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Papst Urban II.

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Das Papsttum hatte schon seit einiger Zeit mit großer Sorge auf die Gebietsverluste an den östlichen Grenzen der Christenheit geschaut. Die Nachricht vom Einfall der Türken hatte Papst Gregor VII. im Jahr 1074 vorschlagen lassen, persönlich als Anführer einer Streitmacht von nicht weniger als 50.000 Freiwilligen die Glaubensbrüder im Osten zu „befreien“. Gregor führte aus, dass es ihm mit diesem Heer womöglich sogar gelingen mochte, bis zum Heiligen Grab in Jerusalem vorzustoßen. Papst Urban II. wiederum hatte seit Beginn seines Pontifikats in engem Kontakt mit dem byzantinischen Kaiser Alexios gestanden, um die Beziehungen zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche zu verbessern, und Alexios seinerseits korrespondierte auch mit anderen westlichen Großen in der Hoffnung auf Unterstützung für sein bedrängtes Reich. Deshalb ist es höchst unwahrscheinlich, dass das Verhalten des Papstes nach der Synode von Piacenza ganz spontan war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Urbans weiteres Vorgehen von langer Hand geplant gewesen war.

In der Rückschau scheint Urbans Handlungsweise die Folge seiner Herkunft und seines Werdegangs zu sein. Er war um 1035 in eine nordfranzösische Adelsfamilie geboren worden; sein Vater war vermutlich ein Vasall des Grafen der Champagne. Nach seiner Zeit an der renommierten Kathedralschule von Reims wurde er dort Kanoniker und Erzdiakon, um dann bald nach 1067 in die berühmte Abtei von Cluny in Burgund einzutreten. Möglich, dass ihn das Streben nach einem strengeren religiösen Leben zu diesem Schritt motivierte – eine ganz ähnliche Absicht hatte sein Lehrer, der heilige Bruno von Köln, als er den Kartäuserorden gründete. 1074 hatten ihm dieselben Talente, die ihn schon so jung zum Erzdiakon hatten werden lassen, das Amt des Großpriors von Cluny eingetragen, des Stellvertreters des Abtes also. Das Kloster Cluny stand zu jener Zeit im Mittelpunkt der Kirchenpolitik, und immer wieder wurden Mönche aus Cluny in den Dienst Papst Gregors VII. nach Rom gerufen, so auch der spätere Papst Urban. Er wurde zum Kardinalbischof von Ostia ernannt, der den Vorsitz im Kardinalskollegium führte. Sein Amtsvorgänger war ebenfalls ein früherer Großprior von Cluny gewesen. 1080 zog er nach Rom und geriet sogleich mitten in den Investiturstreit zwischen Kirche und Kaisertum, insbesondere im Winter 1084/1085, als er in Deutschland unterwegs war, um dort die schwindende Unterstützung für Papst Gregor zumindest zu stabilisieren. Sein Name war einer von dreien auf der Liste möglicher Nachfolger, die Gregor selbst zusammenstellte, und nach dem kurzen Pontifikat Viktors III. wurde er am 12. März 1088 tatsächlich selbst zum Papst gewählt. Seine Zeit als Domherr in Reims, dann als einfacher Mönch und Prior in Cluny hatte ihn mit einigen führenden Köpfen der Reformbewegung in Kontakt gebracht und hatte ihn mit einigen für Cluny charakteristischen Ansichten hinsichtlich der Rolle des weltlichen Rittertums im Dienst der Kirche in Berührung gebracht. Seine Karriereposten in Italien und als päpstlicher Legat in Deutschland hatten ihm die Bekanntschaft sowohl mit den neuesten Reformideen als auch mit ihrer Anwendung auf die Kirchenpolitik eingebracht. Aber vor allem anderen war er durch seine adlige Abstammung dazu geschaffen, sich in die Mentalität der abendländischen Ritterschaft einzufühlen.

Nachdem er sich etwa einen Monat lang in Piacenza aufgehalten hatte, begann er eine gemütliche Rundreise durch Oberitalien und zog schließlich nach Frankreich weiter. Am 15. August 1095 hielt er sich in Le Puy auf. Der dortige Bischof, Adhémar von Monteil, sollte beim Ersten Kreuzzug eine entscheidende Rolle spielen. Von Le Puy aus berief Urban die Bischöfe Frankreichs zu einem Konzil ein, das im folgenden November in Clermont abgehalten werden sollte. Sodann reiste er südwärts nach Saint-Gilles, in das Territorium Raimunds IV., des Grafen von Toulouse und eines der späteren Kreuzzugsführer, und dann entlang der Rhone nach Norden, bis er um den 18. Oktober in Cluny ankam. Einer der Gründe für diese Reise war die Weihe des Altars in der großen neuen Kirche gewesen, die dort gebaut worden war. Am 15. oder 16. November erreichte er Clermont und eröffnete am 18. des Monats das Konzil. Am 27. November rief er vor einer Menschenmenge, die zum größten Teil aus Klerikern bestand, zum Kreuzzug auf. Nach seiner Abreise aus Cluny zog er noch durch Zentralfrankreich sowie durch den Westen und den Süden des Landes, wobei er sorgsam darauf achtete, vom französischen König unmittelbar kontrollierte Territorien zu meiden, denn dessen Exkommunikation wegen Ehebruchs war auf dem Konzil von Clermont bestätigt worden. Für einen Mann von über sechzig Jahren war all das eine erstaunliche Leistung. Urban legte etwa 3200 Kilometer zurück, zog in verschlafene Städtchen ein, deren Bewohner schon seit Menschengedenken keinen König oder eine vergleichbare internationale Berühmtheit gesehen hatten: mit der Tiara gekrönt und in Begleitung einer Menge von Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen, deren Gefolge sehr zahlreich gewesen sein dürfte und deren Tross sich vermutlich meilenweit über die Landstraßen hinzog. Urban plante seine Besuche so, dass sie mit großen örtlichen Patronatsfesten zusammenfielen: In Saint-Gilles traf er zum Fest des heiligen Ägidius ein (der auf Französisch „Saint Gilles“ heißt); in Le Puy, wo sich das bedeutendste Marienheiligtum der damaligen Zeit befand, war er zu Mariä Himmelfahrt; in Poitiers feierte er das Fest des heiligen Hilarius. Mit allem nur möglichen liturgischen Aufwand weihte er die Kathedralen und Klosterbasiliken, die zu jener Zeit überall im Land von dem kühnen Bauprogramm des französischen Klerus kündeten. Auch predigte er weiterhin den Kreuzzug, und uns liegen Erwähnungen von Predigten vor, die er zu Weihnachten 1095 in Limoges, im Februar 1096 in Angers und Le Mans und im Juli in Nîmes hielt. Urban übernahm außerdem den Vorsitz bei feierlichen Zeremonien, in denen Ritter das Kreuz nahmen: möglicherweise in Le Mans; ganz bestimmt im März 1096 in Tours. Im August überquerte Urban die Alpen und kehrte nach Italien zurück. Zu diesem Zeitpunkt war der Kreuzzug bereits in vollem Gang.

Es gibt viele Berichte von der Botschaft, die Urban in Clermont und auf seiner Rundreise durch Frankreich unter die Leute bringen wollte. Die meisten davon sind unglaubwürdig, wurden sie doch erst verfasst, nachdem der Kreuzzug Jerusalem bereits befreit hatte – und somit zu einer Zeit, als wohl keiner der Schreibenden gegen eine gewisse Euphorie immun war, welche die jüngere Vergangenheit in einem durchaus rosigen Licht erscheinen ließ. Dennoch verbleiben noch genügend brauchbare Zeugnisse, nicht zuletzt in Urbans eigenen Briefen, die uns zumindest eine grobe Rekonstruktion seines Aufrufs ermöglichen. In Clermont und auf seiner ganzen Predigtreise betonte Urban, dass er im Namen Gottes spreche. Er schrieb von den Kreuzfahrern als von göttlich inspirierten Bevollmächtigten Gottes, die sich aus Liebe zu Gott in seinen Dienst begeben würden. Den Teilnehmern sagte er, sie stünden in der Nachfolge Christi, und es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass er sie als „Ritter Christi“ bezeichnete. Urban bediente sich dabei natürlich der mahnenden Worte, die bereits die Reformer gebraucht hatten, wenn sie sich auf ihre bewaffneten Unterstützer bezogen; aber die Kreuzfahrer nahmen seine Ausführungen wörtlich und waren bald davon überzeugt, dass sie für Gott in den Kampf zogen.

Die Kreuzzüge

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