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2. Sacra doctrina und Theologia philosophica

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Es gibt somit eine doppelte Möglichkeit, zu einer Erkenntnis Gottes zu gelangen. Thomas kann sie gelegentlich sogar als eine zweifache Weise der Wahrheit über Gott bezeichnen. „ In dem, was wir von Gott bekennen, gibt es eine doppelte Weise der Wahrheit. Einiges über Gott nämlich ist wahr, was alle Fähigkeiten der menschlichen Vernunft überschreitet, wie daß Gott dreifach und eines ist. Einiges aber ist wahr, wozu auch die natürliche Vernunft gelangen kann, wie daß Gott ist, daß Gott einer ist, und anderes dieser Art; das haben auch die Philosophen beweisend von Gott nachgewiesen, geführt vom Licht der natürlichen Vernunft“ (Sg I 3, 14). Dieser Scheidung entsprechend trennt Thomas die Theologie des Glaubens von der Philosophischen Theologie; „die Theologie, die zu der heiligen Lehre gehört, unterscheidet sich der Gattung nach von jener Theologie, die als ein Teil der Philosophie angesetzt wird“ (I 1, 1 ad 2).

Die erstere, die „sacra doctrina“, wird von Thomas insbesondere im Beginn der „Summa theologiae“ entwickelt. Sie handelt von Gott und von der Welt als Schöpfung. „Die hauptsächliche Absicht dieser heiligen Lehre ist es, die Erkenntnis Gottes zu vermitteln, … auch im Hinblick darauf, daß er der Ursprung der Dinge und ihr Ziel ist“ (I 2 prooem.). Auch die Welt gehört also mit in den Gegenstandsbereich der theologischen Wissenschaft, sofern die „sacra doctrina“ zwar „ursprünglich (principaliter) über Gott“ Bestimmungen trifft, aber doch auch von den „Geschöpfen“ handelt, und zwar „insofern, als sie auf Gott als auf Ursprung und Ziel bezogen werden“ (I 1, 3 ad 1).

Neben die „sacra doctrina“ stellt Thomas, unter Berufung auf Aristoteles, die „theologia sive scientia divina“ als einen „Teil der Philosophie“ (I 1, 1 obj. 2), ja als deren wesentlichen Teil, sofern „die Betrachtung fast der gesamten Philosophie auf die Erkenntnis Gottes zugeordnet ist“ (Sg I 4, 23). Thomas nennt sie auch ausdrücklich „Theologia … philosophica“ (B 5, 4 c). Sofern diese aber, der Tradition entsprechend, ihrerseits Gott und die Welt zum Gegenstand hat, unterscheidet sie sich nicht von der „sacra doctrina“. So sagt denn auch Thomas, nichts stehe dem entgegen, daß die philosophischen Disziplinen und die Theologie als sacra doctrina „von den gleichen Dingen“ sprechen. Gleichwohl behauptet er, sie unterschieden sich „der Gattung nach“ (I 1, 1 ad 2). Wo also liegt die Differenz?

Thomas erblickt den Unterschied in der Verschiedenheit der Ausgangspunkte. „In der Lehre der Philosophie … geht die erste Betrachtung auf die Kreaturen und die letzte auf Gott; in der Lehre des Glaubens aber … kommt zuerst die Betrachtung Gottes und dann erst die der Kreaturen“ (Sg II 4, 876). Daß die sacra doctrina von Gott ausgeht, gilt in einem betonten Sinne. Sie „empfängt ihre Prinzipien … unmittelbar von Gott durch die Offenbarung“ (I 1, 5 ad 2). Insofern sind ihre Prinzipien keines Beweises bedürftig (vgl. I 1, 8 c); sie werden vielmehr im Glauben entgegengenommen (vgl. I 1, 2 c).

Anders steht es mit der Theologia philosophica. Sie geht nach dem obigen Zitat nicht von Gott aus, sondern auf ihn zu. Ihr Ansatzpunkt sind „die Kreaturen“. Ist sie aber so nicht von vornherein in der göttlichen Wahrheit beheimatet, dann steht sie vor der Notwendigkeit, ihre Prinzipien ausdrücklich sichern zu müssen. Die Frage ist also, welche Gegebenheiten im kreatürlichen Bereich zurecht den Ausgangspunkt einer Philosophischen Theologie bilden können.

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