Читать книгу Emma - Yvon Mutzner - Страница 19
ОглавлениеSommer der Liebe
Dieser Sommer wurde der schönste in Emmas Leben. Golden reihten sich die Tage aneinander, scheinbar ohne Ende. Die Landschaft leuchtete intensiver als in anderen Jahren, die Beeren schmeckten süsser.
Wann immer es möglich war, riss sich Emma los und eilte den weiten Weg zum vereinbarten Treffpunkt, um Thomas zu treffen. Seine Arme umfingen sie, seine Lippen fanden die ihren. Der Wald bot ihnen moosigweiche Plätze und verbarg sie vor neugierigen Blicken. Der Himmel war weit. Lange Spaziergänge über Hügel und Felder und Wiesen schenkten ihnen das Gefühl von Freiheit, im Licht glühender Sonnenuntergänge, und im Meer wogender Weizenhalme schmolzen Unbill und Widerwärtigkeiten dahin.
Ihre Liebe überstrahlte den Alltag, jeder Tautropfen spiegelte sie morgens wider, und der Fluss murmelte ihr Lied. Es gab in dieser Zeit nichts anderes für die beiden, nur sie selbst und ihr Glück. Sie versprachen sich ewige Treue und schmiedeten Zukunftspläne.
Sie lachten gemeinsam und redeten viel. Beide waren Abenteurer und fürchteten weder die Fremde der Welt, noch das Unbekannte des Lebens. Beide litten unter der Enge des Dorfes und unter ihren Verhältnissen. Beide flohen sie aus ihrem tristen Dasein an das wärmende Feuer ihres Beisammenseins, in die Offenheit der Natur. Die Zeit stand still, und die Lerchen sangen nur für sie beide.
Thomas begann, von Amerika zu erzählen. Dort gäbe es Möglichkeiten, Gold und unermesslich viel Land. Freiheit gelte als das höchste Gut, und jeder habe die gleichen Chancen. Einschränkungen kenne man kaum, wenn einer tüchtig sei, habe er eine glorreiche Zukunft vor sich, schwärmte er.
Er erzählte von einem Bekannten seines Vaters, der zwei Jahre zuvor völlig mittellos nach Missouri ausgewandert sei und nun bereits eine Herde mit zweihundert Rindern besitze, ein unübersehbar grosses Stück Land und ein Farmhaus. Natürlich sei Scheitern nicht ausgeschlossen, meinte er, aber daran glaube er nicht. Er rief: «Versauern kann ich hier auch.»
Emma sass neben ihm, hielt seine Hand und vor ihren Augen tat sich die Unendlichkeit auf. Sie begann, sich in die Welt einzufühlen, die Thomas vor ihr ausbreitete. Da war niemand, der fand, die kleine Kunz sei eine Komische, da war nichts von drangvoller Enge mit fünf Kindern in einem Zimmer, die sich alle, die Mutter in der Nebenkammer eingeschlossen, vor den Gewalttätigkeiten des betrunkenen Vaters duckten. Da war kein Kampf ums tägliche Brot inmitten einer aufstrebenden Gesellschaft, in der doch nur die einen zu profitieren schienen, während die anderen an Ort traten, da war weder Kartoffelfäule noch Hagelschlag.
Da waren nur sie und Thomas, das Abenteuer eines weiten unbekannten Landes und die Chance, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Vereint. Gemeinsam.