinem Zimmer. Hier habe ich ja ebenfalls Papier und Schreibwerkzeug.

Fragen Sie mich nicht, was ich mir gedacht habe und ob ich mir überhaupt etwas gedacht habe. Mir sind nur so Sprüche eingefallen wie: Wer sich in Gefahr begibt, der kommt darin um. Aber das war es ja gerade: Ich – ja, das dachte ich vielleicht! – glaubte ja gerade, einer Gefahr zu entfliehen und erst weit weg von daheim sicherer zu sein, wenigstens meine Ruhe zu haben. Auch unerkannt zu bleiben – schon durch den neuen Namen. Hier im Ort, da würde doch die Geschichte ewig an mir haften. Ein Nachmittag in Zwiefalten steigt nun vor meinem inneren Auge auf. Wir hatten ja da unseren Unterricht. Ein Gewerbeschullehrer kam von draußen herein – so wie später auch in der Burg – und versuchte, den Lehrlingen etwas beizubringen: den Schuhmachern, Schreinern, Schlossern undsoweiter. Und da ist es dann passiert. Beim Rechnen. Ganz einfache Aufgaben – Länge mal Breite; Breite mal Höhe. Sie können auch sagen: ein mal eins und zwei mal zwei. Ich starrte auf das leere Blatt vor mir. Und der Lehrer starrte auf mich. Er hatte etwas an die Tafel geschrieben, und nach meinem Eindruck gingen die mit Leichtigkeit an die Arbeit. Nur ich kam nicht weiter. Das traf mich. Der Lehrer stellte sich vor mich und fragte:

»Was ist, Simpel? Du hast doch sonst so eine große Klappe ...«

»Nein; das stimmt nicht.«

»Widersprich nicht. Beantworte mir die Frage: wieviel ist ein mal eins?«

»Ein mal eins ist – eins!« antwortete ich.

»Na, bitte! Und wieviel ist zwei mal zwei?«

»Zwei mal zwei ist – ist zwei mal zwei!«

»Simpel, es ist hoffnungslos«, schloß der Lehrer, drehte sich auf dem Absatz herum und unterhielt sich mit den andern – wie ich meinte, freundlich und hilfsbereit. Das traf mich nochmal. Wie in einem Anfall warf ich das Bleistift zu Boden und rannte hinaus, wischte aus der Anstalt und war schon in den Feldern. Dort warf ich mich in einen Graben, schlug die Hände über dem Genick zusammen und heulte – heulte, heulte, bis ich erschöpft war und nur noch wimmern konnte. So fand man mich dann gegen Abend, trug mich auf einen Hof; von dort fuhr man mich in einem Leiterwägele zurück in die Anstalt und brachte mich in eine Krankenzelle.

Der Sonderling

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