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8What's disgusting you, is the nature of my game

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„Die Terroristen wollen uns ja vor allem für unseren Lebensstil bestrafen. Sie glauben nicht an unsere westlichen Werte, die es uns erlauben, Alkohol zu trinken, zu feiern, sich zu kleiden, wie man möchte. Es war kein Zufall, dass sie sich Cafés, ein Fußballspiel und einen Nachtclub ausgesucht haben. Damit wollten sie Wahrzeichen treffen, wofür wir, wofür der Westen und eine demokratische, aufgeklärte Gesellschaft stehen. Für die Möglichkeit, sich frei entfalten zu können und das eben auch und vor allem im Privatleben. Dafür wollten sie uns bestrafen, dagegen kämpfen sie.“

„Spüren Sie nun auch die Angst hier in Berlin?“

„Die Terroristen wollen, dass wir nicht mehr ausgehen – also machen wir das jetzt erst recht. So denken viele Pariser mit denen ich in den letzten Tagen gesprochen habe, und so denken auch viele in Berlin. Alle wissen, dass es hier jederzeit zu einer ähnlichen Tragödie kommen kann. Es war ein Angriff auf Paris: eine bunte Stadt, in der sehr verschiedene Menschen leben. Aber es war ebenso ein Angriff auf Deutschland, als sie das Spiel zwischen unseren befreundeten Nationen als Ziel auswählten."

„Was wäre denn Ihre Botschaft an die Menschen in Paris?"

„Das sie – oder besser gesagt wir – uns nicht unterkriegen lassen sollen. Wir werden weiter unser Leben führen, wie wir es immer getan haben, uns frei bewegen, unsere Werte feiern. Wir müssen weiter ausgehen, das Leben genießen, feiern, tanzen, alles machen, was sie an diesem Freitag zerstören wollten. Es geht um Demokratie, um unseren Weg des Lebens, um unsere Werte. Und um die Freiheit."

„Vielen Dank, für dieses Gespräch."

Die Kamera wurde abgeschaltet. Sein Magen rebellierte, mit Mühe rang er den Brechreiz nieder. Kalter Schweiß klebte auf seiner glühenden Stirn, er konnte seinen eigenen, säuerlichen Gestank riechen. Sie sprach mit ihm, ein paar Worte, lächelte mit ihren lächerlich weißen Zähnen unter ihrem zu rotem Mund, der ihn eigentlich hätte anziehen müssen, wenn ihm nicht so unvorstellbar übel wäre. Er war schnell gewesen, oder besser gesagt, seine Agentin war ihr Geld mehr als wert, selbst wenn sie wirklich nicht hübsch und deutlich älter war, als er. Andererseits hätte er sich wohl nicht einer jüngeren anvertraut. Natürlich war er nicht der Erste mit einer solchen Aussage gewesen und auf keinen Fall der Letzte, doch konnte er sicher sein, viele Zuschauer – vor allem junge, gebildete – erreicht zu haben, die solche Worte vielleicht schon gehört hatten, aber nicht von jemandem, der noch ihrer Alterskohorte angehörte und alleine schon dadurch an Glaubwürdigkeit und somit Öffentlichkeit und dadurch Bedeutung gewann. Bald würden die ersten Ausschnitte seines Interviews auf Facebook und anderen Netzwerken gepostet, repostet und kommentiert werden, wie er sie aufforderte, weiter zu feiern, mehr zu feiern. Er gab ihnen genau das, was sie hören wollten und was sie glaubten zu brauchen. Hinzu kam noch die Bestätigung, dass sich nichts für sie ändern würde, sondern, ganz im Gegenteil, sich gleichzeitig alles und nichts ändern würde. Denn um der neuen Situation zu begegnen, müssten sie erst recht mit dem weitermachen, was sie ohnehin schon die ganze Zeit taten. Nur war es jetzt ein politisches Statement. Der Widerstand bestand darin, zu saufen, ficken und feiern. Solch einem Messias folgte man doch gerne.

Weißer Mann, was nun?

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