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2. Wilhelm von Ockham

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Radikaler noch als von Duns Scotus werden die Möglichkeiten der natürlichen Vernunft von Wilhelm von Ockham eingeschränkt.3 Erkenntnis im eigentlichen Sinne ist für ihn nur die unmittelbare, die intuitive Erkenntnis, „kraft deren gewußt werden kann, ob eine Sache ist oder nicht ist“ (O prol. 1, 2); „nichts kann auf natürliche Weise in sich selber erkannt werden, wenn es nicht intuitiv erkannt wird“. Aber ein solches Erkennen ist in bezug auf Gott nicht möglich; „Gott kann von uns nicht intuitiv vom rein Natürlichen her erkannt werden“ (O 3, 2f.).

Nun könnte es freilich eine indirekte Gotteserkenntnis geben, in Begriffen, die vom Seienden „auf natürliche Weise abstrahierbar“ sind. Aber damit „wird nicht Gott in sich selbst erkannt, da hier etwas anderes von Gott erkannt wird, weil alle Urteilsglieder … eine Art von Begriffen sind, deren keiner in Wirklichkeit Gott ist“. So bleibt äußerst wenig von einer Erkenntnis Gottes übrig; „wir können weder die Einheit noch die Ursprünglichkeit noch die unendliche Macht Gottes noch die göttliche Güte noch die göttliche Vollkommenheit in sich selber erkennen“ (O 3, 2 G und M).

Unter diesem Aspekt werden auch die Gottesbeweise fragwürdig; „es kann nicht evident gewußt werden, daß Gott ist“ (Q I 1). Das ist gegenüber einem Gottesbeweis, wie ihn etwa Anselm versucht hat, ohne weiteres einleuchtend; für den Nominalisten Ockham kann ein Beweis des Daseins Gottes aus dem bloßen Begriff nicht schlüssig sein. Aber auch die Basis der Gottesbeweise im Sinne des Thomas von Aquino erscheint Ockham problematisch; der Gedanke der Unmöglichkeit eines Rückganges ins Unendliche, auf dem jene großenteils beruhen, erscheint ihm nicht ausreichend gesichert; denn es „kann durch die natürliche Vernunft nicht bewiesen werden, daß Gott die wirkende Ursache irgendeiner Wirkung sei“ (Q II 1).

An die Stelle der natürlichen Vernunft tritt in weitem Umfang der Glaube. Was etwa die Allmacht Gottes betrifft, so schreibt Ockham ausdrücklich: „Es kann nicht bewiesen werden, daß Gott allmächtig ist, sondern das wird allein im Glauben festgehalten“ (Q I 1). Das aber besagt: Im Ausgang des Mittelalters bricht das Vertrauen auf die natürliche Vernunft zusammen; am Ende beherrscht der Glaube fast ausschließlich das Feld. Das ist dann auch die geschichtliche Voraussetzung, unter der Luthers schroffe Verwerfung einer Philosophischen Theologie zugunsten des Glaubens möglich wird, die – nach dem Zwischenspiel, das mit Melanchthon beginnt und sich in der protestantischen Scholastik fortsetzt – den späteren Protestantismus bis zur Gegenwart weithin beherrscht.

1 Die Werke von Duns Scotus werden unter Verwendung der folgenden Siglen zitiert: M = Quaestiones subtilissimae in Metaphysicam Aristotelis; O = Commentaria Oxoniensia; P = De primo principio; Q = Quaestiones quodlibetales; R = Reportata Parisiensia. – Die Übersetzungen stammen vom Verfasser.

2 Étienne Gilson, Johannes Duns Scotus, Einführung in die Grundgedanken seiner Lehre, übers. von W. Dettloff, Düsseldorf 1959, S. 58.

3 Die Werke Wilhelms von Ockham werden unter Verwendung der folgenden Siglen zitiert: O = Ordinatio (erstes Buch des Sentenzenkommentars); Q= Quodlibeta. – Die Übersetzungen stammen vom Verfasser.

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