Читать книгу Friedrich Melchior Grimm, ein Aufklärer aus Regensburg - Winfried Wolf - Страница 4
Zwei Brüder – zwei Welten – Was kann aus Pfarrerskindern werden?
ОглавлениеFriedrich Melchior Grimm wurde am 26. September 1723 in Regensburg geboren. Sein Vater, Johann Melchior Grimm war hier Prediger, Mutter Sybille Margarete, geb. Koch, kam ebenfalls aus einem protestantischen Pfarrhaus. Die Familie Grimm stammte aus Thüringen und ist ab 1680 in Regensburg nachzuweisen. Das Ehepaar Johann Melchior Grimm und Sybilla Margaretha Grimm hatte acht Kinder, zwei davon starben früh. Aus den sechs verbliebenen Brüdern wurden geachtete Bürger, einer von ihnen wurde gar zum Freiherrn ernannt. Der erstgeborene Sohn hieß Johann Ludwig (1714-1777) und brachte es zum Ratsherren und Hansgrafen in Regensburg. Ulrich Wilhelm (1716-1788) wurde Superintendent und erster Beisitzer des ev. Consistoriums in Regensburg. Aus Samuel Friedrich (1717-1750) wurde ein Handelsmann in Mannheim. Leopold Wilhelm (1720-1774) ging nach seiner Ausbildung in die Dienste des Herzogs von Sachsen-Gotha und verdiente später sein Geld als Kauf- und Handelsmann in Gera. Aus Friedrich Melchior (1723-1807) wurde ein Geheimer Rat und bevollmächtigter Minister des Herzogtums Sachsen-Gotha in Paris, später wurde der zum Baron nobilitierte Grimm kaiserlich-russischer bevollmächtigter Minister in Hamburg. Hyronimus David (1727-1801) brachte es, wie sein Bruder Ulrich Wilhelm, bis zum Superintendenten in Regensburg.3
Begabte Söhne aus protestantischen Pfarrhäusern machten im 18. Jahrhundert gewöhnlich Karriere in den Wissenschaften, traten in den Hofdienst oder verblieben im kirchlichen Bereich. Beispiele dafür sind Gottsched, Lessing, Wieland, Lichtenberg, Jean Paul oder die Brüder Schlegel – alle kamen sie aus einem Pfarrhaus.
Wir können nur mutmaßen, wie es bei den Grimms zuhause ausgesehen hat, wir haben keine Aufzeichnungen darüber, worüber bei Tisch im Kreise der Familie gesprochen wurde. Das herrschende geistige Klima erschließt sich aber rückblickend ganz gut über die Entwicklung der beiden Söhne Ulrich und Melchior und der stilbildenden Wirkung eines evangelischen Pfarrhauses. Aus dem älteren Bruder Ulrich Wilhelm wurde ein evangelischer Pfarrer, es entsprach vermutlich dem Familienplan, dass er einmal die Nachfolge seines Vaters antreten sollte. Er galt in seiner Heimatstadt als guter Pastor und Prediger, wurde Superintendent, erster Konsistorial Assessor und Scholarch. Melchior war am Ende seines Lebens Gesandter des Herzogs von Sachsen-Gotha am französischen Hof, Staatsrat der russischen Zarin Katharina II. und wurde durch seine Correspondance littéraire zu einem bedeutenden Vermittler der europäischen Aufklärung.
Aus aufgeweckten Pfarrerskindern werden entweder Katecheten oder Revolutionäre – bei den Brüdern Melchior und Ulrich Grimm sind solche leichtfertig verwendeten Bezeichnungen nicht angebracht, aber auf dem Zenit ihrer Karrieren hätte wohl niemand auf den Gedanken kommen können, dass sie aus ein und derselben Regensburger Pfarrersfamilie stammten. Aus dem einen wurde eine wichtige Figur des 18. Jahrhunderts und der französischen Aufklärung, aus dem anderen ein evangelischer Geistlicher, der sich in Regensburg als Superintendent einen Namen machte.