Читать книгу Emma - Yvon Mutzner - Страница 15

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Schulschluss

Die Schulzeit verflog, und das kleine, magere Mädchen entwickelte sich zu einer hochgeschossenen, jungen Frau. Emma war grösser geworden als ihre zwei älteren Schwestern Maria und Rosa. Dünn war sie noch immer, aber unter den meist zu knappen Kleidern blühten weibliche Formen auf. Emma Kunz war zu einer Schönheit herangewachsen, mit grossen Augen, dunklem glänzenden Haar und ebenmässigen Gesichtszügen.

Zur Schulabschlussfeier zeigte sie sich stolz in einem neuen weissen Kleid mit farbig gestickten Blumen am Saum. Niemand hatte es zuvor gesehen, sie hatte es selbst genäht. Nähen war keineswegs ihre Lieblingsbeschäftigung, das stundenlange Stillsitzen und feine Sticheln langweilte sie. Aber sie hatte durchgehalten. Ausserdem trug sie einen Schal, den ihr die Mutter in den Farben der Blumen im Garten gewoben hatte.

Die schwarzen Knöpfchenstiefel hatte sie poliert, bis der Glanz der Schuhwichse die Falten überstrahlte, die der jahrelange Gebrauch durch drei Kunz-Kinder hinterlassen hatte. Die langen Haare hatte sie sich in Flechten rund um den Kopf gewunden. Schmuck sah sie aus am letzten Schultag. Aber Trauer überschattete die Freude über das neue Kleid. Die Schule hatte Abwechslung in den harten Alltag gebracht. Das war nun vorbei. Was würde kommen?

Im Schulhaus fand eine kleine Feier statt. Der Lehrer verabschiedete die Schulabgänger. Mit einem warmen Lächeln überreichte er Emma das Zeugnis; es war das beste Zeugnis des Jahrgangs.

Einige Tage zuvor war er unangemeldet bei der Familie Kunz aufgetaucht. Es sei schade, wenn Emma keine höhere Schule besuchen könne, hatte er gemeint. Ihre Tochter sei sehr intelligent, hatte er Oswald und Rosina Kunz eindringlich erklärt, er halte es für wichtig, dass sie die Chance erhalte, sich weiterzubilden. Er hatte auch angeboten, Mittel und We­ge für die Finanzierung der Ausbildung zu finden. Eine Stunde lang hatte er auf Emmas Eltern eingeredet. Vergeblich. Sie hatten abgewinkt. Der Vater wäre um ein Haar grob geworden. Die Emma solle sich nicht für etwas Besseres halten als die anderen, hatte er laut zur Antwort ge­geben.

Alexander Kuhn behielt beim Abschied Emmas Hand einen Augenblick länger in der seinen. «Was tust du jetzt, Emma?» «Ich bleibe zuhause und helfe der Mutter. Es gibt viel zu tun mit meinen kleinen Geschwistern, der Arbeit im Haus und auf dem Acker. Vielleicht gehe ich in die Fabrik.» Der Lehrer seufzte tief, drückte ihr nochmals die Hand und liess sie gehen.

Zuhause, bei seiner Frau, brach es aus ihm heraus: «Wie schade!» Er sagte es zornig, bitter. «Sie hätte Lehrerin werden können, wie ihr Grossvater. Ein begabtes Mädchen, es ist ein Elend!» Die Frau schwieg und fasste seinen Arm. Sie kannte die Geschichten. Aus der Nachbarschaft, von der Strasse, vom Frauenverein, aus dem Laden, vom Kirchenchor.

Emma ging zum letzten Mal den Weg von der Schule zum Elternhaus. In drei Wochen würde sie vierzehn Jahre alt werden. Sie war traurig. Aber nicht allzu lange, denn es war Frühling, und die ersten Blumen zeigten sich in aller Farbenpracht.

Ihre kleine Schwester kam angerannt. Eine warme Hand schob sich in die ihre. «Emma, Emma, warte auf mich! Denk doch, heute abend werden die Strassenlampen zum ersten Mal angezündet!» Mina deutete auf die Eisenstangen mit dem selt­samen Glasaufsatz und dem kleinen Fenster, die vor ein paar Tagen vor den Augen der staunenden Dorfbevölkerung aufgestellt worden waren. «Kommst du mit, ich möchte das gerne sehen?» Emma nickte und überlegte sich, wie das wohl sein würde, wenn nicht mehr Mond und Sterne das Dorf beleuchteten, sondern diese Lampen.

Die Zeit brachte Veränderungen ins Dorf. Eine besondere Erleichterung waren die Wasserhahnen im Haus – das Wasserholen draussen am Brunnen bei jedem Wetter und jeder Temperatur entfiel. Man drehte an dem Eisenhahnen in der Küche, und das Wasser plätscherte aus der Röhre.

Und man hörte von der Industrialisierung. In Strengelbach entstand eine Fabrik, in der Wolle von Maschinen verstrickt wurde. Wie mochte das gehen? Emma konnte sich nicht vorstellen, wie das, was sie mit ihren zwei Händen und Stricknadeln tat, von Maschinen übernommen werden konnte. Viele Frauen aus Brittnau erhielten eine Anstellung in der Fabrik. Das klang gut, nur waren die Löhne niedrig und die Arbeitszeiten lang. Vieles änderte sich, abgesehen davon änderte sich wenig. Vielen blieb nur das Armenhaus.

Emmas Tag war angefüllt mit Arbeit in Haus, Garten und dem kleinen Flecken Allmend, das ihnen die Ortsbürgergemeinde überlassen hatte. Ihre Mutter hatte sich von der letzten Fehlgeburt nicht mehr erholt und kränkelte. Emma übernahm ihre Arbeit.

Emma

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