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Die zweite Welle: Die Befreiung Jerusalems

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Syrien war genauso unorganisiert und nicht auf den Kreuzzug vorbereitet wie zuvor Kleinasien. Folglich trafen die Kreuzfahrer bei ihrem Vormarsch auf wenig Widerstand. Die türkischen Herrscher von Aleppo und Damaskus waren miteinander verfeindet. Die arabischen Dynastien, die in Schaizar und Tripolis residierten, standen den Türken sogar noch feindseliger gegenüber als den Christen. Die Ägypter, die erst kurz zuvor die Kontrolle über Jerusalem zurückerlangt hatten, verlegten sich angesichts der aufziehenden Bedrohung auf diplomatisches Taktieren: Schon zu Beginn des Jahres 1098 verbrachte eine ägyptische Gesandtschaft mehrere Wochen im christlichen Heerlager von Antiochia und kehrte anschließend mit christlichen Abgesandten nach Kairo zurück, die dort ein Jahr lang festgehalten wurden. Im Frühjahr 1099 wurden diese Männer wieder freigelassen und begleiteten eine erneute ägyptische Mission zum Kreuzfahrerheer, das mittlerweile die 25 Kilometer von Tripolis entfernte Stadt ʿArqa belagerte. Raimund von Toulouse war dorthin über Kafartab, wo er Robert von der Normandie und Tankred getroffen hatte, und Rafaniya marschiert. Noch im Verlauf des Monats März stießen die anderen Anführer des Kreuzzuges zu ihm, mit Ausnahme Bohemunds, der zum Schutz von Antiochia zurückgeblieben war. Die Belagerung von ʿArqa nahm keinen guten Verlauf. Verständlicherweise frustrierte das die Kreuzfahrer, aber fast noch schwerer wog der Tod von Peter Bartholomäus, der die Heilige Lanze aufgefunden hatte. Peters Visionen waren mit der Zeit allerdings so exzentrisch geworden, dass er einen großen Teil des Heeres gegen sich aufgebracht hatte. Um seine Aufrichtigkeit unter Beweis zu stellen, erbot er sich, ein Gottesurteil in Form einer Feuerprobe auf sich zu nehmen, die er jedoch nicht überlebte. Das entscheidende Ereignis, das die Kreuzfahrer dazu brachte, die Belagerung von ʿArqa aufzuheben, war der Abbruch ihrer Unterhandlungen mit den Ägyptern. In Anbetracht der Tatsache, dass sich ihnen, falls sie ihren Vormarsch auf Jerusalem weiter verzögerten, bei der dortigen Belagerung vermutlich ein weiteres, äußerst kampfstarkes Entsatzheer in den Weg stellen würde und dass außerdem die bei ihrer Ankunft herrschende Erntezeit die allzeit schwierige Vorratsbeschaffung würde erleichtern können, brachen sie am 13. Mai in Richtung Süden auf.

Bisher – und seit der Belagerung von Nicäa waren ja bereits zwei Jahre vergangen – hatte das Kreuzfahrerheer sich nur langsam fortbewegt. Große Sorgfalt hatten sie darauf verwendet, einige der großen Festungen einzunehmen, die andernfalls womöglich die Kommunikation über Antiochia und Kleinasien nach Konstantinopel gefährdet hätten. Nun jedoch ließen sie alle Vorsicht fahren und entschlossen sich zu der waghalsigeren Strategie, die am Weg liegenden feindlichen Festungen zu umgehen und sich auf Jerusalem zu stürzen. Die Gangart ihres Vormarsches änderte sich also vom Schneckentempo zum Galopp: Nur sechs Tage nach ihrem Aufb ruch in ʿArqa überquerten sie den Hundefluss (Nahr al-Kalb) nördlich von Beirut, marschierten über die Küstenstadt Tyrus nach Süden, schwenkten nördlich von Jaffa in das Landesinnere und erreichten am 3. Juni die Stadt Ramla. Am 7. Juni 1099 standen sie vor Jerusalem. Tags zuvor war Bethlehem an Tankred gefallen, der sich unter Missachtung seines Gefolgschaftseides von Raimund von Toulouse losgesagt hatte, um sich und das ganze süditalienische Normannenheer in den Dienst Gottfrieds von Bouillon zu stellen.

Jerusalem war, wie zuvor schon Antiochia, viel zu groß, als dass man es von allen Seiten hätte einschließen können. Doch während Antiochia einer Belagerung von siebeneinhalb Monaten standgehalten hatte und nur durch Verrat in die Hände der Kreuzfahrer gefallen war, sollte Jerusalem bereits nach fünf Wochen im Sturm erobert werden. Die Angreifer konzentrierten anfangs ihre geballte Kraft auf die westliche Stadtmauer, verteilten sich dann jedoch auf die nördlichen Befestigungsanlagen, wo Herzog Robert von der Normandie, Robert von Flandern, Gottfried von Bouillon und Tankred Stellung bezogen, sowie auf den Berg Zion im Süden der Stadt, wo sich Raimund von Toulouse positionierte, der sich wegen der Treulosigkeit Tankreds erbittert mit Gottfried von Bouillon und wohl noch anderen Männern aus dessen Gefolge zerstritten hatte. Zu Beginn schien die Belagerung nicht recht zu gelingen, und das trotz der Ankunft englischer und genuesischer Schiffe in Jaffa sowie einer Expedition in das nordwärts gelegene Samaria, die Holz und anderes Material für den Bau zweier Belagerungstürme, eines Rammbocks sowie mehrerer Katapulte geliefert hatte. Zwischenzeitlich traf die Nachricht vom Anmarsch eines ägyptischen Heeres ein, auf das jedermann – nicht zuletzt die Garnison von Jerusalem – gewartet hatte.

Auf Anweisung „von ganz oben“ – wieder einmal hatte ein Seher seine Finger im Spiel – zog eine große Bußprozession der Kreuzfahrer außerhalb der Stadtmauern Jerusalems von Heiligtum zu Heiligtum und versammelte sich schließlich auf dem Ölberg, um Predigten zu hören. Den 14. Juni verbrachte man damit, den Verteidigungsgraben vor der südlichen Stadtmauer zuzuschütten, und gegen Abend konnte der Belagerungsturm Raimunds von Toulouse an sie herangeschoben werden. Am 15. Juni jedoch gelang es den Männern Gottfrieds von Bouillon als Ersten, die Lücke zwischen ihrem Belagerungsturm und der Jerusalemer Stadtmauer zu überbrücken. Sie hatten zuvor ihre Angriffsstellung in Richtung Osten verlegt, um ebenes Terrain zu gewinnen, und waren schließlich ein wenig östlich des heutigen Herodestores erfolgreich. Zwei Ritter aus Tournai überwanden als Erste die Mauer; ihnen folgten Lothringer. Schnell wurde das Rinnsal zu einem reißenden Strom, und Wellen von Kreuzfahrern ergossen sich über die Mauern und durch eine Bresche, die bald von dem Rammbock geschlagen war, in die Stadt hinein. Einige stürmten in Richtung Tempelbezirk, andere noch weiter, um am südwestlichen Stadtrand die Muslime, die sich noch tapfer gegen Raimunds Truppen verteidigten, in die Flucht zu schlagen. Jerusalem war zwar keine dichtbesiedelte Stadt gewesen, hatte in der jüngeren Vergangenheit jedoch eine Vielzahl von Flüchtlingen aus dem Umland aufgenommen. Nun wurde es geplündert. Die zeitgenössische muslimische Darstellung der Geschehnisse lässt zwar vermuten, dass es dabei nicht ganz so viele Tote gegeben hat, wie immer wieder angenommen worden ist; die Berichte christlicher Augenzeugen schwelgen geradezu in der Schilderung eines blutigen Massakers.

Am 22. Juli wurde Gottfried von Bouillon zum Herrscher von Jerusalem gewählt. Seine erste Aufgabe bestand darin, die Verteidigung der Stadt gegen einen ägyptischen Rückeroberungsversuch zu organisieren. Es war nicht ganz leicht, die anderen Anführer des Kreuzfahrerheeres davon zu überzeugen, sich und ihre Truppen gänzlich zu seiner Verfügung zu stellen, doch am Abend des 11. August war das gesamte christliche Heer bei Aschdod versammelt, wo die Herden erbeutet werden konnten, die die Ägypter zur Verpflegung ihrer Truppen herangebracht hatten. In der Morgendämmerung des folgenden Tages überraschten die Kreuzfahrer die Ägypter in deren Heerlager unmittelbar nördlich von Askalon (dem heutigen Aschkelon). Ein Angriff der europäischen Ritter, die sich in der Zwischenzeit anscheinend Ersatz für ihre verendeten Pferde beschafft hatten, schlug sie in die Flucht.

Hugo von Amboise

Hugo wurde um das Jahr 1080 als Erbe eines der drei Türme von Amboise geboren. Als Jugendlicher war er in einen Streit verwickelt, der sich aus seiner Überzeugung entwickelt hatte, sein Lehnsherr Graf Fulko IV. von Anjou wolle mit Unterstützung seines Onkels und Vormunds eine Cousine, Corba von Thorigné, als Miterbin einsetzen und sie sodann einem Mann namens Aimerich von Courron zur Frau geben. Der Graf beeilte sich, den Zwist beizulegen, und Hugo und Aimerich nahmen beide das Kreuz. Dies geschah im März 1096 anlässlich einer Zeremonie in der Abtei von Marmoutier, die Papst Urban II. persönlich vornahm. Um Geld zu erlösen, verpfändete Hugo seine Herrschaft an den Ehemann einer Tante väterlicherseits; auch ein Onkel mütterlicherseits unterstützte ihn mit Bargeld. Aimerich starb während der Belagerung von Nicäa, aber Hugo erwarb sich während des Kreuzzuges den Ruf eines beharrlichen Kämpfers: Er gehörte zu den auserwählten, als besonders verlässlich eingeschätzten Männern, die in der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 1098 zur Bewachung der Stadttore von Antiochia eingesetzt wurden, als sich Panik im Kreuzfahrerheer breitmachte und die verzweifelten Deserteure, die nirgendwo lieber sein wollten als auf der Straße in die Heimat, sogar durch die Latrinenlöcher in der Stadtmauer krochen. Als er, nach der Eroberung Jerusalems, zu Ostern 1100 wieder in seine Heimat zurückkehrte, stellte er fest, dass Graf Fulko seine Cousine Corba gegen eine stattliche Summe an einen älteren Mann namens Achard von Saintes verheiratet hatte, ohne die Verwandten der Braut davon in Kenntnis zu setzen. Hugo war ein kranker Mann, aber dies bedeutete eine erneute Bedrohung seines Herrschaftsanspruchs. Achard floh mit seiner jungen Ehefrau nach Tours, wo er jedoch von Männern aus Hugos Gefolge aufgespürt und Corba kurzerhand von diesen entführt wurde. Achard starb bald darauf, und Hugo kam durch seine Heirat mit einer Schwester des Grafen Fulko V. von Anjou endlich in den Besitz der gesamten Herrschaft Amboise. Nachdem er Amboise seinem ältesten Sohn überschrieben hatte, segelte Hugo mit dem Grafen Fulko, der in Jerusalem die Thronfolgerin Melisendis heiraten sollte, im Jahr 1129 erneut gen Osten. Nur zwei Monate nach seiner Rückkehr nach Palästina starb Hugo von Amboise und wurde auf dem Ölberg begraben.

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