Читать книгу Lexikon für das Lohnbüro 2022 (E-Book EPUB) - Wolfgang Schönfeld - Страница 724

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3.Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland

Arbeitnehmer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sind mit ihren inländischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

Inländische Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG liegen vor, wenn

 die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist,

 Arbeitslohn aus inländischen öffentlichen Kassen (vgl. dieses Stichwort) mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt wird,

 Einkünfte als Vergütung für eine Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland bezogen werden,

 Entschädigungen (Abfindungen) für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben,

 die Arbeit an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Flugzeugs ausgeübt wird, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird.

Der für die Tätigkeit im Inland bezogene Arbeitslohn ausländischer Arbeitnehmer ist jedoch – unabhängig davon, ob er im Inland der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegt – dann steuerfrei, wenn zwischen seinem Wohnsitzstaat und der Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) besteht und dieses Abkommen das Besteuerungsrecht dem ausländischen Staat zuweist.

Die Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, sind unter dem Stichwort „Doppelbesteuerungsabkommen“ unter Nr. 1 Buchstabe b aufgeführt.

In allen Doppelbesteuerungsabkommen wird das Besteuerungsrecht für eine in Deutschland ausgeübte nichtselbstständige Tätigkeit grundsätzlich der Bundesrepublik Deutschland als sog. Tätigkeitsstaat zugewiesen. Etwas anderes gilt nur bei einer vorübergehenden Tätigkeit im Inland, wenn die folgenden drei Voraussetzungen gleichzeitig gegeben sind:

1 Der Arbeitnehmer darf sich in Deutschland nicht länger als 183 Tage im Kalenderjahr (ggf. 12-Monats-Zeitraum) aufhalten. Dabei werden mehrere Aufenthalte innerhalb eines Kalenderjahres bzw. Zwölfmonatszeitraums zusammengerechnet.

2 Der Lohn darf nicht von einem Arbeitgeber gezahlt werden, der in Deutschland ansässig ist. Ob der Arbeitgeber im Inland ansässig ist, muss nach den Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens und nicht nach inländischem Einkommensteuerrecht entschieden werden.

3 Der Arbeitslohn darf nicht von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung getragen werden, die der im Ausland ansässige Arbeitgeber in Deutschland unterhält (sog. Betriebsstättenvorbehalt).

Alle drei Voraussetzungen müssen gleichzeitig erfüllt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, hat die Bundesrepublik Deutschland als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht.

Wenn ausländische Gesellschaften ihre Arbeitnehmer zu einem verbundenen Unternehmen im Inland entsenden und das inländische Unternehmen den Arbeitslohn wirtschaftlich trägt, steht Deutschland also die nach innerstaatlichem Recht (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG) vorgesehene Besteuerung des Arbeitslohns auch nach den einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen zu.

Seit 1.1.2004 ist deshalb der Begriff „inländischer Arbeitgeber“ erweitert worden (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG). Inländischer Arbeitgeber ist hiernach in den Fällen der Arbeitnehmerentsendung auch das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen, das den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt. Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn die von dem anderen Unternehmen gezahlte Arbeitsvergütung dem deutschen Unternehmen weiterbelastet wird. Die Erfüllung der Arbeitgeberpflichten setzt nicht voraus, dass das inländische Unternehmen den Arbeitslohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszahlt. Die Lohnsteuer entsteht bereits im Zeitpunkt der Arbeitslohnzahlung an den Arbeitnehmer, wenn das inländische Unternehmen aufgrund der Vereinbarung mit dem ausländischen Unternehmen mit einer Weiterbelastung rechnen kann. In diesem Zeitpunkt (= Arbeitslohnzahlung) ist die Lohnsteuer vom inländischen Unternehmen zu erheben (R 38.3 Abs. 5 LStR). Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Weiterbelastung kommt es nicht an. Seit dem 1.1.2020 ist das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen auch dann zum Lohnsteuerabzug verpflichtet, wenn es den Arbeitslohn nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen. Durch die Einbeziehung des „Fremdvergleichsgrundsatzes“ besteht also eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung des inländischen aufnehmenden Unternehmens auch dann, wenn tatsächlich kein finanzieller Ausgleich an das ausländische Unternehmen geleistet wird, aber unter Fremden ein Ausgleich vereinbart worden wäre.

Beispiel A

Eine französische Konzerngesellschaft entsendet mehrere Fachkräfte zur Durchführung eines Großauftrags zu einer Schwestergesellschaft in Deutschland, die dieses Projekt mit ihren eigenen Arbeitskräften nicht durchführen kann. Die französischen Arbeitnehmer erhalten ihr Gehalt für den gesamten Zeitraum von der französischen Gesellschaft; für den Monat Dezember 2021 erfolgt die Auszahlung zum 28. 12. 2021. Die französische Gesellschaft belastet das Gehalt aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung an die deutsche Gesellschaft weiter; das Dezembergehalt 2021 wird erst am 20. 1. 2022 weiterbelastet.

Die in Deutschland ansässige Gesellschaft ist als wirtschaftlicher Arbeitgeber im Sinne des DBA Deutschland-Frankreich anzusehen, sodass der Arbeitslohn – unabhängig von der Aufenthaltsdauer der Arbeitnehmer – dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegt. Die deutsche Gesellschaft hat als inländischer Arbeitgeber die lohnsteuerlichen Pflichten zu erfüllen, da sie den Arbeitslohn für die ihr gegenüber geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt. Dass der Arbeitslohn durch die französische Gesellschaft gezahlt wurde, ist unbeachtlich. Für das Dezembergehalt 2021 ist die Lohnsteuer bereits im Zeitpunkt der Arbeitslohnzahlung zu erheben (also am 28. 12. 2021), da das inländische Unternehmen aufgrund der Vereinbarung mit dem ausländischen Unternehmen mit einer Weiterbelastung rechnen konnte (R 38.3 Abs. 5 Satz 4 LStR). Auf den Zeitpunkt der Weiterbelastung zwischen den Konzerngesellschaften kommt es nicht an.

Abwandlung

Wie Beispiel A. Die französische Gesellschaft belastet das Gehalt nicht an die deutsche Gesellschaft weiter, obwohl die deutsche Gesellschaft den Arbeitslohn nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen.

Seit dem 1.1.2020 ist das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen auch dann zum Lohnsteuerabzug verpflichtet, da es den Arbeitslohn nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen.

Beispiel B

Ein in Österreich ansässiger Arbeitnehmer wird von seinem österreichischen Arbeitgeber vom 1. April bis 31. Oktober 2022 in die Bundesrepublik Deutschland zur Installation einer Anlage entsandt.

Der Aufenthalt in Deutschland überschreitet im Kalenderjahr 2022 den Zeitraum von 183 Tagen. Der auf die Tätigkeit im Inland entfallende Arbeitslohn ist deshalb in Deutschland steuerpflichtig. Da jedoch kein inländischer Arbeitgeber vorhanden ist, entfällt der Lohnsteuerabzug. Der Arbeitslohn muss vielmehr durch eine Einkommensteuer-Veranlagung des Arbeitnehmers besteuert werden.

Die Beispiele zeigen, dass sich die Frage nach einer Steuerbefreiung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens in aller Regel nur bei denjenigen ausländischen Arbeitnehmern stellt, die vorübergehend von einem ausländischen Arbeitgeber nach Deutschland entsandt werden. In all den Fällen, in denen ein ausländischer Arbeitnehmer für eine deutsche Firma im Inland tätig wird, hat stets die Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht und zwar gleichgültig ob der Arbeitnehmer unbeschränkt oder nur beschränkt steuerpflichtig ist. Die deutsche Firma ist in diesen Fällen als Arbeitgeber zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.

Sonderregelungen gibt es allerdings für ausländische Studenten (vgl. „Ausländische Studenten“) und für sog. Grenzgänger (vgl. „Grenzgänger“).

Dem Arbeitgeber kann nicht zugemutet werden, dass er in eigener Zuständigkeit und Verantwortung die komplizierten Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach den geltenden Doppelbesteuerungsabkommen überprüfen muss. Diese Prüfung wird ihm vom zuständigen Betriebsstättenfinanzamt abgenommen. Ist hiernach ein (beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtiger) ausländischer Arbeitnehmer der Auffassung, dass ihm keine Lohnsteuer vom Arbeitslohn abgezogen werden dürfe, muss er eine entsprechende Freistellungsbescheinigung des Finanzamts vorlegen. Diese Freistellungsbescheinigung kann der Arbeitnehmer (aber auch der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer) bei dem für den Arbeitgeber zuständigen Betriebsstättenfinanzamt beantragen. Der Antrag auf Erteilung einer solchen Bescheinigung kann im Internet unter www.bundesfinanzministerium.de/Service/Formulare/Formular-Management-System/Formularcenter/Steuerformulare/Lohnsteuer (Arbeitnehmer) unter der Vordrucknummer 55 abgerufen werden. Ohne die Vorlage einer solchen Bescheinigung sollte der Arbeitgeber sowohl bei unbeschränkt steuerpflichtigen als auch bei beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Arbeitnehmern stets Lohnsteuer einbehalten. Zu den Verfahrensvorschriften zur Steuerfreistellung des Arbeitslohns nach einem Doppelbesteuerungsabkommen vgl. im Einzelnen dieses Stichwort unter Nr. 11.

Im Gegensatz zu ihrer früheren Auffassung ist die Finanzverwaltung der Meinung, dass der Auslandstätigkeitserlass bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern (Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG) nicht anzuwenden ist. Allerdings werden wegen des erforderlichen Inlandsbezugs auch nur in sehr seltenen Fällen Einkünfte aus der inländischen Verwertung einer im Ausland ausgeübten nichtselbstständigen Arbeit überhaupt zu den begünstigten Tätigkeiten im Sinne des Auslandstätigkeitserlasses gehören können. Vgl. auch die Ausführungen beim Stichwort „Auslandstätigkeit, Auslandstätigkeitserlass“ besonders unter Nr. 3.

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