Читать книгу Der Koran - Hans Zirker - Страница 15

(2) Christliche Deutung „aus besserem Wissen“

Оглавление

Mit der diskriminierenden Abwehr des Koran verband sich schon im Mittelalter gelegentlich die Strategie, ihn durch eine „interpretatio christiana“ so dem eigenen Glaubensverständnis einzufügen, dass er seine Anstößigkeit verlor. Der Widerspruch der Oberfläche wird dabei so weit wie möglich beiseitegeschoben, um die „im Grund“ gegebene Übereinstimmung aufzudecken. Wenn aber dieses Einvernehmen von christlichem und muslimischem Glauben, von Bibel und Koran in der geschichtlichen Realität nicht nachvollzogen wird, dann muss dies zu Lasten derer gehen, die sich der Einsicht entziehen, also der Muslime: Sie finden nicht zur rechten Bedeutung ihrer eigenen Schrift.

Diesen Weg der Interpretation schlug Nikolaus von Kues bei seiner Vision der Eintracht aller Religionen ein.44 Um den Bereich des Gemeinsamen möglichst weit zu fassen, versuchte er, die Aussagen des Koran, falls es irgendwie ging, auf einen christlich annehmbaren Sinn hin zu verstehen. So bemerkt er etwa im Blick darauf, dass für Muslime der Offenbarung gemäß Jesus nicht hingerichtet wurde45: „Dass sie seine Kreuzigung durch die Juden bestreiten, das scheinen sie aus Ehrfurcht vor Christus zu sagen: dass gewissermaßen solche Menschen keine Gewalt über Christus gehabt hätten.“46 Damit traf er zwar einen Kern der Intention des Koran, schob aber den Widerspruch zum christlichen Bekenntnis gar zu leicht beiseite. Sogar die christliche Lehre vom dreifaltigen Gott und der Gottessohnschaft Jesu war für ihn bei entsprechender Interpretation mit dem Koran vereinbar, so dass „dieser Einsicht niemand seine Zustimmung verweigern kann“47 und sich „auch die Araber und alle Weisen“ dem in Einmütigkeit anschließen können; dass anderseits aber „die Art und Weise, in der die Araber und Juden die Trinität ablehnen, gewiss von allen abgelehnt werden muss“.48

In welchem Überlegenheitsbewusstsein dabei der Koran gelesen wird, zeigt sich daran, dass Nikolaus von Kues das christliche Verständnis des Koran nicht nur gegen das unter Muslimen verbreitete ausspielt, sondern sogar gegen das Mohammeds selbst: „Es wird deshalb nicht schwierig sein, im Koran die Wahrheit des Evangeliums zu finden, obwohl Muḥammad vom wahren Verständnis des Evangeliums weit entfernt war.“49

Derartige Interpretationen, die zwar versöhnlich gemeint sein können, aber die Bedeutungen des Koran verfehlen, werden heute durch die besseren philologischen, historischen und religionswissenschaftlichen Kenntnisse erschwert. In bescheidenerem Maß und auf theologisch weniger anspruchsvollem Niveau sind sie jedoch nach wie vor verbreitet. Wenn wir den Koran lesen, kann uns vieles aus biblischem Zusammenhang vertraut vorkommen. So meinen wir, Bekanntes wiederzufinden und können dabei leicht übersehen, dass es im Koran unter anderen Voraussetzungen gesagt ist und in anderem Kontext steht. Hier wird Jesus – geschaffen durch Gottes schöpferisches Wort (3,59), beauftragt „die klaren Zeugnisse“ zu verkünden (2,87.253; 43,63) und gestärkt „mit dem Geist der Heiligkeit“ (ebd. und 5,110) – bezeichnet als

Christus (oder: der Messias, al-masīḥ) … Gottes Gesandter, sein Wort … und Geist von ihm. (4,17150)

Wir lesen, dass Maria sagte:

„Herr, wie sollte ich ein Kind bekommen, wo mich kein Mensch berührt hat?“ (3,47; vgl. 19,20)

Jesus hat also nach muslimischem Glauben – wie in den Eröffnungsgeschichten der Evangelien von Matthäus und Lukas – keinen menschlichen Vater. Gott hat ihn, zusammen mit seiner Mutter, nach den variierten Formulierungen des Koran „zu einem Zeichen“ gemacht (23,50), „einem Zeichen für die Menschen“ (19,21), „einem Zeichen für alle Welt“ (21,91). In der Erfüllung seines Auftrags hat Jesus „das Evangelium“ (5,46) verkündet, bis Gott ihn schließlich „zu sich erhoben“ hat (4,158; vgl. 3,55). Bei alldem liegt nahe, dass wir den Gleichklang mit den Zeugnissen des christlichen Glaubens hören, nicht aber ebenso die bedeutungsvollen Unterschiede.51 Gerade wo man sich um den „Dialog“ zwischen den Religionen bemüht, auf Entgegenkommen und verständnisvolle Nähe bedacht ist, besteht die Gefahr, dass man um eines harmonischen Klimas willen das eigene Verständnis auch der anderen Religion unterstellt, sie damit aber auf feinsinnige Weise wieder dominiert.

Der Koran

Подняться наверх