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Die dritte Welle

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Nach dem großen Triumph der Einnahme Jerusalems beschlossen die meisten der Kreuzfahrer, in ihre Heimat zurückzukehren. Ab dem Winter 1099/1100 begannen sie nach und nach wieder in Westeuropa einzutreffen. In ihrem Gepäck fanden sich nicht Reichtümer, sondern Reliquien, die sie an die Kirchen ihrer Heimatgegenden verteilten. Außerdem führten sie Palmwedel mit sich, welche die Einlösung ihrer Kreuzzugsgelübde symbolisierten. Doch bereits im Frühjahr des Jahres 1099 – also noch bevor der Erste Kreuzzug Jerusalem erreicht hatte – hatte Papst Urban dem Erzbischof von Mailand aufgetragen, in der Lombardei erneut den Kreuzzug zu predigen. Der erneute Aufruf zum Kreuzzug stieß auf ein begeistertes Echo, und während noch die Nachricht vom Fall Jerusalems – die Urban II., der am 29. Juli 1099 starb, nicht mehr zu Ohren kam – Westeuropa durcheilte, wurden schon neue Kreuzfahrerheere aufgestellt. Urbans Nachfolger, Papst Paschalis II., drohte – wie es schon Urban selbst getan hatte – all jene zu exkommunizieren, die ihre Kreuzzugsgelübde noch nicht erfüllt hatten, und seine Worte wurden von den Bischöfen wiederholt. Paschalis drohte außerdem, Deserteure zu exkommunizieren. Hugo von Vermandois und Stephan von Blois gehörten zu denen, die beschlossen, zur Tilgung dieser Schmach abermals in das Heilige Land zu ziehen. Schließlich hatten all jene, die vom Kreuzzug desertiert waren, Schande nicht allein über sich selbst, sondern auch über ihre Familien gebracht. Milon I. von Montlhéry und sein Sohn Guido II. Troussel etwa desertierten im Jahr 1098. Es kann kein Zufall gewesen sein, dass Milon, als er sich mit dem Kreuzzug von 1101 erneut auf den Weg nach Palästina machte, von seinem Bruder Guido von Rochefort, dem anderen Senior der Familie, begleitet wurde.

Viele Männer und Frauen in Frankreich, Italien und Deutschland, die sich zuvor noch nicht dazu hatten durchringen können, das Kreuz zu nehmen, strömten nun zu den Fahnen. Päpstliche Legaten wurden nach Frankreich gesandt, wo sie im September 1100 in Valence eine Synode abhielten. Anschließend zogen sie nach Limoges, wo Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien und viele seiner Vasallen das Kreuz nahmen, und weiter nach Poitiers, wo sie bei einer Synode, die für den fünften Jahrestag der Eröffnung des Konzils von Clermont am 18. November einberufen wurde, den Kreuzzug predigten.

Die Heere der dritten Welle waren vermutlich in etwa so groß wie jene, die sich im Jahr 1096 auf den Weg gemacht hatten. Allerdings war diesmal das päpstliche Truppenkontingent, das von dem Lyoner Erzbischof und obersten Legaten des Papstes Hugo von Die befehligt wurde, größer. Die nun beteiligten weltlichen Fürsten waren von gleichem oder höherem Rang als ihre Vorgänger: die bereits erwähnten Wilhelm von Aquitanien, Stephan von Blois und Hugo von Vermandois; dazu Wilhelm von Nevers, Odo von Burgund, Stephan von Burgund und Welf IV. von Bayern.

Unter der Hochglanzoberfläche edlen Rittertums und unbeschwerter Abenteuerlust – dieser Eindruck verdankte sich womöglich der überschwänglichen Persönlichkeit Wilhelms von Aquitanien – zeichnete sich neben einem ernsthaften religiösen Streben aber auch die Bereitschaft ab, aus den Fehlern des vorangegangenen Unternehmens zu lernen. Dies betraf zum Beispiel leicht zu transportierende Wertgegenstände, die den Kreuzfahrern den Ruf einbrachten, einem ausschweifenden Luxusleben zu frönen. Tatsächlich führten sie neben Bargeld auch Juwelen mit sich, um diese unterwegs gegen Geld oder Verpflegung eintauschen zu können.

Als Erste brachen die Lombarden auf, die Mailand am 13. September 1100 verließen. Sowohl ihre Überwinterung in einem Feldlager in Bulgarien als auch der anschließende zweimonatige Aufenthalt vor den Mauern Konstantinopels im Frühjahr 1101 wurde immer wieder von Unordnung und Aufruhr unterbrochen. Wie schon zuvor versuchte Kaiser Alexios, die Kreuzfahrer zu einer schnellen Überquerung des Bosporus zu zwingen, indem er ihnen die Erlaubnis zum Provianterwerb verweigerte. Und wie ihre Vorgänger, so reagierten auch die Kreuzfahrer dieses Zuges mit Gewalt: Sie griffen den kaiserlichen Blachernen-Palast an. Dies brachte ihre Anführer jedoch in eine derart peinliche Lage, dass sie der Überfahrt ihrer Streitmacht nach Asien zustimmten. Bei Nikomedia (dem heutigen Izmit) stieß das erste, kleinere von zwei deutschen Heeren zu ihnen sowie Kämpfer aus Burgund und Nordfrankreich unter dem Kommando Stephans von Blois und auch Raimunds von Toulouse, der bereits im Sommer zuvor mit seinem Gefolge in Konstantinopel eingetroffen war und sich nach einigem Zögern bereiterklärt hatte, den anderen Fürsten als Berater zu dienen. Dabei war er nicht erfolgreich: Gegen seinen Rat sowie gegen den der Griechen und Stephans von Blois beschlossen die neuen Kreuzfahrer, nicht auf ihre noch auf dem Weg befindlichen Kameraden zu warten, sondern nach Niksar zu marschieren, wo Bohemund, der im Jahr zuvor von den Danischmendiden in Ostanatolien gefangen genommen worden war, noch immer im Kerker saß. Es ist sogar möglich, dass die Lombarden, befeuert von wilden Gerüchten, wie sie nach den Erfolgen des vorigen Feldzuges in Europa kursierten, als einzige der Kreuzfahrer an weitere Eroberungen dachten, statt dem Heiligen Land Hilfe zu bringen, und in den Irak ziehen wollten, um Bagdad zu belagern. Im Juni marschierten sie von Izmit nach Ankara, dann in nordöstlicher Richtung nach Çankiri (Gangra); anschließend schwenkten sie wieder nach Osten um. Anfang August befanden sie sich irgendwo in der Gegend von Merzifon, wo sie auf ein Koalitionsheer türkischer Fürsten trafen, die ihre Differenzen angesichts des gemeinsamen Feindes ruhen ließen. Nach mehreren Kampftagen gerieten die Kreuzfahrer in Panik und flohen.

Im Juni 1101 erreichte ein Heer unter Wilhelm von Nevers Konstantinopel, überquerte den Bosporus und machte sich am 24. des Monats auf den Weg, die Lombarden einzuholen. Damit hatten Wilhelms Männer die Truppen des Herzogs von Aquitanien überholt, die vor ihnen in Konstantinopel angekommen waren. Bei Ankara gab der Graf von Nevers die Verfolgung der lombardischen Streitmacht auf und bog stattdessen mit seinen Leuten nach Süden in Richtung Konya ab. Mitte August kamen sie dort an, nicht ohne unterwegs eine dreitägige Schlacht geschlagen zu haben. Es gelang Wilhelm nicht, Konya einzunehmen, also marschierte er weiter nach Herakleia Kybistra, fand die Stadt jedoch verlassen, ihre Brunnen zugeschüttet. Nach mehreren dursterfüllten Tagen wurden die Kreuzfahrer in die Flucht geschlagen.

Inzwischen hatte das Heer Wilhelms von Aquitanien, das Mitte März in Frankreich aufgebrochen war und – nach einem wilden Marsch über den Balkan in Begleitung der Truppen Herzog Welfs von Bayern – Anfang Juni Konstantinopel erreicht. Gemeinsam lagerten diese Kreuzfahrerkontingente fünf Wochen lang in der Nähe der Stadt, erwarben Proviant von den Griechen und holten deren Rat ein, obwohl einige der Deutschen klugerweise auf dem direkten Seeweg nach Palästina weiterreisten. Mitte Juli brachen Welf und Wilhelm dann mit ihren Truppen in östlicher Richtung auf und folgten der Route, auf der bereits die Kreuzfahrer der zweiten Welle nach Jerusalem gezogen waren. Diese Gegend war jedoch sowohl von den Türken als auch von den durchziehenden Kreuzfahrern geplündert und verwüstet worden, und so mangelte es ihnen bald – trotz sorgfältiger Planung – an der nötigen Verpflegung. In der Nähe von Herakleia Kybistra geriet ihr Heer in einen Hinterhalt und wurde beinahe vollkommen vernichtet.

Wilhelm von Aquitanien und Welf von Bayern gelang die Flucht, wie sie – anlässlich ihrer ähnlich desaströsen Niederlagen – auch Wilhelm von Nevers, Stephan von Burgund, Stephan von Blois und Raimund von Toulouse gelungen war. Hugo von Vermandois erlag in Tarsus seinen schweren Verwundungen. Einige der Überlebenden schlossen sich in Syrien Raimund von Toulouse an und nahmen mit ihm die Stadt Tartus (Tortosa in Syrien) ein, die Raimunds Grundstein für eine weitere Kreuzfahrerherrschaft sein sollte. Anschließend zogen die meisten von ihnen weiter nach Jerusalem, um ihre Gelübde zu erfüllen. Einige, deren Abreise von ungünstigen Winden verzögert worden war, schlossen sich Truppen der nach der Eroberung Jerusalems im Orient Gebliebenen an und stellten sich mit diesen gegen eine erneute ägyptische Invasion. Glücklos bis zuletzt, wurden sie am 17. Mai 1102 vernichtend geschlagen, wobei auch Stephan von Blois den Tod fand.

Die Kreuzzüge

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