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2. Biblische Grundzüge einer Missionstheologie

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In der Geschichte der Missionstheologie ließen sich einige Stationen identifizieren, an denen Erkenntnisse gewonnen wurden, hinter die eine Missionstheologie in Zukunft nicht mehr zurückfallen sollte. Dazu gehört die Einsicht, dass alle denkbaren missionarischen Aktivitäten ihren Ursprung im Handeln Gottes, genauer: in seiner Sendung, haben. Wie diese Sendung näher zu beschreiben ist, kann nach evangelischem Verständnis nur aus der biblischen Überlieferung erhoben werden. Dies soll im Folgenden geschehen.

1 a) Als den Aposteln Petrus und Johannes vom Hohen Rat verboten wird, das Evangelium zu verkündigen, antworten sie gemäß der Überlieferung von Apg. 4,20: „Wir können’s ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben.“ Dies besagt zweierlei im Blick auf das hier vorausgesetzte Verständnis von Verkündigung: Zum einen geht es um die Bezeugung von etwas persönlich Erlebtem und Erfahrenem. Zum anderen können diejenigen, denen die Erfahrung zuteil geworden ist, nicht anders, als davon zu erzählen, weil sie davon so erfüllt sind. Das Motiv dafür besteht offenbar darin, dass das Erlebte als derartig wichtig, faszinierend oder großartig empfunden wird, dass auch andere daran teilhaben sollen. Paulus fasst dies in 2Kor 5,14 in die Worte: „Denn die Liebe Christi drängt uns“. Diesen Geist sollten alle Formen christlicher Mission atmen.

2 b) Ebenfalls im 2. Korintherbrief erinnert Paulus daran, dass Sendung sich in gewissem Sinne immer ereignet, nicht nur dort, wo sie ausdrücklich intendiert wird. In 2Kor 3,2f. schreibt er an die Gemeinde: „Ihr seid unser Brief, in unser Herz geschrieben, erkannt und gelesen von allen Menschen! Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, durch unseren Dienst zubereitet, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen.“ Paulus erinnert die Gemeindeglieder mit der Brief-Metapher daran, dass sie faktisch für andere Menschen immer eine Botschaft sind, auch wenn sie dies nicht beabsichtigen oder wenn es ihnen nicht bewusst ist. Dies kann zur Folge haben, dass das Verhalten eines Menschen seine intendierte Botschaft konterkariert, oder – im besseren Falle – dass bereits sein Verhalten eine deutliche, zumindest aber eine die Botschaft unterstützende Sprache spricht. Das damit berührte Thema der Glaubwürdigkeit dürfte gerade für die Jugendarbeit von ausschlaggebender Bedeutung sein. Denn Jugendliche brauchen zur Orientierung nicht nur Botschaften, sondern Botschafter, mit denen sie sich identifizieren oder auseinandersetzen können.

3 c) Sendungsaufträge an die Jüngerinnen und Jünger Jesu finden sich vor allem im Umfeld der Ostererzählungen. Hier kommt einer Aussage des auferstandenen Christus aus Joh 20,21 besondere Bedeutung zu: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Verbunden mit dieser Sendung ist auch die Vollmacht, Sünden zu vergeben oder zu behalten (V. 22). Bemerkenswert ist an diesem Sendungsauftrag vor allem seine Zuordnung zur Sendung Jesu Christi durch den Vater. Der Vergleich („Wie...so“) ist dabei sowohl im Sinne einer Zu- und Unterordnung als auch im Sinne einer inhaltlichen Charakterisierung der Sendung zu verstehen: Die Jüngerinnen und Jünger (und dementsprechend die Kirche) sind nicht die Selbsterschließung Gottes in der Welt, sondern sie sind gesandt, um die Selbsterschließung Gottes in Jesus Christus zu bezeugen. Zugleich ist die Selbstoffenbarung Gottes in Christus – in inhaltlicher und methodischer Hinsicht – Orientierungsrahmen und Maßstab für die Sendung seiner Jüngerinnen und Jünger: Unsere Mission ist demnach aus der Mission Jesu abzuleiten.

4 d) Worin besteht diese Mission? Dies ist dem Neuen Testament als Ganzem zu entnehmen, aber auch verdichteten Zusammenfassungen wie der Antrittspredigt Jesu in Nazareth (Lk 4,18f.): Ihr zufolge ist Jesus gesandt „zu verkündigen das Evangelium den Armen; zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein wollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn“. Die Mission Jesu besteht folglich darin, an die Ränder zu gehen, den Armen, Gefangenen, Kranken und Verlorenen nahe zu sein, neues Leben zu bezeugen, zu befreien, zu heilen, zu transformieren, Glauben zu wecken, Liebe zu üben, Hoffnung zu schenken (ähnlich: Mt 11,4-6 par. Lk 7f., 22f.). Oder kürzer: Die Mission Jesu – und mithin die Mission seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger – ist es, Leben von Menschen zu verwandeln. Wie kommt es aber zu dieser Verwandlung?

5 e) Im 2. Korintherbrief beschreibt der Apostel Paulus seine „Mission“ als ein Versöhnungsgeschehen zwischen Gott und Mensch. Ausgangspunkt für dieses Geschehen ist die Selbsterschließung Gottes in Jesus Christus: „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selbst“ (V. 19). Das Entscheidende an der Versöhnung ist also (in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi) bereits geschehen. Zugleich wird deutlich: Zu einer echten Versöhnung gehören immer zwei: einer, der vergibt, und einer, der sich vergeben lässt. Einer, der die Hand zur Versöhnung ausstreckt, und einer, der in die ausgestreckte Hand einschlägt. Die Sendung der „Missionare“ besteht nun darin, dass sie zu „Botschaftern an Christi Statt“ werden, indem sie bitten: „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (V. 20). Das Evangelium wird demnach so kommuniziert, dass zum einen bezeugt wird, was von Gott her bereits geschehen ist, und zum anderen so, dass Menschen eingeladen bzw. gebeten werden, dies an sich geschehen zu lassen. Beides – sowohl der Modus der Bitte, die dem Gebetenen ein Anliegen vorträgt, ihm aber zugleich Freiraum lässt, als auch der passivische Charakter des Zulassens bzw. Geschehen-Lassens – gehört zu einem christlichen Verständnis von Mission wesenhaft dazu. Damit sind zugleich die Voraussetzungen benannt, die gegeben sein müssen, damit es zu einer Verwandlung bzw. Neukonstituierung der Person kommen kann: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (V. 17).

6 f) Die Sendung Jesu und die Einladung, sich versöhnen zu lassen, ist freilich nicht nur auf Jesu irdisches Wirken, sondern – in einem theologisch umfassenderen Sinn – auf seinen Weg der Entäußerung (Kenosis) und Inkarnation zu beziehen. Der Christus-Hymnus (Phil 2,5-11) fasst diesen Weg brennpunktartig zusammen und betont, dass die Mission Dienst („nahm Knechtsgestalt an“), Angleichung („ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt“), Erniedrigung („erniedrigte sich selbst“) und Gehorsam („ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz“) einschließt. Dementsprechend geht es auch für die Gesandten Jesu darum, mit den Menschen zu leben, zu denen sie sich gesandt wissen, an ihren Orten und in ihren Lebenszusammenhängen. Es geht darum, ihnen im Geist Jesu zu dienen und ihnen – in Wort und Tat – die Liebe Gottes zu bezeugen. Gerade im Jugendbereich geht es darum, „den Jugendlichen ein Jugendlicher zu werden“, jugendgerechte Formen für die Bezeugung des Evangeliums zu finden. Bei dieser Form der Angleichung die Grenze zur Anbiederung nicht zu überschreiten, gehört zu den besonderen Herausforderungen missionarischer Jugendarbeit. In den Zusammenhang des Gehorsams und der Kreuzesnachfolge gehört auch der Vergleich, dass Jesus seine Jüngerinnen und Jünger sendet „wie Lämmer mitten unter die Wölfe“ (Lk 10,3). Hier wird nicht nur deutlich, was Mission nach christlichem Verständnis ist, sondern auch, was sie nicht ist: Sie ist in der Regel keine Erfolgsgeschichte und auch keine Strategie zur Erhaltung und Entwicklung der Kirche oder überkommener Formate.

7 g) Das Sich-versöhnen-Lassen mit Gott bzw. das Neue-Kreatur-Werden wird im Neuen Testament und in der ganzen christlichen Tradition als „Glauben“ bzw. „Vertrauen“ gekennzeichnet. Wie kommt es aber zum „Glauben“? Aufschlussreich für diese Frage ist das sog. „Petrusbekenntnis“. Auf die Frage, für wen seine Jünger Jesus halten, antwortet Simon Petrus: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“. Daraufhin betont Jesus: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16, 16f.). Das bedeutet: Die entscheidende Glaubenserkenntnis, dass Jesus der Christus und Gottes Sohn ist, kann ein Mensch nicht von sich aus gewinnen; vielmehr muss ihm diese durch das offenbarende Wirken Gottes zuteilwerden. Dieses erleuchtende und Glauben weckende Handeln Gottes in einem Menschen wird im weiteren Verlauf des Neuen Testaments (so etwa Joh 3,8; 16,7-9; Apg 10,44-47) und in großen Teilen der theologischen Tradition dem Heiligen Geist zugeschrieben. Dabei handelt es sich um eine für das Missionsverständnis grundlegende Einsicht, weil sie menschliches und göttliches Handeln in das angemessene Verhältnis setzt: Aufgabe der Christen ist es, das Evangelium möglichst einladend zu bezeugen und appetitlich zu präsentieren. Dass es im menschlichen Herzen aber Glauben weckt, liegt hingegen allein im Verfügungsbereich des Heiligen Geistes, kann also vom Bezeugenden nicht bewirkt, sondern nur erhofft und von Gott erbeten werden. Jeder Versuch, das menschliche Herz durch Anwendung von manipulativen Mitteln oder die Ausübung von Druck zu beeinflussen, scheidet deshalb im missionarischen Kontext aus. Angemessen und zulässig ist allein liebevolles und werbendes Einladen, das dem Gegenüber alle Freiheit lässt, die Einladung anzunehmen oder abzuschlagen.

8 h) Für ein biblisches Verständnis von „Mission“ ist schließlich die Sendung der Jüngerinnen und Jünger durch Jesus einzubeziehen, wie sie im sog. „Missionsbefehl“ (Mt 28, 19f.) zusammengefasst ist: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ In dieser Formulierung verbinden sich fünf Dimensionen des Auftrags von Christinnen und Christen miteinander:Es geht darum, Jüngerinnen und Jünger Jesu zu gewinnen (wörtlich: zu „verjüngern“). Dabei ist das Element der Freiheit immer mitzudenken: Der Ruf bzw. die Einladung in die Jüngerschaft kann angenommen oder (wie etwa vom sog. „reichen Jüngling“, Mk 10,17-27) abgelehnt werden.Dieser Auftrag bezieht sich auf „alle Völker“. Der Horizont von Mission ist demnach unbegrenzt. Niemand soll oder kann von der Kommunikation des Evangeliums ausgeschlossen werden.Dass Menschen zu Jüngerinnen und Jüngern werden, soll durch das Sakrament der Taufe veranschaulicht und erfahrbar werden.Eine weitere Dimension von Mission ist die Lehre im Sinne einer ganzheitlichen Bildung, die den ganzen Menschen in seiner Beziehung zu Gott, zu sich selbst, zum Mitmenschen und zur Welt sieht.Zuletzt geht es auch um das Halten der Gebote, die im Doppelgebot der Liebe gipfeln und damit in der gleichen Dringlichkeit die Gottesbeziehung wie die soziale Verantwortung des Menschen thematisieren.

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