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Die erste Welle

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Die erste Welle von Kreuzfahrern brach bereits im Frühjahr 1096 auf – sehr früh also und tatsächlich zu früh. Ihr berühmtester Anführer war ein Volksprediger namens Peter der Eremit, der sogar schon vor dem Konzil von Clermont begonnen hatte, in Zentralfrankreich Truppen um sich zu scharen. Aus diesem Grund hat der eine oder andere Historiker eine Geschichte wieder aufgegriffen, die ein oder zwei von Peters Zeitgenossen geglaubt haben und die von dem Prediger selbst nach Kräften verbreitet wurde: dass nämlich Peter der Eremit selbst der geistige Vater des Kreuzzuges gewesen sei. Er versammelte ein ansehnliches Gefolge um sich, bevor er im April 1096 in das Rheinland zog. Ihnen voraus marschierte – wahrscheinlich auf Peters Anweisung hin – eine große Abteilung von Fußtruppen, die von acht Rittern unter dem Kommando eines gewissen Walter ohne Habe angeführt wurden, der als „Habenichts“ in die Geschichtsbücher eingegangen ist, obwohl dieser Beiname (Sans-Avoir) eigentlich nur die Herkunftsbezeichnung der Herren von Poissy in der Île-de-France war. Dieser Voraustrupp betrat am 21. Mai ungarischen Boden und marschierte sodann vergleichsweise geordnet bis nach Konstantinopel. Allerdings kam es in Belgrad zu einem schwerwiegenden Ausbruch von Gewalt, und zwar – wie sollte es anders sein – bei der Proviantbeschaffung. Das Ausbleiben weiterer Übergriffe ist bemerkenswert, vor allem wenn man bedenkt, dass die frühe Ankunft Walters und seiner Männer die byzantinische Obrigkeit vollkommen überraschte.

In Konstantinopel erhielten Walters Truppen Verstärkung durch Gruppen italienischer Pilger sowie am 1. August durch Peter den Eremiten, der mit seinen Anhängern am 20. April in Köln losmarschiert war und dessen Überquerung des Balkans sich wesentlich schwieriger gestaltet hatte als jene seiner Vorhut, woran die Disziplinlosigkeit seiner Männer entscheidenden Anteil gehabt hatte. Ungarn hatte Peters Heer zwar noch friedlich durchzogen, doch in Zemun – heute ein Stadtbezirk von Belgrad, damals die letzte Stadt im Königreich Ungarn – war unter Peters Anhängern ein Tumult ausgebrochen, die Zitadelle der Stadt war gestürmt und zahlreiche Ungarn waren getötet worden. Wie man sich vorstellen kann, waren die Kreuzfahrer bestrebt, sich der Bestrafung durch die Ungarn zu entziehen, setzten daher, so schnell sie konnten, über den Grenzfluss Save auf byzantinisches Territorium über, und ließen sich auch von den sie in Empfang nehmenden byzantinischen Truppen nicht in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken. Als sie die menschenleere Stadt Belgrad erreichten – deren Bewohner hatten vorsorglich das Weite gesucht –, waren die Kreuzfahrer in übler Stimmung: Belgrad wurde vermutlich geplündert. Der byzantinische Statthalter von Niš wurde zwar vom Anmarsch der Fremden völlig überrascht, versuchte jedoch mit ihnen zu kooperieren und erlaubte den Kreuzfahrern daher, im Austausch gegen Geiseln Proviant zu erwerben. Als das Kreuzfahrerheer gerade im Abzug begriffen war, setzten einige Deutsche unter ihnen mehrere vor der Stadt befindliche Mühlen in Brand. Der Statthalter befahl seinen Truppen, den Abziehenden nachzusetzen und deren Nachhut anzugreifen. Obwohl Peter der Eremit seinen Männern befahl, sich ruhig zu verhalten, setzten sich viele von ihnen gegen die Angreifer zur Wehr, wurden aufgerieben und versprengt. Die Kreuzfahrer verloren viele Männer und Frauen und alles Geld. Glücklicherweise empfingen die Griechen sie friedlich, als sie Sofia erreichten. Von nun an wurden sie mit Verpflegung versehen und auf ihrem Marsch unterstützt, so dass sie ohne weitere Vorkommnisse vor Konstantinopel eintrafen.

Walter ohne Habe und Peter der Eremit wurden von dem byzantinischen Kaiser Alexios freundlich aufgenommen. Man riet ihnen, auf die Ankunft der anderen Kreuzfahrergruppen zu warten, von deren Versammlung in Europa man schon gehört hatte. Doch Peters ungeduldige Leute fingen lieber an, die umliegenden Gegenden zu plündern, was die Griechen zu der Einsicht gelangen ließ, dass sie besser heute als morgen weiterziehen sollten. Am 6. August wurden sie auf Fährbooten über den Bosporus gesetzt. Danach marschierten sie nach Kibotos, einem günstig gelegenen Treffpunkt, an dem sie auf die restlichen Kreuzfahrer warten konnten. Dann jedoch kam es zum Streit zwischen den Deutschen und Italienern einerseits, die gemeinsam einen italienischen Adligen namens Rainald zu ihrem Anführer wählten, und den Franzosen andererseits. Von Kibotos aus unternahmen die Franzosen Raubzüge bis nach Nicäa, das unter seldschukischer Herrschaft stand. Das wollten Rainalds Anhänger nicht auf sich sitzen lassen und errichteten einen Stützpunkt noch jenseits von Nicäa. Am 29. September jedoch sahen sie sich von türkischen Truppen umzingelt. Acht Tage später mussten die Kreuzfahrer sich ergeben. Wer von ihnen sich bereit erklärte, zum Islam zu konvertieren, wurde weiter in den Osten geschickt; die anderen wurden getötet. Als die Nachricht von diesem Debakel das Hauptquartier erreichte, hielt sich Peter der Eremit gerade in Konstantinopel auf, und die französischen Kreuzfahrer rückten – gegen den Rat von Walter ohne Habe, der zur Vorsicht gemahnt hatte – am 21. Oktober in das Landesinnere vor. Dabei gerieten sie in einen türkischen Hinterhalt und wurden vollkommen aufgerieben.

Walter und Peter hatten wenigstens Kleinasien erreicht. Drei andere Kreuzfahrerheere, die sich ungefähr zur selben Zeit auf den Weg machten, kamen nicht weiter als bis nach Ungarn. Die sächsisch-böhmische Streitmacht unter dem Kommando Folkmars wurde bei Neutra vernichtend geschlagen. Ein weiterer Trupp marodierender Kreuzfahrer, den ein Priester aus dem Rheinland namens Gottschalk anführte, musste sich den Ungarn bei Pannonhalma ergeben. Das große Heer von Kreuzfahrern aus dem Rheinland, Schwaben, Frankreich, England und Lothringen, das unter Emicho von Flonheim die Juden im Rheinland heimgesucht hatte, wurde bei Wieselburg an der Grenze zu Ungarn aufgehalten. Nachdem sie sechs Wochen mit dem Bau einer Brücke über den vor der Stadt gelegenen Fluss verbracht hatten, endete ihr Sturmangriff in panischer Flucht.

Oft wird fälschlicherweise behauptet, diese Heere des sogenannten Volkskreuzzuges hätten sich überwiegend aus Bauern zusammengesetzt – im Gegensatz zu jenen, die 1096 erst später aufbrachen. Das war jedenfalls eine Erklärung von Zeitgenossen für die Judenmassaker, die Übergriffe auf dem Balkan und ihr Scheitern in Kleinasien. Wir dürfen uns jedoch nicht mit der einfachen Begründung zufrieden geben, die Teilnehmer dieses Kreuzzuges seien eben kaum mehr als Horden von Bauern gewesen, disziplinlos und beutegierig. Denn wenn es in den betroffenen Heeren wohl auch mehr Nicht-Kämpfer gegeben hat als in den späteren Kreuzfahrerheeren, so waren doch auch etliche erfahrene Ritter mit von der Partie. Walter ohne Habe war ein solcher, ebenso die Hauptleute aus dem Heer Peters des Eremiten. Einer von ihnen, der Ritter und Chronist Fulcher von Chartres, sollte seine Tage als Grundherr in der Grafschaft Edessa beschließen, der ersten lateinischen Herrschaft im Nahen Osten. Emicho von Flonheim war ein bedeutender Vertreter des oberdeutschen Adels; das Gleiche gilt von dem Grafen Hartmann von Dillingen-Kyburg, der sich Emicho in Mainz angeschlossen hatte. Mit ihnen zogen vermutlich mindestens vier weitere deutsche Grafen. Das Heer aus französischen, englischen, flandrischen und lothringischen Kreuzfahrern, das ebenfalls in Mainz zu den Truppen Emichos gestoßen war, war offenbar groß, gut ausgerüstet und wurde von einer illustren Gruppe französischer Ritter angeführt: Clarembald von Vandeuil; Thomas von Marle, Herr von Coucy; der Vicomte Wilhelm von Melun, genannt „der Zimmermann“; schließlich Drogo von Nesle. Womöglich sollte diese Gruppe mit ihren Kämpfern auch eine Art französische Vorhut bilden, denn nach der Zerschlagung von Emichos Heer schlossen sie sich Hugo von Vermandois an, einem Bruder des französischen Königs, und setzten ihre Fahrt in den Osten mit ihm fort.

Einer der Gründe für die Katastrophen, unter denen diese erste Welle von Kreuzfahrern schließlich zusammenbrach, bestand darin, dass sie schon vor dem vom Papst auf den 15. August 1096 festgelegten Abmarschdatum aufgebrochen waren. Das heißt, sie waren losmarschiert, während sich Westeuropa noch mitten in einer Quasi-Hungersnot befand und vor der wundersam reichen Ernte dieses Jahres. Aus diesem Grund litten die Kreuzfahrer von Anfang an unter einer unzureichenden Lebensmittelversorgung. Auf dem Balkan mussten sie plündern, wo sie nichts kaufen konnten. Und selbst dort, wo sie etwas kaufen konnten, blieb die Proviantfrage doch immer ein Thema, und immer wieder waren es Streitereien über die Verpflegung, die zu Unordnung und Tumult führten. Außerdem war die byzantinische Obrigkeit unvorbereitet. Niemand hatte sich darum gekümmert, den Kreuzfahrern einheimische Begleiter und Wegweiser zur Seite zu stellen; auch mangelte es an Vorräten. Und nicht zuletzt hatte das Scheitern der Unternehmungen von Folkmar, Gottschalk und vor allem Emicho von Flonheim dafür gesorgt, dass Peter der Eremit und Walter ohne Habe nicht über ausreichende Truppen verfügten.

Die Kreuzzüge

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